Neben Bernie Ecclestone der wohl einflussreichste Mann der Formel 1 ist Hermann Tilke. Sämtliche neue Strecken und modifizierte Klassiker gehen auf die Kappe des Streckenarchitekten. Einige davon haben sich über mehrere Jahre im Rennkalender etabliert, wie beispielsweise der Sepang International Circuit. Andere wiederum flogen in hohem Bogen wieder heraus. Der Buddh International Circuit in Indien hielt sich beispielsweise nur drei Jahre (2011 bis 2013) und auf dem Korean International Circuit in Südkorea machte der F1-Tross nur vier Jahre lang Halt. Wie steht es um Tilkes jüngstes Baby, den Baku City Circuit?

Taktikpoker führt zu Langeweile

Zu viel Taktik, zu wenig Risiko, Foto: Sutton
Zu viel Taktik, zu wenig Risiko, Foto: Sutton

Wenn es nach dem Streckenarchitekten geht, dann habe der Kurs das Potenzial, eine feste Nummer im Rennkalender zu werden. Im Gegensatz zum äußerst ereignisreichen GP2-Rennen im Rahmenprogramm bot die Formel 1 weit weniger Spektakuläres. "Das lag daran, dass sie in der Formel 1 nur auf Taktik gefahren sind", sagte Tilke gegenüber Motorsport-Magazin.com. "Das Rennen war komplett taktisch bestimmt. Das sah man daran, dass einige plötzlich wahnsinnige Rundenzeiten gefahren sind und dann auf einmal wieder ganz langsame, um etwas Sprit zu sparen."

Mit vier Safety-Car-Phasen am Samstag und drei weiteren am Sonntag war die GP2 möglicherweise ausschlaggebend für die konservative Herangehensweise der F1-Teams. Tilke vermutete: "Keiner wollte ein Risiko eingehen. Die F1-Fahrer haben wahrscheinlich alle das GP2-Rennen gesehen und haben sich gedacht: 'Wenn ich nur ankomme, dann bin ich in den Punkten.' Aber so war es ja nicht." Nach unzähligen Fahrfehlern in Kurve 15 in den Sessions am Freitag und Samstag haben Teams, Fahrer und Fans erwartet, dass es im Rennen auch einmal kracht.

Viel mehr noch, sie sind davon ausgegangen, wenn es nach Tilke geht. "Das Rennen wurde von allen sehr konservativ ausgelegt. Schließlich ist es eine neue Strecke und alle haben gedacht, dass es ein paar Crashs geben wird", so der Architekt des Baku City Circuit. Konservativ gingen die Teams auch an den Spritverbrauch. "Die Strecke frisst jede Menge Sprit. Aber das wussten wir vorher schon. Die Bestätigung kam von Bernd Mayländer bereits am Donnerstag, als er meinte, er würde nach so vielen Runden seinen Tank leer fahren", sagte Tilke.

F1 vs. GP2 - 0:1

Dass es am Streckenlayout liegen könnte, schließt er dabei - natürlich - kategorisch aus. "Wir haben ja in der GP2 gesehen, dass es gutes Racing geben kann. Und ich glaube, eine Menge Leute haben ihr Geld verloren, weil sie auf ein Safety Car getippt haben", scherzte der 61-Jährige. Dabei wären vor allem die Restarts spannend gewesen. "Ich habe mich in der F1 sehr auf die Restarts gefreut, die auf dieser langen Geraden besonders schwierig ausgefallen wären." Dabei hätte der Restart nicht aus der letzten Kurve heraus erfolgt, wie sonst üblich. "Sonst geben die Fahrer bereits in der Kurve Gas und die anderen haben keine Chance und das Feld zieht sich auseinander. Hier ist es ganz anders."

Genau dort ist GP2-Piloten Nobuharu Matsushita ein folgenschwerer Fehler unterlaufen. "Er hat beschleunigt und hat dann gemerkt, dass er zu früh auf dem Gas war und dabei das Safety Car fast überholt hat", erklärte Tilke. "Dann musste er vom Gas gehen. Die dahinter haben das gar nicht mitbekommen und sind dann ineinander gefahren. Das darf eigentlich nicht sein, dass man Gas gibt und dann wieder abbremst. Die Hinteren können das gar nicht mitkriegen. Aber dadurch hatte das GP2-Rennen auch einen hohen Unterhaltungswert."