"Vielleicht beende ich das Rennen nicht. Ich versuche jetzt einfach mal alles zu ändern." Wie ein trotziges Kind wirkte Lewis Hamilton in der zweiten Rennhälfte des Europa Grand Prix. Falsche Einstellungen an seinem Silberpfeil brachten den Weltmeister zeitweise auf die Palme. Besonders bitter für ihn: Das Team durfte ihm nicht helfen. Damit sorgte Hamilton für die Szenen des Rennens in Baku, indem er Runden lang verzweifelt versuchte, sein Auto wieder auf Vordermann zu bringen.

Erst acht Runden vor Schluss gelang es Hamilton nach einigen Abläufen, den richtigen Modus in seinem Auto einzustellen, um wieder Vollgas geben zu können. Doch es war zu spät. Nach einem misslungenen Wochenende musste sich der Mercedes-Star mit Platz fünf beim ersten Formel-1-Rennen in Aserbaidschan abfinden.

Millionen Einstellungen

"Ich weiß nicht, ob ich die Lösung gefunden habe, ob es das Team war, oder ob es von ganz allein wieder ging", polterte Hamilton nach dem Rennen. "Ich habe nur aufs Lenkrad geschaut und versucht herauszufinden, was schief läuft bei diesen Millionen Einstellungen. Das ist ja wirklich lächerlich hightech-mäßig. Manchmal wusste ich einfach nicht, was was ist."

Einen kleinen Seitenhieb gab es anschließend von der Teamführung, denn: Auch Rennsieger Nico Rosberg hatte Probleme mit den Settings seines Autos. Im Gegensatz zu Hamilton fand er die Lösung aber innerhalb kürzester Zeit heraus, ohne große Einbußen zu haben. "Nico hat eine halbe Runde gebraucht, um seinen Modus einzustellen - Lewis zwölf Runden", sagte Niki Lauda. "Beide hatten das Problem, aber Nico konnte es schneller lösen."

Vorteil Rosberg

Toto Wolff nahm den genervten Hamilton zumindest etwas in Schutz. Rosberg habe im Gegensatz zu ihm schon einmal einen solchen Wechsel der Settings vorgenommen. Für Hamilton war es stattdessen die Premiere in einem Rennen - sie ging ziemlich schief. Wolff: "Wir hatten auf beiden Autos das gleiche Problem. Nico war schneller, aber er hatte vorher schon mal einen Switch-Change gemacht. Das hat ihn auf den richtigen Pfad gebracht."

Hamilton interessierte das nicht. Er beschwerte sich vielmehr über das aktuelle Funkverbot, das ihm das Leben in Baku arg erschwerte. Sogar per Ausschlussverfahren versuchte er, per Funk vom Kommandostand eine passende Antwort zu erhalten. Doch Mercedes war es schlichtweg nicht möglich, ihn auf die richtige Fährte zu führen. "Wir hätten sonst eine Strafe bekommen und wären noch weiter hinten gewesen", erklärte Lauda. Das wollte niemand riskieren."

Kein Bock auf Simulator und Trackwalk: Diese Aussagen dürften auf Hamilton zurückfallen, Foto: Sutton
Kein Bock auf Simulator und Trackwalk: Diese Aussagen dürften auf Hamilton zurückfallen, Foto: Sutton

Genervt vom Funkverbot

Durch das Funkverbot soll die Formel 1 zusätzlich an Spannung gewinnen, indem der Fahrer mehr auf sich allein gestellt ist und eigene Entscheidungen treffen soll. Offenbar ziemlich knifflig angesichts der extrem komplexen Technik. Hamilton: "Ich sehe da keinen Zugewinn. Die FIA hat die Formel 1 so technisch gemacht. Du hast 100 oder 200 unterschiedliche Schalter-Positionen. Ich habe überhaupt nicht die Möglichkeit zu sehen, was das Problem ist."

Hamilton war überzeugt, dass er ohne das Problem weiter vorne hätte kämpfen können. Nach seinem Unfall im Qualifying hatte er das Rennen von der zehnten Position aufnehmen müssen. Das Setting-Problem habe sein ganzes Rennen beeinträchtigt. Hamilton sagte: "Es ist schade, dass ich nicht richtig fahren konnte. Wenn ich es hätte lösen können, wäre ich Teil der Show gewesen und hätte die Jungs vor mir einfangen können."

Stattdessen fuhr Hamilton im Nirgendwo. Nach einer problemfreien Startphase und einem sehenswerten Überholmanöver gegen Max Verstappen, fehlten dem dreifachen Weltmeister später die Möglichkeiten, mehr aus dem Rennen herauszuholen. "Am Ende habe ich den Motor heruntergefahren, weil ich 14 Sekunden hinter den anderen lag und 10 Sekunden Vorsprung auf den Rest hatte. Ich habe einfach den Motor geschont. Na ja, wenn ich von der Pole gestartet wäre, hätte ich vielleicht das gleiche Problem gehabt. So war heute nicht mehr drin für mich."

So endete das Qualifying in Baku für Hamilton, Foto: Sutton
So endete das Qualifying in Baku für Hamilton, Foto: Sutton

Funkverkehr zwischen Hamilton und seinem Ingenieur

Lewis Hamilton: Überall Aussetzer, das hilft mir nicht. Gibt es keine Lösung?

Peter Bonnington: Wir arbeiten dran!

Lewis Hamilton: Jungs, ihr müsst schneller machen!

Peter Bonnington: Das Problem scheint durch den aktuellen Modus zu kommen, in dem du bist.

Lewis Hamilton: Ich weiß nicht, was du meinst! Ich weiß nicht, was falsch ist.

Lewis Hamilton: Jungs, das ist lächerlich! Ich weiß es nicht. Ich schaue alle 5 Sekunden auf mein verdammtes Display und versuche den Schalter zu finden, der in der falschen Position ist.

Peter Bonnington: Lewis, du machst nichts falsch. Da ist nur ein falsches Setting.

Lewis Hamilton: Vielleicht beende ich das Rennen nicht. Ich versuche jetzt einfach mal alles zu ändern.

Peter Bonnington: Das empfehlen wir dir nicht, Lewis.

Lewis Hamilton: Kann ich Vorschläge machen, und ihr sagt mir, ob das in Ordnung ist?

Peter Bonnington: Nein, das ist nicht erlaubt.

Lewis Hamilton (8 Runden vor Ende): Verdammt, danke! Ich habe meine Power wieder!