Nico Rosbergs Pole-Runde beim Ungarn GP sorgte weiterhin für große Diskussionen: Der Mercedes-Pilot fuhr im finalen Qualifikations-Segment die schnellste Runde, obwohl er dabei durch einen Abschnitt fahren musste, in dem doppelt Gelb geschwenkt wurde. Ausgerechnet in diesem Sektor setzte er auch noch die absolut beste Zeit.

Nachdem die Stewards am Samstag lange nicht in Aktion traten, entschieden sie sich am Abend doch noch dazu, Nico Rosberg zu verhören. Um 20:34 Uhr wurde Rosberg freigesprochen. Lewis Hamilton hatte sich zuvor kritisch über die strittige Szene geäußert, weil Rosberg lediglich 0,12 Sekunden durch sein Lupfen verlor, erst danach riefen die Stewards Rosberg zum Verhör.

"Ich glaube nicht, dass ich die Untersuchung beeinflusst habe. Ich habe mit Charlie [Whiting, Rennleiter] gesprochen und um Klarstellung gebeten", stellt Hamilton klar. Doch auch am Sonntag, nachdem Lewis Hamilton den Ungarn GP zum fünften Mal gewonnen hatte, sorgte die Szene vom Samstag noch für Diskussionen.

"Die ganzen 23 Jahre, in denen ich Rennen gefahren bin, hieß es, dass man unter Gelb langsamer fahren muss und man bereit sein muss, zu stoppen, wenn doppelt Gelb geschwenkt wird. Und Nico hatte am Scheitelpunkt die gleiche Geschwindigkeit wie ich bei meiner vorhergehenden gezeiteten Runde. Wenn da noch ein gedrehtes Auto gestanden hätte oder ein Marshall auf der Strecke gestanden wäre, dann wäre es für ihn ziemlich schwierig gewesen, zu verlangsamen", sagte Hamilton in der Pressekonferenz unmittelbar nach dem Rennen.

Rosberg verteidigt sich: War 20 km/h langsamer

Nico Rosberg verteidigte sich umgehend und nannte Fakten: Demnach sei er 20 Stundenkilometer langsamer in die Kurve hineingefahren. 30 Meter vor dem eigentlichen Bremspunkt ging er vom Gas. "20 km/h sind eine andere Welt in einem Formel-1-Auto", so Rosberg. "Im Scheitelpunkt hatte ich deshalb eine viel engere Linie und konnte besser herausbeschleunigen. Ich habe also definitiv meine Geschwindigkeit signifikant reduziert."

Nico Rosberg und Lewis Hamilton beim Schlagabtausch in der Pressekonferenz, Foto: Sutton
Nico Rosberg und Lewis Hamilton beim Schlagabtausch in der Pressekonferenz, Foto: Sutton

Wenig später wurde die Angelegenheit noch einmal in der Medienrunde thematisiert. "Ich fand es nicht gut, dass er nicht das ganze Bild gegeben hat", kritisierte Rosberg Hamiltons Aussagen. "So wie er es dargestellt hat, sah es sehr schlecht aus, so als ob ich nicht richtig agiert hätte. Er hat gesagt, ich sei in der Kurve genau so schnell wie er auf seiner schnellsten Runde gefahren. Er hat aber vergessen zu sagen, dass ich in die Kurve hinein richtig viel langsamer war, gelupft habe und viel langsamer gefahren bin, um absolut sicherzustellen, das sich da sicher reinfahre. Wenn man dann Mitte der Kurve sieht, dass die Strecke frei ist, kannst du die Pace wieder aufnehmen. Das fand ich nicht gut."

Lewis Hamilton kontert in seiner Presserunde: "Lift and Coast in eine Kurve hinein - das ist Benzinsparen. Fünf Meter früher aufs Gas, am Scheitelpunkt gleich schnell sein und am Ausgang noch schneller, das ist nicht auf einen Stopp vorbereiten... Und am Scheitelpunt war auch noch eine gelbe Flagge für Kurve neun." Allerdings zeigte nur das Lichtsignal gelb, Flaggen waren dort nicht zu sehen. Im Zweifel gelten immer Flaggen, nicht die Lichtsignale.

Hamilton droht: Gebe in Zukunft auch Gas bei Doppel-Gelb

Sollte Artikel 2.4.5.1 b) von Anhang H des International Sporting Code nicht klargestellt werden, droht Hamilton: "Beim nächsten Mal, wenn ich in einer Position bin, in der er war, dann ist alles, was ich machen muss, eine Zehntel in T8 zu verlieren. Und - wenn ein Auto auf der Strecke in meine Richtung schaut - auch noch eine Zehntel in T9 verlieren. Wenn ich das Gleiche im nächsten Rennen mache, werde ich bestraft? All die jungen Fahrer, alle von uns hier müssen das wissen."

Was sich nach einer neuen Episode im Psycho-Duell zwischen Lewis Hamilton und Nico Rosberg anhört, ist tatsächlich aber mehr. Beim Fahrerbriefing am Freitag in Hockenheim wird das Thema angesprochen. Rennleiter Charlie Whiting hat Hamilton versprochen, darüber nachzudenken. "Ich werde das Thema am Freitag sicher ansprechen", verspricht Hamilton.

Nico Rosberg sieht wenig Handlungsbedarf: "Ich finde es ist okay, so wie es ist. Wir haben ja noch das Virtuelle Safety Car, das man benutzen kann. Das ist die nächste Stufe. Es gibt verschiedene Stufen, die die FIA nutzen kann. Es ist sehr klar, was wir in diesen Situationen machen müssen, das weiß die FIA auch und sie können dann dementsprechend agieren. Wenn die sagen, dass signifikant langsamer machen nicht genug ist für diese Situation, dann wissen sie, dass sie die nächste Stufe nehmen können und das ist das VSC."

VSC keine Option für Qualifikation

Allerdings macht das Virtuelle Saftey Car im Qualifying keinen Sinn. Im Rennen hat sich VSC, trotz undurchsichtigen Situationen bewährt: Es ist sicherer als doppelt Gelb und fairer als Safety Car. In diesem Jahr kommt VSC auch in Trainingssitzungen zum Einsatz, damit sie nicht bei kleineren Zwischenfällen unterbrochen werden müssen.

Bei Trainingssitzungen wird allerdings die Uhr bei Rot-Phasen nicht angehalten. Im Qualifying ist das schon der Fall, weil es unfair wäre, wenn sich Piloten wegen Unterbrechungen nicht ordentlich fürs Rennen qualifizieren können. Gleiches gilt beim VSC: In dieser Zeit könnte niemand auf der Strecke eine schnelle Runde fahren, obwohl die Uhr runtertickt. Deshalb bleibt das Doppel-Gelb-Problem im Qualifying.

Auch Sebastian Vettel war am Samstag von der Gelb-Phase betroffen. Auch Vettel fuhr ziemlich schnell durch die entsprechenden Stellen, war ebenfalls noch auf einer guten Runde, hätten ihn anschließend die anderen Piloten nicht aufgehalten.

Vettel zeigte sich am Sonntag selbstkritisch: "Das Schlimmste an dieser Sache ist, dass wir Vorbilder sind. Wenn es nächste Woche ein Kartrennen gibt und doppelt Gelb geschwenkt wird, gehen die Kinder nicht so sehr vom Gas, weil sie es in der Formel 1 so sehen und denken, das ist okay. Das gefällt mir daran nicht. Ich bin kein Fan davon, alles und jeden zu bestrafen, aber ich denke, wir waren gestern kein gutes Vorbild."

Vettel: Situation hat sich verschlechtert

Sebastian Vettel selbstkritisch: Wir waren schlechte Vorbilder, Foto: Sutton
Sebastian Vettel selbstkritisch: Wir waren schlechte Vorbilder, Foto: Sutton

Vettel spricht auch ein neues Problem an: Früher gab es nur die drei Zeitnahmesektoren. War in einem Gelb, durfte sich in diesem Sektor niemand verbessern. Inzwischen ist die Strecke für die FIA in 200 Meter lange Sektoren eingeteilt. Maßstab für Verbesserungen sind nur noch die Mini-Sektoren. Deshalb war es am Samstag kein Problem, dass Rosberg im zweiten Streckenabschnitt eine absolute Bestzeit setzte, weil er im Mini-Abschnitt 0,12 Sekunden verloren hatte.

"Wenn man 2 km/h langsamer fährt oder ein bisschen vom Gas geht, glaube ich nicht, dass man sich vorbereitet zu stoppen. Das ist eine Sache, mit der wir versuchen, es für uns Fahrer fairer zu machen und die Runde zu beenden, auch wenn es gelbe Flaggen gibt", so Vettel. "Meiner Meinung nach ist es aber schlechter geworden. Wir haben viele unnötige Diskussionen. In der Vergangenheit war es klar: Man darf sich unter Gelb nicht verbessern, jetzt können wir es und müssen dann darüber streiten, wie viel 'als vom Gas gehen' bezeichnet wird."

Nun geht es um eine Klarstellung. Mit der aktuellen Technik sollt es kein Problem sein, einen objektiven und quantifizierbaren Maßstab einzuführen, damit die Entscheidung nicht mehr beim Fahrer liegt. Die aktuellen Regeln drängen die Fahrer dazu, das Limit auch in solchen Situationen auszuloten. Genau das macht es gefährlich.