Es war das Streitthema am Samstag in Budapest: Nico Rosbergs Pole Position, herausgefahren unter Doppelgelb. Das war passiert: Der letzte Versuch in Q3 hatte begonnen, als sich Fernando Alonso in seiner Runde in Kurve neun drehte. Es wurden doppelt-gelbe Flaggen geschwenkt, für die nachfolgenden Fahrer war ihr Versuch damit beendet. Nico Rosberg, der auf der Strecke weiter hinten war, kam zur Unfallstelle, als Alonso gerade wieder weggefahren war. Es wurden aber immer noch gelbe Flaggen im Zweierpaket geschwenkt. Rosberg lupfte kurz bei der Einfahrt in Kurve acht, ging dann wieder sofort auf das Gas und fuhr am Ende der Runde tatsächlich zur Bestzeit. Sein Lupfen brachte ihm nur einen Zeitverlust von einer Zehntelsekunde.

Es folgte ein Sturm der Entrüstung unter anderem von Red Bull, während Mercedes sofort beschwichtigte und klarstellte, dass Rosberg sich regelkonform verhalten habe. Die Stewards unternahmen zunächst nichts, erst einige Stunden später, als die Fahrer die Strecke bereits verlassen hatten, beorderten sie Rosberg zurück. Es folgte eine Anhörung, an deren Ende der Deutsche freigesprochen wurde. Er durfte die Pole behalten. Begründung: Im betreffenden, 200 Meter langen Sektor, verzögerte Rosberg ihrer Meinung nach stark genug. Dass er im Mittelsektor insgesamt die absolute Bestzeit fuhr, war in diesem Fall irrelevant.

Nico Rosberg freute sich über seine Pole in Ungarn, Foto: Sutton
Nico Rosberg freute sich über seine Pole in Ungarn, Foto: Sutton

Rosberg schlechtes Vorbild?

Und doch stieß dieser Vorfall eine Debatte darüber an, was genau es bedeutet, wenn eine doppelt-gelbe Flagge gezeigt wird. Und vor allem: Ist Rosbergs Verhalten moralisch vertretbar? Der Internationale Sporting Code sagt, dass man bei einer doppelt-geschwenkten gelben Flagge jederzeit bereit sein muss, anzuhalten. War Rosberg das? Auch einige Tage nach dem Vorfall gibt es weiterhin Diskussionen.

Romain Grosjean hält das Vorgehen Rosbergs für inakzeptabel. "Wenn man die Sicherheit verbessern will, sollte man da anfangen. Denn wenn es jemand schafft trotz Doppelgelb auf die Pole zu fahren, ist das sehr komisch", so der Franzose auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com. Für den Haas-Piloten ist Rosberg ein schlechtes Vorbild. "Da er nichts bekommen hat, werden jetzt alle immer weiter ans Limit gehen. Wenn man an der Sicherheit arbeiten will, ist das ein Punkt. Denn wir sind auch das Vorbild für die Nachwuchsserien und wenn gelb gezeigt wird, dann müssen wir langsam fahren", mahnt er.

Eine ganz ähnliche Meinung zu dem Vorfall hat Kimi Räikkönen. "Bestimmte Dinge müssen immer gleich behandelt werden, dafür haben wir doch Regeln. Es ist sehr komisch, wenn man die Pole Position in der Qualifikation holt, obwohl es eine gelbe Flagge in der Runde gab", sagte der Finne. "Die Regeln besagen, dass man in der Lage sein muss, anzuhalten. Es ist schwierig zu erklären, wie das möglich war. Das Ergebnis können wir jetzt nicht mehr ändern. Aber in der Zukunft wird das immer mehr ausgenutzt, wenn es immer so behandelt wird", prognostiziert der Ferrari-Pilot.

Nach dem Qualifying musste Nico Rosberg zu den Stewards, Foto: Sutton
Nach dem Qualifying musste Nico Rosberg zu den Stewards, Foto: Sutton

Alonso sieht kein Problem

Besonderen Kontakt zu den Nachwuchsfahrern hat Fernando Alonso. Der Spanier betreibt seine eigene Kartschule. Interessanterweise sieht er das Thema jedoch entspannter. "Ich fahre seit 16 Jahren in der Formel 1 und seit 31 Jahren mache ich Motorsport. Es gab immer einfach-gelb und doppelt-gelb und es gab nie irgendwelche Probleme, außer wenn du um die WM kämpfst oder Nico es tut. Ich sehe da kein Problem", meint er. "Es war nie ein Problem, und es wird auch in der Zukunft nie ein Problem sein. Da gibt es meiner Meinung nach nichts klarzustellen", kann er die Diskussionen nicht nachvollziehen.

Pikanterweise war es Alonso, der die gelbe Flagge in Ungarn erst verursachte. Im schlimmsten Fall wäre er also das Opfer von Rosberg gewesen. Doch der 35-Jährige erinnert sich an eine Situation 2012. "Wir können beim Fußball auch zum Schiedsrichter gehen und ihm erklären, dass es kein Elfmeter ist, weil der Spieler den Ball nicht mit der Hand berührt hat. Aber der Schiedsrichter hat mehr Informationen. Sebastian (Vettel) hat Jean-Eric Vergne 2012 unter Gelb in Brasilien überholt: Er ist Weltmeister geworden." Einen Präzedenzfall sieht Alonso nicht - zumindest für ihn persönlich. "Ich werde so weiterfahren, wie immer. Wenn dort gelbe Flaggen sind, werde ich vom Gas gehen. Und ich denke, Nico wird das auch tun", glaubt er.

Lewis Hamilton und Nico Rosberg reizen das Reglement aus, Foto: Sutton
Lewis Hamilton und Nico Rosberg reizen das Reglement aus, Foto: Sutton

Massa fordert klare Definitionen

Im Reglement gibt es keine klare Vorgabe, wie schnell oder langsam ein Fahrer unter doppelter gelber Flagge sein muss. Ein Umstand, den Felipe Massa kritisiert. "Wie viel musst du da verlangsamen? Eine halbe Sekunde, eine Sekunde? Das ist etwas, das ich nicht weiß. Dann zeigst du, dass du verlangsamt hast, selbst wenn es nur ein Zehntel ist. Das ist genug? Wir wissen es nicht", erklärt Massa das Problem. "Das ist jedenfalls der Grund, weshalb Nico seine Rundenzeit nicht verloren hat. Aber das ist etwas, dass wir zu 100 Prozent klarstellen müssen. Was müssen wir tun, wenn Doppelgelb im Qualifying geschwenkt wird? Wir wissen, dass wir sehr verlangsamen müssen - aber wie viel? Das muss genauer definiert werden", fordert er.

Die Diskussionen wären gar nicht erst aufgeflammt, wenn es anstelle der doppelt-gelben Flaggen eine VSC-Phase - also das Virtuelle Safety Car - gegeben hätte. Dafür plädiert zumindest Romain Grsojean. "Das VSC hat sich als großartig herausgestellt. In den Rennen, in einigen Trainings. Natürlich ist es in Q3 knifflig, aber es wäre besser gewesen als Doppelgelb", glaubt er. "Wir haben die Delta-Zeit im Auto und können das verwalten. Im Rennen ist es natürlich etwas schwieriger. Im Qualifying darf man seine Zeit unter gelber Flagge nicht verbessern können", stellt er klar.