Die Chancen stehen gut, dass die Funk-Strafe aus Silverstone die Formel 1 noch eine ganze Weile heimsuchen wird. Nach der Bestrafung von Nico Rosberg muss Mercedes bis Donnerstagabend, 14. Juli entscheiden, ob sie gegen das Urteil der Rennleitung Berufung einlegen wollen. In diesem Falle könnte die heikle Angelegenheit bis vor den International Court of Appeal getragen werden, um endgültig Klarheit über die Funk-Regeln zu erhalten.

Einer der Knackpunkte: Im Sportlichen Reglement der Formel 1 taucht die Regelung bezüglich des Funkverkehrs überhaupt nicht auf. Es handelt sich dabei stattdessen um eine von FIA-Rennleiter Charlie Whiting herausgegebene Technische Direktive. In dieser Liste stehen nur Teamanweisungen, die verboten sind - nicht aber, was genau erlaubt ist.

"Eine Technische Direktive ist keine Regel, sondern eine Auffassung", sagte Williams-Technikchef Pat Symonds am Sonntag in Silverstone. "Sie sind die Interpretation einer sehr, sehr vagen Regel darüber, dass der Fahrer das Auto allein und ohne Hilfe fahren muss." Tatsächlich bezieht sich die Direktive lediglich auf diesen kurz gefassten Passus im Sportlichen Reglement.

Der genaue Grund für die Strafe

Daraus erklärt sich auch, wie die Regelhüter in Silverstone nach mehr als dreieinhalbstündiger Verhandlung zu ihrem Urteil kamen. Sie unterteilten den Funkverkehr zwischen Rosberg und dem Team in zwei unterschiedliche Passagen. Hier der genaue Wortlaut der Diskussion am Funk:

Rosberg: "Getriebeproblem!"
Team: "Driver default 1-0-1, Chassis default 0-1, Chassis default 0-1."

Hier war noch alles in Ordnung. Die Fahrer selbst dürfen per Funk alles sagen, was sie möchten. Auch die Antwort des Teams war regelkonform, weil es sich um einen sicherheitsrelevanten Aspekt handelte. Die Sicherheit der Piloten steht über den Funk-Anweisungen. Das Team teilte sogar hier mit, welchen Schalter er am Lenkrad benutzen musste, um das Getriebe wieder ans Laufen zu bekommen.

Heikler wurde es beim zweiten Teil des Gesprächs zwischen Rosberg und dem Kommandostand:

Team: "Vermeide den siebten Gang, Nico. Vermeide den siebten Gang."
Rosberg: "Was soll das bedeuten? Muss ich durchschalten?"
Team: "Bestätigt, Nico. Du musst durchschalten. Bestätige, dass du durchschalten musst."

Die Aussage, den siebten Gang - in dem Rosberg zuvor feststeckte - nicht zu benutzen, war zugelassen. Sie war immer noch Teil der Information, wie das Auto vor einem Ausfall bewahrt werden kann. Aber: Die Ansage, durchzuschalten und damit auf den siebten Gang zu verzichten, führte zur Strafe. Hier handelte es sich nämlich um eine klare Anweisung, wie Rosberg das Rennen beenden musste: Statt nur noch die ersten sechs Gänge zu nutzen, teilte ihm das Team indirekt mehrfach mit, dass der achte Gang funktionierte.

Solche Infos sind in der Formel 1 erlaubt..., Foto: Sutton
Solche Infos sind in der Formel 1 erlaubt..., Foto: Sutton

Unterscheidungen im Urteil

Im Urteil der Rennleitung stand deutlich drin, dass es Unterschiede bei der Art der Anweisungen gab. "Nach ausgiebiger Betrachtung kamen die Stewards zum Schluss, dass das Team dem Fahrer einige Anweisungen gegeben hat, die unter der Technischen Direktive 014-16 erlaubt waren", hieß es im Statement.

Der entscheidende Part folgte anschließend: "Allerdings stellten die Stewards fest, dass das Team weiter ging und dem Fahrer Anweisungen gab, die unter der Technischen Direktive nicht erlaubt waren. Sie brachen mit Artikel 27.1 des Sportlichen Reglements, wonach der Fahrer das Auto alleine und ohne Hilfe fahren muss."

Rosberg verlor den zweiten Platz an Max Verstappen, Foto: Mercedes-Benz
Rosberg verlor den zweiten Platz an Max Verstappen, Foto: Mercedes-Benz

Horner: Funk-Regel ist Mist

Red Bulls Teamchef Christian Horner hatte seine eigene Meinung zum Vorgehen von Mercedes. "Ich denke, dass die Funk-Regel Mist ist", sagte er. "Sie macht keinen großen Sinn, aber Regeln sind Regeln. Und es klingt danach, dass bei zwei Gelegenheiten Anweisungen gegeben wurden, die mit dem Protokoll brechen. Eine war die Änderung am Schalter, die vorgenommen wurde. Die zweite war die Anweisung, wie das Auto mit dem Problem des siebten Ganges zu fahren war."

Entscheidend für die Zukunft

Der Ausgang der Funk-Strafe könnte nun entscheidenden Einfluss auf den weiteren Verlauf der Formel 1 haben. Die Funk-Regeln könnten ab sofort als taktisches Mittel missbraucht werden. Frei nach dem Motto: Lieber eine 10-Sekunden-Strafe wie bei Rosberg kassieren statt den Ausfall des Autos. Jedes Team würde sich in diesem Falle auf das Silverstone-Urteil beziehen.

Deshalb warnte Horner am Sonntag noch vor der Urteilsverkündung: "Es wird interessant sein zu sehen, mit welchem Präzedenzfall die Stewards nun aufwarten. Wenn es nur eine 5-Sekunden-Strafe oder eine Verwarnung gibt, wäre das wie ein Freilos für den Rest des Jahres. Es wird viele Nachrichten geben, bei denen berücksichtigt wird, ob sie eine 5-Sekunden-Strafe oder eine Verwarnung wert sind."