Einen Verhaltenskodex brauchte es diesmal nicht. Lewis Hamilton gewann den Großbritannien Grand Prix in Silverstone völlig ungefährdet. Sein dritter Sieg in Folge beim Heimrennen, der vierte innerhalb der letzten fünf Rennen. Hammertime is back!

Netter Bonus für den Briten: Dauerrivale Nico Rosberg verlor wegen seiner Funk-Strafe vorläufig den zweiten Platz und damit wichtige Punkte. Der Kampf um die Weltmeisterschaft könnte nicht spannender sein: Nur ein Pünktchen trennt die beiden Mercedes-Piloten nach bislang zehn Rennen voneinander.

Hamilton feierte den Silverstone-Sieg als wäre es sein erster in der Formel 1 gewesen. Das war übrigens 2008, an gleicher Stelle. Vor der Podiumsfeier lief er um die halbe Strecke, danach sprang er für eine Crowd-Surfing-Einlage in das jubelnde Publikum. Verrückte Bilder wie bei einem Rockkonzert. Lewis Hamilton als Rockstar, der Held der 130.000 Zuschauer am Rennsonntag.

Nur die Ferraristi stören

"Es war fast hypnotisierend, die Leute hier jubeln zu sehen", sagte Hamilton nach seinem Bad in der Menge. Ein perfektes Wochenende für den Lokalmatador, der jetzt mehr Silverstone-Siege auf dem Konto hat als Briten-Ikone Nigel Mansell. Nur einen kleinen Schönheitsfleck gab es. Hamilton feixte: "Ich habe hier noch ein paar Jungs gesehen, die Rot getragen und Ferrari angefeuert haben. Das müssen wir ändern für nächstes Jahr."

Wenn Lewis Hamilton gut gelaunt ist, redet er wie ein Wasserfall. Und ebenso klar verständlich. Nach Niederlagen nuschelt der amtierende Weltmeister gern mal, ist kurz angebunden. Nicht so in Silverstone. "Es war so einfach, hier mit der falschen Energie anzureisen", sagte er wohl auch mit Blick auf den Ärger nach dem Spielberg-Crash. "Ob das die Nervosität ist, oder ob du auf die falschen Stimmen hörst. Aber ich fühlte mich hier stark und frisch und zuversichtlich. Das war die beste Woche des Jahres!"

Wie ein Rockstar: Hamilton feiert seinen Silverstone-Sieg, Foto: Sutton
Wie ein Rockstar: Hamilton feiert seinen Silverstone-Sieg, Foto: Sutton

Aus 43 mach 1

Im engen Titelkampf hat Hamilton das Ruder wieder einmal herumgerissen. Nach Barcelona hatte er ganze 43 Punkte Rückstand auf Teamkollege Rosberg. Fünf Rennen und vier Siege später ist es nur noch ein Punkt. "Das war schon ein holpriger Pfad mit den Zuverlässigkeitsproblemen, den ich da durchschreiten musste", räumte Hamilton ein. "Aber ich fühle, dass ich seit Barcelona eine starke und positive Einstellung habe. Das soll auch so weitergehen."

Gleichzeitig muss sich Rosberg seit Wochen die Frage gefallen lassen, wie er das berüchtigte Momentum zurückgewinnen will - obwohl er noch immer die Meisterschaft anführt. "Sehr einfach", antwortete er in Silverstone. "Ich habe immer die Möglichkeit, das Glas halb voll oder halb leer zu sehen. Wir führen die WM an. Das war ein verdammt guter Start und darüber freue ich mich. Ich fühle mich super, und der Kampf mit Lewis ist in vollem Gange."

Rosberg kontert trocken

Rosberg versuchte, erst gar keine negative Stimmung aufkommen zu lassen. Die Formel-1-Welt vergisst schnell. Doch seine vier Siege zum Saisonauftakt bleiben. "Er hat jetzt gerade mal heute gewonnen", sagte Rosberg. "In Österreich habe ich geführt bis zur letzten Runde mit meinem stärksten Rennen der Saison. Davor habe ich Baku gewonnen mit meinem zweitstärksten Saisonrennen. Wenn wir über Momentum reden, dann kann man das auch so sehen..."

Im Gegenzug philosophierte Hamilton über all seine Probleme und die verlorenen Punkte. Dabei wissen beide Fahrer ganz genau, dass all das nach dem Saisonende niemanden mehr interessiert. Es zählt nur der Titel. "Ich zähle keine Punkte, weil die Saison noch so lange dauert, und ich das nicht mag", sagte Rosberg. "Ich will Rennen gewinnen und nicht schauen, was in sechs Monaten ist. Diese Herangehensweise hilft mir am besten."