Bitteres Ende für Nico Rosberg beim Großen Preis von Großbritannien: Der Mercedes-Pilot wurde wegen eines verbotenen Funkspruchs von der Rennleitung bestraft. Weil er per Funk Hilfe bekam, brummten ihm die Rennkommissare nachträglich eine 10-Sekunden-Strafe auf. Rosberg fällt vom zweiten auf den dritten Platz zurück. Neuer Zweiter ist Max Verstappen.

Mercedes hat innerhalb der vorgesehenen Frist die Absicht einer Berufung angekündigt. Damit lässt sich das Team alle Möglichkeiten offen. Mercedes hat 96 Stunden Zeit um zu entscheiden, ob es wirklich in Berufung gegen das Urteil gehen möchte. Der Gang vor den International Court of Appeal ist grundsätzlich möglich. Das Rennergebnis in Silverstone ist somit vorläufig.

In der Weltmeisterschaft führt Rosberg weiter vor seinem Teamkollegen und Rennsieger Lewis Hamilton. Der Vorsprung beträgt jetzt noch einen Punkt. Knapp dreieinhalb Stunden dauerte es nach Rennende, bis die Kommissare das finale Ergebnis bekanntgaben.

Das Urteil im Wortlaut

Das Urteil der Rennkommissare: "Nach ausgiebiger Betrachtung kamen die Stewards zum Schluss, dass das Team dem Fahrer einige Anweisungen gegeben hat, die unter der Technischen Direktive 014-16 erlaubt waren. Allerdings stellten die Stewards fest, dass das Team weiter ging und dem Fahrer Anweisungen gab, die unter der Technischen Direktive nicht erlaubt waren. Sie brachen mit Artikel 27.1 des Sportlichen Reglements, wonach der Fahrer das Auto alleine und ohne Hilfe fahren muss."

Es war das erste Mal seit der Einführung der Funk-Regeln, dass ein Fahrer nachträglich bestraft wurde. Vermutlich ließen sich die Stewards auch deshalb so lange Zeit mit dem Urteil.

Rosberg: Sonst wäre Schluss gewesen

Kurz nach Rennende waren die Verantwortlichen von Mercedes überzeugt, dass Rosberg wegen des Funkspruchs keine Strafe kassieren würde. Es habe sich um die Hilfe bei einem sicherheitsrelevanten Problem gehandelt, nicht um eine - per Reglement verbotene - Hilfestellung für den Fahrer. Rosberg steckte im siebten Gang fest und bekam eine Hilfe, um das Problem zu lösen und weiter zu fahren.

Rosberg räumte ein, dass er das Rennen wohl nur mit Hilfe der Teamanweisungen beenden konnte. "Ich war sicher, das war's", sagte er. "Und das wäre es auch wirklich, wenn die mir nicht diesen Schalter gegeben hätten. Dadurch hat man das retten können und so kam ich zum Rennende." Das Problem habe laut dem WM-Führenden trotzdem weiter bestanden. "Aber ich habe es gerade noch geschafft."

Red Bull kontert Mercedes

"Man kann die Funkanweisung geben, wenn es ein Terminal-Fehler war", sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. "Und das war der Fall bei Nico. Wir reden und diskutieren untereinander. Aber wenn das Auto droht stehen zu bleiben, dann rufst du es natürlich zu." Zustimmung gab es vom Aufsichtsratsvorsitzenden Niki Lauda: "Es gab Diskussionen über den Funkspruch. Wir denken aber, dass es innerhalb des Limits war."

Nicht jeder stimmte in dieser Hinsicht mit den Mercedes-Chefs überein. Auch vor dem Hintergrund, dass FIA-Renndirektor Charlie Whiting vor dem Silverstone-Ende die Teams darüber informiert hatte, bei zweifelhaften Funksprüchen noch härter zu urteilen. Red Bulls Teamchef Christian Horne meinte: "In den Regeln steht es ziemlich deutlich. Man muss sich fragen, wo Rosberg ohne diese Anweisungen gelandet wäre."

Wolff fordert Funkregel-Klarheit

Wolff stellte im gleichem Atemzug das aktuelle System des Funkverbots in Frage. Seit der Einführung dieser Regel gab es immer wieder kontroversen über einzelne Auslegungen: Sicherheitsrelevante Information oder doch verbotene Fahrerhilfe? Wolff: "Ich würde die ganzen Radioregeln aufweichen. Fahrer-Coaching sollte nicht zugelassen werden. Aber wenn es um elektronische Sachen geht, ist es nicht nur unfair, sondern auch unsportlich, den Fahrer da rumdrücken zu lassen."

Laut Wolff gab es vergangene Woche eine Diskussion mit der FIA um mehr Klarheit über das Funkverbot zu erhalten. "Denn wenn man gar nicht mehr kommunizieren darf, kann man den Funk auch gleich aus dem Auto werfen", so der Österreicher.

Rosberg-Funkspruch: Das war passiert

Das war passiert: Rosberg hatte Max Verstappen für Platz zwei überholt und war auf dem Weg zum nächsten Doppelsieg der Silberpfeile. Zum Ende von Runde 46 funkte ihn plötzlich der Mercedes-Kommandostand an. Rosberg erhielt die Nachricht, dass es Probleme mit dem Getriebe seines Autos gebe. Rosberg wurde vom Team angehalten, das Schalten in den siebten Gang zu vermeiden. Er fragte, ob er diesen Gang schnell durchschalten solle und erhielt die Bestätigung, schnell in Gang 8 zu schalten.

Red Bull bemerkte, dass es Probleme bei Rosberg gab und hielt Verstappen an, weiter Vollgas zu geben. Rosberg verlor kurzzeitig Rundenzeit, konnte sich dann aber offenbar stabilisieren. Er fuhr den zweiten Platz hinter Hamilton über die Ziellinie. "Ich habe ein kritisches Getriebeproblem bekommen", sagte Rosberg auf der Pressekonferenz nach dem Rennen. "Da wäre ich fast auf der Strecke stehen geblieben. Das Team hat mir gesagt, was ich tun und welchen Knopf ich drücken muss, um es zu reparieren. Dann ging es weiter."

Auf dem Podium hatten die beiden Mercedes-Silberpfeile ihren Spaß, Foto: Sutton
Auf dem Podium hatten die beiden Mercedes-Silberpfeile ihren Spaß, Foto: Sutton

Der Funkverkehr im Detail

So lief die genaue Konversation in der kritischen Phase zwischen Rosberg und dem Kommandostand von Mercedes:

Rosberg: "Getriebeproblem!"

Team: "Driver default 1-0-1, Chassis default 0-1, Chassis default 0-1."

Team: "Vermeide den siebten Gang, Nico. Vermeide den siebten Gang."

Rosberg: "Was soll das bedeuten? Muss ich durchschalten?"

Team: "Bestätigt, Nico. Du musst durchschalten. Bestätige, dass du durchschalten musst."

Im Rennen überquerte Rosberg die Ziellinie als Zweiter, Foto: Sutton
Im Rennen überquerte Rosberg die Ziellinie als Zweiter, Foto: Sutton

Funkregel: Was ist erlaubt, was verboten?

Artikel 27.1 des Sportlichen Reglements besagt: "Der Fahrer muss das Auto alleine und ohne Hilfe fahren." Das inkludiert Funksprüche, die den Fahrer bei bestimmten Entscheidungen unterstützen. Die erlaubten und verbotenen Ansagen sind allerdings nicht im Reglement der FIA niedergeschrieben. Stattdessen erhielten die Teams vom Weltverband eine Übersicht, was sie den Fahrern sagen dürfen, ohne eine Strafe zu riskieren. Trotz aller Verbote galt stets: Die Sicherheit der Piloten steht über jeglichen Verboten.

Für seine Medienrunde in Silverstone hatte sich Wolff die FIA-Liste geschnappt und auszugsweise vorgelesen: "Punkt 2, Anzeichen für ein kritisches Problem mit dem Auto. Nachrichten dürfen nur erfolgen, wenn akut ein Schaden droht und dieser das Rennen beenden könnte." Wolff weiter dazu: "Meiner Meinung nach war das die Basis für unsere Entscheidung."

Das Silverstone-Szenario sei zudem nicht mit Baku zu vergleichen, wo es bei Mercedes ebenfalls Funk-Unklarheiten gab. "Man darf nichts sagen, wenn die Performance nicht so ist, wie sie sein soll - aber das Auto es bis ins Ziel schaffen kann. Aber in diesem Fall kann man ja nicht nur im siebten Gang fahren."

Viel Kritik an Funk-Regeln

Immer wieder gab es seitens Teams und Fahrern Kritik an der Direktive, die den Funkverkehr regelt und dadurch für mehr Spannung sorgen soll. Zuletzt hatte sich Sebastian Vettel über diese Regelung ausgesprochen. Anlass war die Funk-Affäre rund um Mercedes beim Europa GP in Baku. "Ich bin kein Fan", sagte Vettel. "In der Formel 1 geht es darum, so schnell wie möglich zu fahren und nicht darum, sich an alles aus einem Meeting von vor einem halben Jahr zu erinnern."

In Baku hatten Hamilton und Rosberg Schwierigkeiten mit den Einstellungen ihrer Silberpfeile. Während Rosberg das Problem innerhalb kurzer Zeit lösen konnte, brauchte Hamilton wesentlich länger. Auch in Baku war nicht klar, was Mercedes sagen durfte, ohne gegen die Regeln zu verstoßen. Die FIA gab den Ingenieuren Richtlinien darüber, aber demnach war es nur erlaubt, die Fahrer darauf hinzuweisen, dass es an einem falschen Modus lag.