Das Qualifying zum Österreich Grand Prix bot großes Spektakel. Der krasse Unfall von Daniil Kvyat oder auch die sensationelle erste Startreihe für Nico Hülkenberg. Obendrauf die Platzstrafen für Nico Rosberg und Sebastian Vettel. Bei all dem Trubel und Wetter-Kapriolen ging doch glatt etwas unter, dass die Teams äußerst spannende Reifen-Strategien wählten, die im Rennen am Sonntag eine gewichtige Rolle spielen sollten.

Einfach gesagt: Die Ferraris mit Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen sowie Red Bull in Form von Daniel Ricciardo und Max Verstappen starten beim Österreich Grand Prix auf den Supersoft-Reifen. Der Rest der Top-10 geht mit den Ultrasofts ins Rennen. Dieser Unterschied könnte sich ganz entscheidend auf das Ergebnis auswirken. Die Ultrasofts waren ein guter Qualifying-Reifen, dürften im Rennen aber schon nach wenigen Runden abbauen.

Schluss nach 10 Runden?

Pirelli glaubt, dass die ultraweichen Reifen schon nach 10 Runden einbrechen und der erste Boxenstopp fällig wird. Der Vorteil gegenüber den Supersofts hält sich dabei in Grenzen: Die schnellste Mischung von Pirelli ist nur rund 4 Zehntel schneller auf dem Red Bull Ring. Das haben die Daten des bisherigen Rennwochenendes gezeigt.

Sicher dürfte sein, dass alle Fahrer mindestens zwei Boxenstopps einlegen. Die theoretisch beste Strategie sieht Pirelli bei den Fahrern mit Supersoft beim Start. Erster Reifenwechsel in Runde 16 auf Soft-Reifen, ein zweiter in Runde 44 erneut auf die weichen Reifen. Für die Ultrasoft-Starter berechnete Pirelli den ersten Stopp in Runde 10 auf Soft, gefolgt von einem zweiten auf Soft im 40. Umlauf.

Top-10 Spielberg: Reifen-Guide

Pos./FahrerStart-Reifen Reifen übrig
1. Hamilton Ultrasoft 1Sn/1Su/1SSu/1USn/2USu
2. Hülkenberg Ultrasoft 1Sn/1SSn/4USu
3. Button Ultrasoft 2Sn/1SSn/3USu
4. Räikkönen Supersoft 1Su/2SSu/1USn/2USu
5. Ricciardo Supersoft 1Sn/1Su/1SSu/1USn/2USu
6. Rosberg Ultrasoft 1Sn/1SSn/1SSu/1USn/2USu
7. Bottas Ultrasoft 1Su/2SSn/3USu
8. Verstappen Supersoft 2Sn/1SSu/1USn/2USu
9. Vettel Supersoft 1Su/1SSn/1SSu/2USn/1USu
10. Massa Ultrasoft 1Su/2/SSn/3USu

SS - Supersoft
S - Soft
U - Ultrasoft
n - new, neu
u - used, gebraucht

Rosberg zweifelt an Konkurrenz

Dass Red Bull und Ferrari in Sachen Strategie diesmal die Oberhand haben, zeigte Mercedes im Qualifying. Im Q2 gingen Hamilton und Rosberg selbst mit den superweichen Reifen auf die Strecke, konnten wegen des Regens aber entscheidende Runde setzen. Damit scheiterte also der Versuch, es der Konkurrenz gleichzutun. "Wir dachten, es könnte eine gute Idee sein, eine Zeit auf ihnen zu setzen", sagte Nico Rosberg, der von Platz sechs startet.

Einen entscheidenden Reifenvorteil bei der Reifenstrategie sah er jedoch nicht: "Supersoft und Ultrasoft sind ähnlich und haben ähnliche Probleme. So klar ist es nicht, dass sie definitiv das richtige gemacht haben." Mercedes-Teamkollege und Pole-Setter Lewis Hamilton beurteilte die Reifenwahl der Konkurrenz zumindest als keine schlechte Idee. Seine Ultrasofts hätten im Training nur vier Runden gehalten, Rosberg habe einen Run über fünf Runden geschafft.

Allerdings gab Hamilton zu bedenken, dass es am Sonntag anders aussehen könnte. "Es sollte morgen kühler sein und das könnte das Pendel bezüglich der Reifenentfaltung in eine andere Richtung ausschlagen lassen", sagte der Weltmeister. "Es gibt auch viele Dinge, die ich an meinem Fahrstil morgen ändern kann, damit die Reifen länger halten."

Vettel: War der bessere Schritt

Doch die Mercedes-Konkurrenz war sicher, dass die Supersoft-Strategie einen Vorteil bringen würde. "Wir sind der Meinung, dass es der bessere Schritt war", so Sebastian Vettel, der nach Getriebewechsel von P9 startet, gegenüber Motorsport-Magazin.com . "Ob sich das dann so bewahrheitet, stellt sich morgen heraus." Teamkollege Kimi Räikkönen, der von Platz vier startet: "Wer den Reifen länger am Leben hält, wird davon profitieren."

Gleiches Spiel im Lager von Red Bull beim wichtigen Heimspiel in der Steiermark. Der Fünftplatzierte Daniel Ricciardo darf sich gute Chancen auf den nächsten Podestplatz ausrechnen. Die vor ihm stehenden Nico Hülkenberg und Jenson Button sollte keine unüberwindbare Hürde darstellen. "Die Entscheidung, im Q2 auf superweiche Reifen zu gehen, war die richtige Wahl", glaubte der Australier. "Morgen wird uns das helfen."

Nicht außer Acht lassen darf man auch Teamkollege Max Verstappen, der sich mit Startplatz acht begnügen musste. Vorteil des Niederländers: Er ist, neben dem Überraschungs-Dritten Jenson Button, der einzige Fahrer in den Top-10, der für das Rennen zwei frische Sätze der Soft-Reifen hat. Diese Mischung sowie die Supersofts müssen am Sonntag verpflichtend zum Einsatz kommen. Im Gegensatz zu Verstappen sollte Button im Rennen wegen seines McLaren keine allzu große Rolle spielen.

Streckendaten
Länge: 4,326 km
Runden: 71
GP-Distanz: 307,146 km
Rundenrekord: 1:08.337 Min. (MSC, 2003)
Kurven: 9
Weg bis Kurve 1: 185 Meter
Länge Boxengasse: 242 Meter
Zeit in Box bei 80 km/h: 20 Sekunden

Mercedes-Duell: Vorteil Hamilton

In dieser Beziehung könnte auch Hamilton einen Vorteil gegenüber Rosberg haben - abgesehen von der wesentlich besseren Startposition. Hamilton hat noch zwei Soft-Sätze - frisch und gebraucht - übrig, Rosberg lediglich einen neuen. Dafür steht dem amtierenden WM-Spitzenreiter ein frischer Supersoft-Reifen zur Verfügung. Die Haltbarkeit der Reifen wird zeigen, was am Ende die bessere Wahl ist. Rosberg ist allerdings nicht allein, Vettel und Räikkönen steht ebenfalls nur noch ein Soft-Satz zur Verfügung.

Bei all dem Reifen-Geplänkel im Vorfeld wollte sich Hamilton nicht beirren lassen. Seine einfache Rechnung: Er startet auf den gleichen Reifen wie Hauptrivale Rosberg. Alles andere scheint dem Briten nicht so wichtig zu sein, oder wie er es selbst ausdrückte: "Ich habe keine Ahnung, wer hinter mir oder vor Nico ist. Ich weiß nur, dass Jenson Button direkt bei mir ist."

Dabei streute Hamilton noch etwas Salz in Rosbergs Wunde, der nach dem Getriebewechsel strafversetzt wurde: Diesmal sei es nicht so einfach, mit dem starken Mercedes-Silberpfeil durchs Feld zu pflügen. "Einen Williams zu überholen ist nicht einfach, auch nicht einen Ferrari, selbst einen Red bull", sagte Hamilton. "Ihr Speed auf der Geraden ist deutlich anders als noch im vergangenen Jahr. Aber er ist sehr, sehr schnell hier. Es fühlt sich so an, als wäre es einer seiner stärksten Kurse. Und gleichzeitig einer meiner schwächsten. Dennoch stehe ich auf Pole."