Aufregung nach dem Qualifying zum Großen Preis von Ungarn! Nico Rosberg soll bei seiner Pole-Runde zu schnell unter gelben Flaggen gewesen sein. Zahlreiche Experten forderten eine Bestrafung für den Mercedes-Piloten, während die Silberpfeile selbst sich keiner Schuld bewusst waren. Rosberg setzte sich im Q3 in allerletzter Sekunde gegen Stallrivale Lewis Hamilton beim Duell um Startplatz eins durch.

Nach einer langen Wartepause entschied die Rennleitung, dass Rosberg am Samstagabend um 19:45 Uhr vorsprechen musste. Um 20:36 Uhr kamen die Stewards zu dem Schluss, dass Rosberg nicht gegen die Regeln verstoßen hat. "Die Telemetriedaten haben gezeigt, dass der Fahrer den Speed auf dem Weg in Kurve 8 deutlich reduziert hat", hieß es im offiziellen Statement.

Motorsport-Magazin.com schlüsselt die heikle Situation im Detail auf.

1. - Das war passiert

Im Q3 des Qualifying deutete alles auf eine Pole von Lewis Hamilton hin. Im 1. Sektor nahm er Rosberg rund 4 Zehntelsekunden ab. Während der letzten Runs drehte sich plötzlich Fernando Alonso in Kurve 9 von der Strecke. Die Marschalls schwenkten doppelte gelbe Flaggen an dieser Stelle. Während die meisten Fahrer ihre Geschwindigkeit deutlich verlangsamten, war das bei Rosberg zunächst nicht klar.

Grund für die Zweifel: Er fuhr im Mittelsektor die absolute Bestzeit in 28.759 Sekunden. Es war ebenso die schnellste Zeit des gesamten, größtenteils regnerischen Qualifying. Zum Vergleich: Hamilton brauchte im Q3 36.653 Sekunden im 2. Sektor, also fast 8 Sekunden mehr. Dabei passierte er die Stelle, als Alonsos Auto quer auf der Ideallinie stand. Während Hamilton die Runde somit abbrechen musste, kam Rosberg erst an besagter Stelle an, als Alonso bereits weg war.

Am Ende hatte Rosberg einen Vorsprung von 0,143 Sekunden auf seinen Teamkollegen. Rosbergs Bestzeit im letzten Qualifyingabschnitt war eine 1:19.965. Damit war er der einzige Pilot am bisherigen Wochenende, der die 1:20er-Marke knacken konnte. Hamilton reihte sich mit einer persönlichen Bestzeit von 1:20.108 Minuten auf dem zweiten Platz ein.

Foto: Sutton
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2. - Das sagt Mercedes

Pole-Setter Rosberg war sich keiner Schuld bewusst. "Natürlich waren da doppelt geschwenkte gelbe Flaggen", sagte er. "Aber ich bin sehr, sehr vom Gas gegangen. Dadurch habe ich viel Zeit verloren. In diesem gelben Segment war ich auch langsamer als auf meiner vorigen Runde. Ich bin also sicher, dass alles in Ordnung ist."

Unterstützung erhielt Rosberg vom Chef höchstpersönlich. Toto Wolff kurz nach dem Qualifying: "Er ist unter Gelb vom Gas gegangen. Auf den Daten haben wir gesehen, dass es ausreichend war. Natürlich protestiert vielleicht jemand, aber aus unserer Sicht war es in Ordnung." So sah es auch Niki Lauda. "Nach unseren Daten ist er langsamer geworden", so der Mercedes-Aufsichtsratsvorsitzende. "Er hat auf jeden Fall geliftet und die Geschwindigkeit reduziert."

Hamilton, der sich schon auf der Pole gesehen hatte, sagte mit etwas Abstand, dass er sich für die Zukunft eine deutlichere Regelung bezüglich Doppel-Gelb. "Nico hat in dieser Kurve nur eine Zehntel verloren", so Hamilton. "Man muss sich für die Zukunft fragen, ob das ausreicht. Wenn man nur eine Zehntel verlieren muss, müssen wir Fahrer vielleicht eine andere Herangehensweise wählen. Ich bin aber nicht sicher, ob das die sicherste ist."

Rosberg bestätigte, dass er rund eine Zehntel an der Stelle verloren habe: "Ich habe eine ausreichende Menge Zeit verloren." 0,12 Sekunden waren es an besagter Stelle. "Mein Ingenieur hat mich gewarnt in der schnellen Runde. Dann hab ich's natürlich auch selber gesehen. Und dann hab ich gehandelt, so wie ich es machen muss. Das habe ich auch getan."

Foto: Sutton
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3. - Das sagt die Konkurrenz

Bei Red Bull stieß man sich vor allem an Rosbergs Gesamtzeit im Mittelsektor. Helmut Marko forderte gar eine harte Strafe für den WM-Spitzenreiter. Wohl nicht ganz ohne Eigennutz: Im Falle einer Platzstrafe wäre einer beiden Red Bulls in die erste Startreihe aufgerückt. "Es muss eine drastische Strafe geben", sagte Marko zu Motorsport-Magazin.com. "Es muss ihm nicht nur diese Rundenzeit, sondern das ganze Qualifying gestrichen werden."

Die reine Sektorenzeit spielt hier keine entscheidende Rolle. Vielmehr kommt es auf die Marshalling Sectors an der jeweiligen 'Gelb-Stelle' an. Diese Sektoren sind in einem Abstand von 200m rund um die Strecke verteilt. Die hier erzielten Zeiten werden anschließend gegebenenfalls von der Rennleitung überprüft.

4. - Das sagt Experte Christian Danner

Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner kurz nach dem Ende des Qualifying: "Also ich war ehrlich gesagt schon sehr skeptisch, das war schon furchtbar Gelb. Ich würde da jede Entscheidung der Stewards verstehen. Wobei das Schwierige hier ganz klar die veränderten Streckenbedingungen sind. Das heißt, wenn du da lupfst und trotzdem schneller fährst als die Runde davor, ist das dem Track Improvement geschuldet."

Danner weiter: "Alle drei Mercedes-Leute - Paddy, Toto und Niki - haben wie aus der Pistole heraus sofort gesagt, dass Nico gelupft hat, und dass sie es nachweisen können. Die waren vorbereitet, um bei den Stewards anzutreten. Seit dem Bianchi-Unfall ist eine gewisse Sensitivität eingetreten bei der FIA bezüglich der Fahrt unter Doppel-Gelb."

5. - Ein Blick ins Regelbuch

Das Verhalten unter gelben Flaggen ist im so genannten International Sporting Code geregelt. Dort heißt es unter Artikel 2.4.5.1, ‚Flaggensignale der Marschalls‘:

"Doppelt geschwenkt: Die Geschwindigkeit deutlich verringern, nicht überholen, vorbereitet sein die Richtung zu wechseln oder anzuhalten. Eine Gefahr blockiert die Strecke ganz oder zum Teil, und/oder Marschalls arbeiten auf oder neben der Strecke".

Das Problem: Nirgendwo steht geschrieben, wie viel langsamer ein Fahrer in einer solchen Situation genau werden muss. Toto Wolff dazu: "Das ist eine delikate Angelegenheit. Regeln sind Regeln, die muss man befolgen. Dann hat man die besten Fahrer der Welt da draußen. Sie müssen die Kontrolle haben. Sie müssen in der Lage sein zu beurteilen, welcher Speed für die Umstände angemessen ist. Ich denke, wir können ihnen da vertrauen."