Atemberaubende Kulisse, mit über 350 Sachen durch die Stadt, Mutkurven und 6 km Strecke - der Baku City Circuit versprach ein Kurs der Superlative zu werden. Vieles bestätigte sich bei der Formel-1-Premiere an diesem Freitag in Aserbaidschan. Doch es gab auch einige Probleme. Motorsport-Magazin.com beantwortet die wichtigsten Fragen zur brandneuen Rennstrecke, auf der am Sonntag der Europa Grand Prix steigt.

1. - Wo ist die heftigste Kurve?

Auf einem Stadtkurs kann es traditionell überall knallen - doch Kurve 15 ist die risikoreichste Ecke auf dem Baku City Circuit. Einige Autos können den Bereich von Kurve 13 bis 15 mit Vollgas durchfahren, bevor sie für Kurve 15 extrem hart bremsen müssen. Von über 300 km/h geht es bis auf unter 90 km/h runter. "Die Kurve ist sehr eng und macht dann brutal zu", sagte Sebastian Vettel. "Erst sieht man sie lange nicht und dann ist es schwierig, den richtigen Bremspunkt zu treffen. Wenn man da ein bisschen zu spät auf der Bremse ist, wird man bestraft."

Kurve 15 geht bergauf und hängt zudem leicht nach außen, was den richtigen Einlenkpunkt zu einer noch größeren Herausforderung werden lässt. "Ein bisschen zu spät eingelenkt und schon macht es bumm", so Christian Danner zu Motorsport-Magazin.com. "Es lauern hier schon ein paar Fallen. So easy ist das nicht hier."

Das bekam Daniel Ricciardo im 1. Training zu spüren. Ausgangs Kurve 15 touchierte er mit dem rechten Hinterrad die Banden und zog sich dabei einen kapitalen Aufhängungsbruch zu. "Ich denke, ich bin zu schnell von der Bremse gegangen und hatte durch die Kurve zu viel Speed, wodurch ich das Heck verloren habe", erklärte Ricciardo seinen Unfall.

2. - Wie lief es an der engsten Stelle?

Die wohl spektakulärste Ecke in Baku: Kurve 8 bis 11 mit dem Geschlängel in einer Bergauf-Passage. Ständiges Risiko: Die engen Burgmauern ringsherum. Auf rund 80 km/h wird hier runtergebremst. Zwischenfälle gab es in den Trainings aber keine großen, die Fahrer kamen gut mit dieser Herausforderung klar. "Die enge Stelle schaut ganz toll aus, ist aber vom Fahren her okay", sagte auch Christian Danner. Einzig Esteban Gutierrez schlug leicht mit dem rechten Hinterrad an, beschädigte sich das Auto aber nicht.

Es gab andere Stellen, die den Fahrern zum Auftakt größere Sorgen bereiteten. Die Burgmauer-Passage dürfte eine der ikonischen Kurven in Baku bleiben, doch nicht alle Fahrer waren begeistert von der engsten Stelle der Strecke. "Da ist es so langsam, da liegen nicht unbedingt die Stärken eines Formel-1-Autos", meinte Jenson Button. Immerhin erinnert Kurve 8 noch am ehesten an Klassiker wie Monaco, wo die Fahrer sogar bis in den ersten Gang zurückschalten müssen.

In Baku wird die Strecke bis zu 7,50 Meter eng, Foto: Sutton
In Baku wird die Strecke bis zu 7,50 Meter eng, Foto: Sutton

3. - Warum so viel Aufsehen um die Boxeneinfahrt?

Die Boxengasse war eines der größten Themen vor dem Rennwochenende. So groß, dass am späten Freitagabend noch einmal Hand angelegt werden musste. "An einigen Stellen gibt es noch ein paar Sicherheitsbedenken, etwa bei der Boxeneinfahrt. Das müssen wir uns noch ansehen", kündigte Nico Rosberg an. Die Folge: Die weiße Linie hin zur Boxeneinfahrt wurde verlängert und weiter nach links verlegt, weil die Fahrer Probleme hatten, sie überhaupt zu sehen. Der Eingang wurde zudem mit einem neuen Hinweisschild versehen.

Anscheinend dürfen die Fahrer während des Rennens diese weiße Linie überhaupt nicht überfahren. Die Möglichkeit, in letzter Sekunde zum Stopp abzubiegen, wäre somit nicht mehr gegeben. Die Hauptsorge bestand aus der engen Schikane auf dem Weg zur Einfahrt, sollte einem Fahrer hier ein Fehler unterlaufen. Immerhin haben die Autos hier rund 350 km/h auf dem Tacho. "Die Formel 1 ist ein gefährlicher Sport", sagte Jenson Button. "Aber manche Risiken sind unnötig. Alle Boxengassen, die wir benutzen sind aus einem guten Grund so, wie sie sind. Die hier ist es nicht."

4. - Wie hoch waren die Top-Speeds?

Der schnellste Stadtkurs der Formel 1, hieß es vor der Premiere in Aserbaidschan. Auf der rund 2km langen Geraden traf dieser Slogan durchaus zu. Der höchste Top-Speed am Freitag betrug knackige 351,7 km/h - aufgestellt ausgerechnet von Carlos Sainz im alternden Ferrari-Motor aus dem Vorjahr. Laut eigener Aussage fuhr Sainz allerdings nicht so viel Abtrieb wie er es sich für die anderen Sektoren gewünscht hätte.

Dennoch: Mehr als 351 km/h sind eine Ansage beim Straßenrennen. "Das Adrenalin ist recht hoch", sagte Sainz. "Ein bisschen wie in Monaco, du bist hier sehr nah an den Mauern dran. Es gibt aber drei, vier Stellen, an denen man die 300 km/h überschreitet. Man fühlt sich sehr schnell." Oder wie es Sebastian Vettel ausdrückte: "Man muss die Pobacken doch arg zusammenkneifen!" Zweitschnellster Fahrer am Freitag war übrigens Valtteri Bottas mit 351,6 km/h. Platz drei in der Rasertabelle ging an Nico Rosberg mit gemessenen 350,4 km/h.

Top-Speeds im 2. Training zum Europa GP

PlatzFahrerTeamMotorGeschwindigkeit
1Carlos SainzToro RossoFerrari 2015351,7 km/h
2Nico RosbergMercedesMercedes350,4 km/h
3Jenson ButtonMcLarenHonda349,4 km/h
4Nico HülkenbergForce IndiaMercedes347,9 km/h
5Valtteri BottasWilliamsMercedes347,4 km/h
6Lewis HamiltonMercedesMercedes347,1 km/h
7Sergio PerezForce IndiaMercedes344,9 km/h
8Sebastian VettelFerrariFerrari343,1 km/h
9Pascal WehrleinManorMercedes342,8 km/h
10Felipe NasrSauberFerrari342,7 km/h

5. - Was war vor Trainingsbeginn mit dem Kerb los?

Es war der Aufreger am Freitagnachmittag: Wegen eines losen Kerbs musste die Rennleitung das Qualifying der GP2 abbrechen. Erst so wurde ein ziemliches Problem für die Öffentlichkeit wahrnehmbar, tatsächlich lief im Hintergrund zu diesem Zeitpunkt längst ein gewaltiger Analyseprozess. Recht schnell wurde bekannt, dass Pirelli bereits im ersten Training der Formel 1, also vor dem Qualifying der GP2, Schnitte in den Reifen identifiziert hatte. Am Abend schilderte der Reifenhersteller die Hintergründe.

So seien die Kerbs erstmalig nicht nach dem Abbruch der GP2-Quali untersucht worden. Die Rennleitung wurde bereits zuvor aktiv. "Sie haben die Kerbs nach unserer Information, dass die meisten Reifen, die am Ende von FP1 verwendet wurden, links hinten Cuts hatten, untersucht", berichtet Pirelli-Ingenieur Mario Isola auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com. Sämtliche Schnitte hätten mit bis zu 5cm Tiefe sich an genau derselben Stelle befunden - und das bei 90 Prozent aller Reifen - hervorgetreten durch herausschauende Schrauben.

Dennoch löste sich in der GP2 ein Kerb. Allerdings in Kurve 3. Die zuvor identifizierten, hervorstehenden Schrauben hätten sich jedoch in Kurve 6 und 12 befunden, erklärt Isola, wieso sich trotz der Ausbesserungen ein Zwischenfall ereignete. Infolgedessen wurden vor dem zweiten Training der Formel 1 sämtliche Kerbs an kritischen Stellen komplett verschweißt. Anschließend gab es keine Probleme mehr.

6. - Was ist gut in Baku?

  • Große Abwechslung auf 6km Strecke
  • Danner: "So etwas habe ich noch nirgends gesehen."
  • Fahrer haben insgesamt großen Spaß am Fahren
  • Turn 8 gehört schon jetzt zu den bekanntesten der Formel 1
  • Probleme wurden schnell angegangen (Kerbs, Boxeneinfahrt)
  • Überholmanöver sollten wegen Streckenbreite kein Problem sein

7. - Was ist noch nicht so gut?

  • Kerbs sorgten für Abbruch des GP2-Qualifyings
  • Gefährliche Boxeneinfahrt - wurde aber entschärft
  • Fahrer beschweren sich über zu enge/wenig Auslaufzonen
  • Turn 15 eh schon riskant - dazu auch noch Bodenwellen
  • Monaco/Stadtkurs-Feeling kommt nur in einigen Bereichen auf