Die teaminterne Kollision zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton in Spielberg hat bei Mercedes Spuren hinterlassen. Es war der dritte heftige Crash zwischen den beiden Piloten nach Spa 2014 und Barcelona in diesem Jahr. Hamilton und Rosberg waren beim Kampf um den Sieg in der letzten Runde des Österreich GP zusammengestoßen, wodurch Rosberg von der Spitze des Feldes auf den vierten Platz zurückfiel und Mercedes den sichergeglaubten Doppelsieg verschenkte. Rosberg wurde von den Stewards die Schuld für die Kollision zugesprochen und mit einer Zeitstrafe von zehn Sekunden belegt, was aber nichts an seinem vierten Rang ändert.

Der Unfall: Die Sicht der Beteiligten

So sieht Nico Rosberg den Unfall: "Ich war auf der Innenseite und habe das Recht mich zu verteidigen. Ich muss nicht auf der Ideallinie fahren. Ich hatte Lewis auf der Außenseite und wollte ihn auch dort halten. Natürlich habe ich ihm dabei immer Platz auf der Strecke gelassen, das ist klar, das war immer die Intention. Es ist eine Tatsache, dass er Platz hatte. Man kann das auf der Onboard und in allen anderen Kamera-Einstellungen sehen. Natürlich sieht es nach der Kollision vielleicht anders aus, denn ich bin etwas abgehoben, habe Grip verloren und das hat mich auf der Strecke weiter rausgetragen. Danach sieht es vielleicht nach weniger Platz aus, aber das war eine Entwicklung nach der Kollision.

Ich möchte NOCHMALS wiederholen: Zu jeder Zeit vor der Kollision war Platz vorhanden. Ich kann sicherlich sagen, dass ich definitiv in niemanden hineingefahren bin. Ich hatte das Auto zu jeder Zeit voll unter Kontrolle und hatte zu keinem Zeitpunkt blockierende Räder oder sonstiges. Dass er eingelenkt hat, hat mich vollkommen überrascht. Er hat in einem TV-Interview gemeint, dass ich in seinem toten Winkel war, vielleicht war das der Grund, warum er eingelenkt hat. Das ist eine mögliche Erklärung. Ich bin sehr, sehr enttäuscht darüber, heute den Sieg verloren zu haben. Ich hatte ihn in der Tasche und ich liebe es, hier zu gewinnen. Und den Sieg dann in der letzten Runde zu verlieren ist unglaublich hart. Ich wollte mit ihm [Lewis] darüber reden, aber er hat nicht die Notwendigkeit empfunden. Ich wollte hören, warum er eingelenkt hat."

So sieht Lewis Hamilton den Unfall: "Ich will nichts Negatives sagen, ich fokussiere mich auf den Fakt, dass ich nichts falsch gemacht habe. Das ist eine harte Strecke, um zu überholen. Letztes Jahr habe ich hier so lange nach einer Möglichkeit gesucht. Ich lebe fürs Racing. Ich fühle mich fantastisch. Ich hatte kein Problem mit den Bremsen. Manchmal werden sie halt heiß. Ich wollte innen durch, aber er hat die Innenseite abgedeckt. Es ist sehr schwer, hier jemandem durch Kurve eins zu folgen. Hätte er es normal gemacht, wie in der Runde davor, hätte ich keine Chance gehabt.

Ich fahre nicht raus, um in Kollisionen verwickelt zu werden. Ich wollte das heute nicht. Ich habe ihm jede Menge Platz gelassen. Da hätten drei Autos durchgepasst. Als Teamboss macht man sich natürlich Gedanken. Ich wollte das auch nicht haben. Es kommen noch viele Rennen und die müssen wir fahren. Wir fahren um die WM. Ich werde weiter fighten."

So sieht Toto Wolff den Unfall: "Am Ende der vorletzten Runde setzte Nicos Break-by-Wire-System aus, was die Brems-Performance reduzierte. Lewis holte auf. Dann kam die Kollision, die beim Anbremsen von Kurve zwei begann. Ein hartes Manöver hat das nächste harte Manöver hervorgerufen und hätte in einer Doppelkollision enden können, was der Worst Case ist.

Ich denke, man kann es nicht schwarz und weiß sehen. Nico fuhr mit einem beschädigten Auto und versuchte auf einer nicht normalen Linie spät zu bremsen. Und Lewis kam von der Außenseite, und das ist, wo der erste Kontakt stattfand. Es braucht zwei, damit es zum Kontakt kommt. Ich möchte keine Schuld zuweisen, denn jedes Mal, wenn man sich die Aufzeichnung ansieht, gibt es neue Informationen. Man kann nicht sagen, wer mehr Schuld als der andere hat. Ich habe meine persönliche Meinung, werde diese aber nicht mitteilen.

Danner: Hamilton ist Schuld

Christian Danner, Experte von Motorsport-Magazin.com, sieht indessen Hamilton als klaren Schuldigen. "Wenn du in der letzten Runde vorne bist, machst du alles was du machen kannst, um vorne zu bleiben. Man kann niemand einen Strick daraus drehen, dass er Lewis das Leben schwer macht, das finde ich völlig in Ordnung", nimmt Danner Rosberg in Schutz. "Wenn die zwei kollidieren, stellt sich die Frage, wer die Kollision vermeiden hätte können, und der hieß Lewis Hamilton", ist für den ehemaligen Piloten klar.

"Weil du kannst nicht ignorieren, dass da jemand ist, das wusste er ganz genau. Nur das Selbstverständnis von Lewis Hamilton sagt: Verpiss dich! Ich bin da!", ist Danner über Hamiltons Herangehensweise verärgert. "Er hat reingezogen, obwohl er genau wusste, da ist einer. Er hat es gemacht, weil er bislang immer die Tatsache ignoriert hat, dass Nico dort ist. Er hat es aus dem Gehirn gestrichen, nur deswegen sind sie zusammengestoßen. Er hätte genauso gut eine weite Linie fahren können, dann hätte er ihn halt nicht kassiert, aber das ist halt nicht Hamilton, der hält rein."

Kommt Teamorder bei Mercedes?

Als letzte Konsequenz in Folge des Unfalls zieht Mercedes nun in Betracht, Teamorder einzuführen. "In Barcelona war ich wesentlich lockerer, weil wir 30 Rennen ohne Kollision hatten", erklärt Wolff. "Es war klar, dass so etwas passieren würde, aber in meiner naiven Art habe ich gedacht, sie hätten ihre Lektion gelernt und es würde nicht noch einmal vorkommen", ist der Österreicher auf seine Piloten alles andere als gut zu sprechen.

Wolff selbst ist kein Freund von Teamorder, angesichts der wiederholten Unfälle zwischen seinen Piloten sieht er diese Maßnahme jedoch als notwendiges Übel an. "Man muss sich alle verfügbaren Optionen ansehen, und eine Option ist, die Reihenfolge zu einem gewissen Zeitpunkt des Rennens einzufrieren, was unpopulär ist und mich zum kotzen bringt, weil ich sehen möchte, wie sie racen, aber Racing ohne Kontakt ist nicht möglich und das die Konsequenz", stellt Wolff klar.

In Stein gemeißelt ist die mögliche Teamorder bei Mercedes allerdings noch nicht, eine Entscheidung soll im Laufe der kommenden Woche fallen. Die Zeit drängt aber, denn es steht schon das nächste Rennen in Silverstone bevor. "Wir werden eine Entscheidung unabhängig davon treffen, was sie sagen", räumt Wolff Hamilton und Rosberg jedenfalls kein Mitspracherecht ein. "Der Kern des Rennteams wird diese Entscheidung treffen, und sie könnte in jede Richtung ausfallen. Das Ergebnis muss sein, dass wir Kontakt zwischen den beiden Autos verhindern, deshalb werden alle Optionen geprüft."

Wenig Freude mit Teamorder hätte Lewis Hamilton. "Ich will racen. Ich will der Beste sein. Ich war als Fan enttäuscht von Teamorder. Wir wollen das nicht sehen", gibt der Brite zu Protokoll. "Toto und Niki haben uns glücklicherweise immer erlaubt, frei zu fahren. Darum geht es doch. So etwas [Unfall] hat es in allen Serien gegeben. Das kann passieren. Wir fahren mit mehr als 300 km/h. Man erwartet von uns zu fahren, und nie ein Problem zu haben. Ich hoffe, dass sich nichts ändert und wir frei fahren können."

Rosberg blickt der Entscheidung hingegen gelassen entgegen. "Toto und Paddy sind extrem kompetente Menschen und es ist in ihren Händen", vertraut er der Teamführung. "Wenn sie der Meinung sind, dass das unsere Richtung sein soll, werde ich das akzeptieren. Das ist nicht wirklich unter meiner Kontrolle."

Ein Befürworter einer Entscheidung pro Teamorder ist Gerhard Berger, der das Rennen in Spielberg vor Ort verfolgte. "Als Team hätte ich in den letzten zwei Runden gesagt: Positionen halten. Weil: Wenn ich WM-Führender bin und dann blocke, dann nehme ich mit Sicherheit den Hamilton mit ins Aus. Das ist zu meinem Vorteil", zeigt der Ex-Pilot auf. "Ich glaube, dass man da als Team eingreifen sollte. "Ich glaube, Nico hat es so fair wie möglich gemacht. Ich denke auch, dass die beiden es verhindern wollten - aber nur das Team hätte es verhindern können."