Der Unfall zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton in Österreich hatte Konsequenzen. Vor dem Rennwochenende in Silverstone gab Mercedes einen überarbeiteten Verhaltenskodex für seine beiden Fahrer heraus. Sollte es zwischen den Silberpfeilen noch einmal krachen, drohen ernsthafte Konsequenzen. Motorsport-Magazin.com beantwortet die wichtigsten Fragen rund um die neuen Regeln des Mercedes-Teams.

1. - Wie sieht der neue Verhaltenskatalog konkret aus?

Das ist die große Frage, die Mercedes nicht direkt beantworten will. Interna sollen diesmal nicht an die Öffentlichkeit gelangen, da waren sich alle Parteien einig. Am Donnerstagmorgen trafen sich Toto Wolff, Paddy Lowe sowie die beiden Fahrer im Teamsitz in Brackley. Niki Lauda, zuletzt selbst in der Kritik nach einem TV-Auftritt, war offenbar nicht dabei.

Bei dem Meeting wurde Hamilton und Rosberg klargemacht, dass es keinen weiteren Team-Unfall mehr geben darf. In den letzten fünf Rennen krachte es dreimal, dadurch verlor das Team 50 WM-Punkte - eine inakzeptable Situation für die amtierenden Weltmeister. Es wurde beschlossen, dass das Team weiterhin erst einmal auf eine Teamorder verzichtet.

Zudem gibt es neue Verhaltensregeln, sollten sich Rosberg und Hamilton erneut in die Quere kommen - und vor allem härtere Strafen, falls sie kollidieren. "Sobald die Lichter auf Grün gehen, sind sie verantwortlich", sagte Wolff. "Wir sitzen nicht mit ihnen im Auto. Das ist gut, weil es so komplett in ihren Händen liegt. Und auch der Ausgang liegt in ihren Händen."

2. - Was droht im Falle eines Verschuldens?

Im Falle eines weiteren Unfalls könnte es böse enden für Rosberg oder Hamilton. "Wir werden keine Kollisionen mehr akzeptieren", sagte Toto Wolff am Donnerstag in Silverstone. "Wir sprechen von sportlichen und finanziellen Konsequenzen. Sollte es etwas noch mal passieren - und das liegt in ihren Händen - dann würde das zu einem negativen Ausgang führen."

Der Mercedes-Motorsportchef bediente sich dabei im Fußball-Jargon, sprach von einer gelben Karte. Beide müssten demnach nach dem Spielberg-Crash verwarnt sein. Wolff: "Wenn du schon mal Gelb gesehen hast, greifst du dann anders an, oder nicht? Du weißt ja, was passiert, wenn du noch mal die gelbe Karte siehst. Das ist ein Szenario, das niemand von uns haben möchte."

Geldstrafen wären bei einem weiteren Crash sicherlich das geringste Übel für die Fahrer. Schlimmer wären sportliche Sanktionen, wie eine klare Hackordnung innerhalb des Teams. Es wäre nicht das erste Mal, dass sich ein Rennstall für einen seiner beiden Fahrer entscheidet. Das wäre bei Mercedes angesichts der ambitionierten Fahrer sicherlich das Worst-Case-Szenario.

3. - Wie ändert sich das Duell zwischen Rosberg und Hamilton?

Oberflächlich betrachtet ändert sich erst einmal nichts. Rosberg und Hamilton dürfen weiter gegeneinander um den Sieg kämpfen. Aber: Die neuen Team-Regeln dürften einen massiven Einfluss auf die künftige Herangehensweise im direkten Duell haben. "Ich werde weiterhin um Siege kämpfen", sagte Rosberg. "Aber natürlich im Hinterkopf mit diesem modifizierten Verhaltenskodex und Regeln, wie man in Zweikämpfe reingeht. Vergesst nicht: Wir dürfen weiter fighten. Es gibt nur härtere Konsequenzen, wenn es schief geht."

Mercedes will weiterhin gutes Racing von seinen Fahrern sehen, machte Toto Wolff klar - nur eben ohne Kollisionen. "Wir wollen nicht mehr Tage damit verbringen im Team zu analysieren, wer wie viel Schuld hat", sagte Wolff. "Zu jedem dieser Zwischenfälle hörst du fünf Menschen und sechs Meinungen."

Fraglich, ob Rosberg und Hamilton durch die neuen Regeln eingeschüchtert sein könnten. Die Konsequenzen scheinen in der Tat hart zu sein. Wolff zu dieser Problematik: "Wir wollen nicht, dass unsere Fahrer wie kleine Hündchen rumlaufen. So wollen wir nicht sein. Es gibt sauberes Racing da draußen. Tolles Racing ist hart und du versuchst, deinen Gegner zu überrumpeln - ohne Kontakt."

4. - Könnte sich Mercedes jetzt eine andere Fahrerpaarung vorstellen?

Schon im vergangenen Jahr hatte Toto Wolff zumindest nicht ausgeschlossen, einen seiner Fahrer ziehen zu lassen. Könnte es nach der Saison 2016 wirklich dazu kommen, sollten Rosberg oder Hamilton gegen den neuen Verhaltenskodex verstoßen? "Nein. Die Fahrer sind unsere Helden. Die Stars der Show", entgegnete Wolff auf die Frage nach einem möglichen Rauswurf. "Ich will sie nicht öffentlich kleinreden. Das würde ich aber, wenn ich diese Frage beantworten würde."

Es wäre nicht der Wolff-Weg, einen Fahrer nur wegen Streitereien rauszuwerfen. Seine große Aufgabe ist es, aus Rosberg und Hamilton das Beste für Mercedes herauszuholen. "Ich würde diese Verbindung nicht ändern wollen", sagte er. "Das ist die Essenz. In ein paar Jahren könnten wir zurückschauen und sagen: ‚Rosberg gegen Hamilton, das war einer der besten Fights, ähnlich zu Prost und Senna´."

Rosberg und Hamilton sind die Stars in Silverstone, Foto: Sutton
Rosberg und Hamilton sind die Stars in Silverstone, Foto: Sutton

5. - Wirkt es sich auf Rosbergs Vertragsverhandlungen aus?

Aktuell kämpft der WM-Spitzenreiter um einen neuen Vertrag, als Berater hat er sich Gerhard Berger ins Boot geholt. Die Tendenz geht klar in Richtung Verlängerung seines auslaufenden Kontrakts. Der neue Kodex habe keinen Einfluss auf die weiteren Gespräche. "Das ist eine momentane Sache", so Rosberg. "Das hat keinen Einfluss auf das gute Gefühl innerhalb des Teams und dass wir uns darauf freuen, viele weitere Jahre zusammen zu fahren."

6. - Kann es trotzdem Teamorder geben bei Mercedes?

Ja, das machte das Team in einem Statement am Donnerstagmittag deutlich. Dort hieß es: "Sollten die Fahrer den überarbeiteten Verhaltenskodex nicht respektieren, behalten wir uns vor, eine Stallregie als letzten Ausweg auszusprechen."

Für Rosberg war klar, dass er sich nicht gegen Anweisungen des Teams stellen würde. "Ich respektiere die Anweisungen des Teams auf jeden Fall", sagte er. "Das habe ich auch in Monaco gemacht. Weil sie Sinn machen und ich weiß, dass sie uns fair behandeln. Das ist Teil unseres Sports, dass Teamanweisungen manchmal nötig sind."

Anscheinend würde sich auch Hamilton an eine Teamorder halten. "Ja, würde ich. Das ist mein Job, dafür werde ich bezahlt. Darauf haben wir uns geeinigt und das steht in unserer Vereinbarung." Im Gegensatz zu Ungarn 2014, als er sich den Anweisungen widersetzte und Rosberg nicht vorbei ließ. Hamilton an diesem Donnerstag zum Vorfall von vor zwei Jahren: "Da habe ich nur gesagt, dass ich mich ihm nicht in den Weg stelle. Er kam nicht näher, also..."

Lewis Hamilton reiste auf dem Motorrad zu seinem Heimrennen, Foto: Sutton
Lewis Hamilton reiste auf dem Motorrad zu seinem Heimrennen, Foto: Sutton

7. - In welcher Zwickmühle stecken Toto Wolff und Mercedes?

Auf der einen Seite hat Mercedes in seiner dominanten Rolle einen großen Einfluss auf die Spannung in der Formel 1. Auf der anderen Seite ist es Toto Wolffs Job, das bestmögliche Ergebnis für die Marke Mercedes und damit seinen Arbeitgeber zu erzielen. Hätte er nun die Teamorder ausgesprochen, hätte sich der Österreicher sicherlich nicht beliebt gemacht in der F1-Welt. Allerdings wären damit die Chancen auf maximale Punkteausbeute in jedem Rennen gestiegen.

"Ja, wir hatten mehr Presse über die Formel 1 und Mercedes in den letzten Wochen", sagte Wolff. "Aber es ist eine feine Balance. Mein Job hier ist es, Rennen zu gewinnen und Titel zu holen - und das im positiven Sinne von Mercedes. Wenn die Fahrer aber in fünf Rennen dreimal crashen, ist das nicht mehr positiv. Ich will die Fahrer nicht über-kontrollieren. Aber genauso ist da die Verantwortung für die Marke im Hintergrund."

8. - Was sagt Rosberg zum neuen Kodex?

"Die Botschaft kam an. Wir hatten unsere Gespräche und haben Schlüsse daraus gezogen, wie es am besten weitergeht. Das Gute ist: wir können weiter frei racen. Ich will Lewis bekämpfen da draußen. Daran hat sich nichts geändert. Ich sehe da keine Probleme. Es wird nach wie vor tolle Duelle geben, auch mit diesen modifizierten Regeln. Es gibt nur härtere Konsequenzen, wenn es schief geht."

9. - Wie sieht Hamilton die modifizierten Regeln?

"Um ehrlich zu sein denke ich, dass das Schicksal schon immer in unseren eigenen Händen lag. Also ändert sich nicht wirklich etwas. Wir können immer noch gegeneinander fahren. Es gibt keine Teamregeln oder Teamorder, oder wie auch immer man das nennt. Das ist doch super für die Fans. Also sollte jeder gespannt sein." Wären die Strafen im Falle eines Verschuldens wirklich hart? Hamilton darauf: "Ich denke, ich sollte Ja sagen."