Eigentlich sollten beide Mercedes-Piloten nach dem Deutschland GP gleichzeitig zu den Printmedien sprechen. Doch Nico Rosberg kommt früher - er durfte zuvor nicht aufs Podium klettern, musste anschließend nicht in die Pressekonferenz. Der Deutsche hat früher Feierabend als Lewis Hamilton, der zuvor seinen sechsten Sieg in sieben Rennen auf dem Podium feiern durfte.

Rosbergs Misere begann am Start, Foto: Sutton
Rosbergs Misere begann am Start, Foto: Sutton

Rosberg Medienrunde war ein katastrophales Rennen vorhergegangen: Am Start verlor der Mercedes-Pilot Platz eins nach wenigen Metern an seinen Teamkollegen. Am Ausgang von Kurve eins waren auch die beiden Red-Bull-Piloten Max Verstappen und Daniel Ricciardo vorbei. Nach weiteren Pannen stand am Ende Rang vier.

Grund für Rosbergs schlechten Start war nicht die Reaktionszeit. "Die Kupplung hat zu stark gebissen", beklagt sich der WM-Zweite. "Dabei verlief der Start in die Einführungsrunde noch perfekt." Heißt konkret: Rosberg ließ die Kupplung zu schnell kommen, zu viel Drehmoment wurde auf die Antriebsachse übertragen, die Reifen drehten durch. "Als ich es bemerkt habe, konnte ich nichts mehr machen."

Für Lewis Hamilton war der Start der Matchwinner. Rosberg überholt, zudem zwei Red Bull als Puffer dazwischen. "Nach zwei oder drei Runden habe ich den Motor runtergedreht", bemerkt Hamilton nach seinem ungefährdeten Sieg. "Wenn mir vor den Boxenstopps 'Hammertime' gesagt wurde, habe ich den Modus wieder geändert und habe Gas gegeben." Hamiltons Sieg war nie in Gefahr, er begann schon nach wenigen Runden, seinen Vorsprung zu verwalten.

Rosberg gegen Red Bull chancenlos

Von Verwalten war bei Nico Rosberg keine Spur. Er konnte Daniel Ricciardo, der am Start eine Position an Max Verstappen verloren hatte, nicht einmal unter Druck setzen. Auch beim ersten Boxenstopp kam Rosberg nicht an der Konkurrenz vorbei. Den kompletten zweiten Stint fuhr der Deutsche vor seinem Heimpublikum brav hinter dem Red-Bull-Duo her.

Dabei konnte er beim Ungarn GP vor einer Woche seinem eigenen Teamkollegen scheinbar viel besser folgen und unter Druck setzen. "Ich hatte Probleme mit der Hinterachse", erklärte Rosberg. "Meine Hinterreifen haben deshalb überhitzt. Das müssen wir uns noch ansehen." Darauf will er seine Performance-Probleme aber nicht schieben. "Lewis hatte das gleiche Setup."

Nach einem Undercut beim zweiten Stopp kam Rosberg direkt hinter Max Verstappen, der zuvor mit seinem Teamkollegen Platz getauscht hatte, zurück auf die Strecke. Rosberg witterte seine Chance, versuchte es mit einem aggressiven Manöver in der Spitzkehre. Rosberg bremste viel später als der Niederländer, positionierte sich innen und fuhr schier ewig lang geradeaus. So lange, dass Max Verstappen nicht einlenken konnte, ohne dass er einen Unfall damit provoziert hätte.

Rosberg ging vorbei, allerdings beschäftigte sich die Rennleitung umgehend mit dem Zwischenfall. Das Urteil: Eine Fünf-Sekunden-Pitstop-Strafe für Abdrängen des Gegners. "Das hat mich überrascht", gibt der Beschuldigte später zu Protokoll. "Das war Racing, ich war echt begeistert, weil ich in diesem Moment von so weit hinten kam und trotzdem überholen konnte."

Rosberg: Verstappen hat Spur gewechselt

Schon am Boxenfunk beschwerte sich der Mercedes-Pilot, als er von der Strafe erfuhr: "Könnt Ihr ihnen erklären, dass ich mit der Lenkung komplett am Anschlag war? Ich konnte nicht mehr einlenken. Er hat während der Bremsphase seine Linie gewechselt, das war das große Problem, das ist nicht erlaubt!"

Nico Rosberg schickte Max Verstappen neben die Strecke, Foto: Sutton
Nico Rosberg schickte Max Verstappen neben die Strecke, Foto: Sutton

Doch Rosbergs Beschwerden hatten keinen Erfolg. Die Entscheidung der Rennleitung war gefällt. "Wir haben erst am Freitag diskutiert, das man das vermeiden soll", erklärte Rosberg nach dem Rennen. Verstappen war bereits nach dem Ungarn GP unter Beschuss, weil er sich ähnlich gegen Kimi Räikkönen verteidigte.

Teamchef Toto Wolff sieht die Strafe differenziert: "50 Prozent sehen es so, 50 Prozent so. Ich will nur, dass es eine Konstanz gibt, wann bestraft wird und wann nicht, so dass jeder weiß, wie er dran ist." Rosberg sieht da ein Problem: "Jede Situation ist anders, es gibt keine zwei identischen Situationen." Beobachter wollen Parallelen zu Österreich gesehen haben, als er Hamilton ähnlich attackierte. "Das war aber komplett anders", wiegelt Rosberg ab.

"Es wird immer irgendjemand von der Strecke gedrängt, wir wollen hartes Racing. Aber ich kann die Strafe verstehen, sie ist nicht komplett falsch", gibt sich Toto Wolff versöhnlich. Christian Horner, Wolffs Gegenpart von Red Bull, sieht die Situation ebenfalls nicht eindeutig. "Man könnte sagen, dass es ein Rennunfall war. Ich denke wenn er auf allen vier Reifen blockiert hätte und es viel Reifenqualm gegeben hätte, dann wäre er damit wohl durchgekommen. Aber so war es nicht, er schien einfach geradeaus zu fahren, als wollte er nach Köln."

Kurioser Stoppuhr-Defekt trifft Rosberg

Weil Rosberg wie alle anderen Top-Piloten auf einer Dreistopp-Strategie unterwegs war, konnte er die Strafe immerhin vor dem Stopp absitzen. Andernfalls wären die fünf Sekunden auf seine Rennzeit addiert worden. Eine teilweise haarige Angelegenheit, weil es anderen Piloten reicht, nur knapp hinter dem Bestraften ins Ziel zu kommen. Ein Safety-Car ist das Horror-Szenario.

Rosberg aber war mit dem Antreten der Strafe nicht besonders gut bedient. Erst nach mehr als acht Sekunden begannen die Mechaniker mit dem Reifenwechsel - eigentlich hätten sie nach genau fünf Sekunden damit beginnen dürfen. "Ich habe das im Auto gar nicht bemerkt, aber es kam mir schon wie eine Ewigkeit vor", erinnert sich Rosberg.

Der Grund für die drei Sekunden Verzögerung ist kurios: Die Stoppuhr funktionierte nicht. "Als wir gemerkt haben, dass die Uhr nicht gestartet ist, sind wir auf Nummer sicher gegangen und haben lieber länger gemacht, um nicht noch eine Strafe zu erhalten", erklärt Wolff. "Da hätten wir auch gleich zählen können... Es war aber kein Bedienungsfehler, sondern ein technisches Problem."

"Auch in einem Formel-1-Team mit all dem High-Tech können Dinge wie ein Stoppuhr kaputt gehen", beruhigt Wolff. "Am Ende hat es sowieso nichts geändert", tut Rosberg den Zwischenfall ab. "Red Bull war am Ende auf den Supersoft-Reifen zu schnell." Durch die Strafe fiel Rosberg wieder hinter Verstappen zurück. Im Gegensatz zu Verstappen und Ricciardo setzten Rosberg und Hamilton im letzten Stint auf Soft-Reifen.

Nachdem Hamilton mit seinem Sieg in Ungarn die WM-Führung erstmals in dieser Saison übernommen hatte, baute er sie ausgerechnet vor der Sommerpause und vor Rosbergs Publikum aus. Hamilton geht mit 217 Punkte in die Pause, Rosberg mit 19 Punkten weniger.