Zum ersten Mal in der Geschichte der Formel 1 kommen an diesem Wochenende elektronische Track-Limits zum Einsatz. In den Kurven vier und elf des Hungarorings wurden vor diesem Wochenende Induktionsschleifen in die Auslaufzone eingelassen. Sie funktionieren identisch zu den Systemen, die auch vor allen Startplätzen angebracht sind.

Fährt ein Auto drüber, wird es der Rennleitung gemeldet. 1,60 Meter ragt die Induktionsschleife von der Streckenbegrenzung in die Auslaufzone hinein. Der Sensor der Fahrzeuge sitzt mittig. Weil die Fahrzeugbreite mit 1,80 Meter vorgeschrieben ist, kann das System leicht sagen, ob sich ein Fahrer innerhalb oder außerhalb der Strecke bewegt hat.

Der erste Test mit den Induktionsschleifen ist absolviert, Foto: Sutton
Der erste Test mit den Induktionsschleifen ist absolviert, Foto: Sutton

Fährt ein Pilot regelkonform, passiert gar nichts. Überschreitet er die Limits, meldet das System einen Verstoß. Als ob der Rennleiter die Hand auf einer Linie liegen hätte: Spürt er nichts, ist alles in Ordnung. Sobald die Fingerkuppen getroffen werden, ist die Runde ungültig. Somit gibt es - im Gegensatz zu bisher - einen klaren Maßstab.

Nötig ist das System, weil die neu installierten Kerbs komplett flach sind. Auch die dahinter befindliche Auslaufzone ist komplett auf dem Niveau der Strecke. Rennleiter Charlie Whiting wehrt Kritik an den neuen Strecken ab: "Es geht hier nur um zwei Kurven, in denen man sich einen Vorteil verschaffen könnte. In allen anderen Kurven hat man beim Verlassen der Strecke keinen Vorteil."

Durch die neuen Randsteine ist es für die Fahrer nicht mehr so leicht, ein richtiges Gespür für die Strecke zu bekommen. "Es ist nicht so einfach. Bei den neuen Kerbs weißt du nicht genau, wo du bist. Ich war zweimal draußen, also muss ich im Qualifying sehr vorsichtig sein", berichtete Romain Grosjean auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com. Ganz anders als noch in Österreich, wo die neu-errichteten Sausage-Kerbs mehrfach für Aufhängungsschäden sorgten.

In Ungarn passiert das nicht. "Aber hier wird es einem halt leichter gemacht, über die Track-Limits zu fahren, weil alles elektronisch überwacht wird und es somit vom Auto keine Bestätigung gibt, wenn man die Track-Limits überschreitet", erklärt Pascal Wehrlein. Die Rückmeldung der Fahrer erfolgte zumindest am Freitag erst, als die Fahrer Feierabend machten. "Ich erfuhr es nach der Session, als mein Ingenieur mir sagte, dass zweimal eine Nachricht erschien. Ich hoffe, im Qualifying können sie die Nachricht durchgeben. Ich weiß es nicht", so Grosjean.

Der erste Test am Freitag verlief erfolgreich, auch wenn einige Fahrer gerne einen zusätzlichen Messpunkt am Ausgang von Kurve fünf hätten. In den Trainingssitzungen wurden vor allem Unregelmäßigkeiten in Kurve vier gemeldet. Kurve elf tauchte kaum am Monitor der Rennleitung auf. Möglicherweise ist die Positionierung der Schleife nicht ganz perfekt.

Die Kerbs am Hungaroring sind extrem flach, Foto: Sutton
Die Kerbs am Hungaroring sind extrem flach, Foto: Sutton

Meldung erfolgt nur an einem bestimmten Punkt

Die Schleife funktioniert nur auf einer senkrechten Linie zur Strecke. Das heißt, es wird nur an einem bestimmten Punkt gemessen, ob ein Fahrer die Strecke verlassen hat oder nicht. Verlässt er zehn Zentimeter zuvor die Strecke und kehrt dann wieder zurück, meldet die Schleife keinen Verstoß. Wahrscheinlicher ist aber, dass die Piloten erst hinter der Messstelle die Strecke verlassen.

Mit der Kamera-Variante waren derlei Probleme abgedeckt. Die Lösung könnten mehrere Schleifen hintereinander sein. Somit wären verschiedene Linien abgedeckt. Ob das allerdings bis Samstag umgesetzt werden kann, ist unklar. Eine Verlegung der Messstelle steht zumindest im Raum.

Wenngleich die Neuregelung besser sei als die bisher praktizierte Methode, so sieht Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner das ganze Thema immer noch kritisch. "Also ich kann das Wort 'Track Limits' eigentlich nicht hören", stellt er klar. "Ich bin der Meinung, wenn ein Fahrer einen Fahrfehler macht, dann sollte er dafür eine Strafe bekommen. Strafe heißt, dass ich im Kies stecken bleibe, der Flügel ab ist, die Radaufhängung verbogen ist oder sonst irgendwas", stellt er klar.

Dabei denkt er an den Unfall von Lewis Hamilton vor ein paar Wochen in Baku zurück. "Hamilton, Baku, Mauer. Das sind Track Limits, die ich verstehe und wo die Kunst, ein Grand-Prix-Auto zu fahren, zur Geltung kommt", so Danner. Die nun gefundene Lösung sei aber immerhin etwas. "Die Lösung, die man jetzt gefunden hat mit den Induktionsschleifen, ist sicherlich eine bessere Lösung, als dieses Pi mal Daumen gucken."

Redaktionskommentar

Motorsport-Magazin.com meint: Eigentlich ist das neue System eine Verbesserung - schlichtweg, weil es einen objektiven Maßstab gibt. Zuvor gab es keine Messungen, kein Hawk-Eye wie im Tennis. Zuvor waren es lediglich Kamerabilder. ABER: Eine Verbesserung, die nur notwendig wurde, weil die Strecken kastriert wurden. Man löscht den Brand, den man selbst gelegt hat.

Ein Fotografenkollege meint: Das ist wie Tennis, bei dem das Netz durch einen Laser ersetzt wird. Recht hat er. Wenn der Ball im Netz ist, steckt der Fahrer im Kiesbett oder in der Wand. Für jeden ersichtlich. Wenn der Ball die virtuelle Linie unterschreitet, sieht das der Zuschauer nicht. Er bekommt nur das Ergebnis mitgeteilt. Wer will, wenn er Sport schaut, nur das Ergebnis wissen? (Christian Menath)