Für ihren siebten Lauf der Saison 2016 zieht es die Formel 1 erstmals in diesem Jahr über den Atlantik. Im französischsprachigen Teil Kanadas gastiert die Königsklasse auf dem Circuit Gilles Villeneuve. Der Kurs befindet sich auf einer künstlichen Insel im Sankt-Lorenz-Strom und besteht aus einer Mischung öffentlicher Straßen sowie permanenter Streckenabschnitte. Motorsport-Magazin.com präsentiert die Details und Schlüsselstellen der Rennstrecke in Montreal.

Neuerungen beim Kanada GP 2016

  • Mauer rechts der ersten und links der neunten Kurve erneuert
  • Neuer Abfangzaun für Trümmer in Kurven eins und neun
  • Neuer Streckenbelag in der Bremszone zu Kurve eins
  • Grünstreifen hinter dem Kerb in Kurve neun erneuert
  • Weiterhin zwei DRS-Zonen (Gerade nach Haarnadel + Start-Ziel-Gerade) ...
  • ... und ein DRS-Messpunkt (vor der Haarnadel)

Streckenname: Circuit Gilles Villeneuve

Das Layout des Circuit Gilles Villeneuve in Montreal, Kanada, Foto: Motorsport-Magazin.com
Das Layout des Circuit Gilles Villeneuve in Montreal, Kanada, Foto: Motorsport-Magazin.com

Seit 1978 gastiert die Formel 1 mit nur einem Jahr Unterbrechung (2009) auf dem Circuit Gilles Villeneuve. Der auf einer ursprünglich für die Expo 1967 künstlich aufgeschütteten Insel im Sankt-Lorenz-Strom hergerichtete Kurs löste damals den Mosport International Raceway als Austragungsort des Kanada GP ab, weil dieser nicht mehr den Sicherheitsstandards gerecht wurde. Ursprünglich hieß die Strecke in Montreal Circuit Île Notre-Dame, wurde jedoch unmittelbar nach dem tödlichen Unfalls Gilles Villeneuves 1982 zu Ehren des draufgängerischen Kanadiers umbenannt.

Beim Circuit Gilles Villeneuve handelt es sich um eine temporäre Rennstrecke. Teile des Kurses werden vom öffentlichen Straßenverkehr genutzt, wenn nicht gerade die Formel 1 in Montreal gastiert. Andere Streckenabschnitte bleiben exklusiv den F1-Boliden vorbehalten. Das Layout des Kurses ist geprägt von der langgezogenen Form der Insel. So ist ein extrem schneller Rennkurs mit langen Geraden entstanden. 60 Prozent Vollgasanteil!

Neben der anspruchsvollen Streckenführung (s. unten) schätzen die Fahrer und Teams die faszinierende Atmosphäre der frankophilen Metropole Montreal sowie die freundliche Art und die Lebensfreude ihrer rund 3,4 Millionen Einwohner. "Ich liebe Kanada, ich liebe Montreal. Die Stadt ist großartig, eine sehr freundliche Stadt - locker eines meiner Top-5-Rennen. Es ist fast genau wie in Melbourne. Du kannst viel unternehmen, viel Kultur, es ist sehr europäisch und die Leute sind super nett", schwärmt Daniel Ricciardo, Kanada-Sieger 2014.

Streckenverlauf: Viermal über 300 km/h

Ein Stop&Go-Charakter prägt den Circuit Gilles Villeneuve. Viermal beschleunigen die Piloten auf mehr als 300 km/h, nur um genauso oft für mittelschnelle Schikanen und enge Haarnadeln brachial auf die Bremsen zu steigen. Gleich zu Beginn der Strecke ein erstes Nadelöhr: Die enge Links-Rechts-Kombination der Kurven eins und zwei hat schon für so manchen Startunfall gesorgt.

Es folgen zwei Schikanen, mit Mauerkuss-Gefahr, ehe die Fahrer zum zweiten Mal nach Start-Ziel auf 300 Sachen beschleunigen. Nach einer weiteren schnellen Rechts-Links-Kombi geht es erneut mit gut 300 zu auf die wichtigste Kurve der Strecke: die enge Haarnadel Turn zehn. "Auf jeden Fall ein Überholpunkt!", sagt Carlos Sainz. Noch dazu folgt die längste Gerade des Kurses, an deren Ende Spitzengeschwindigkeiten jenseits der 340 km/h erreicht werden. "Der Ausgang aus der Haarnadel ist also auch sehr wichtig", ergänzt Sainz.

Die größte Herausforderung kommt jedoch erst noch. Am Ende der langen Geraden befindet sich eine der legendärsten Schikanen der Formel 1. Bevor es auf Start-Ziel zurück geht, müssen die Piloten ausgangs dieser Kombination immerhin noch an der berüchtigten "Wall of Champions" vorbei. Nur wer ganz nah an der Mauer vorbei rauscht nimmt die ultimative Speed mit, um eine gute Runde nicht noch im letzten Moment zu verderben.

Streckendaten
Länge: 4,361 km
Runden: 70
GP-Distanz: 305,270 km
Rundenrekord: 1:13.622 Min. (BAR, 2004)
Kurven: 14
Weg bis Kurve 1: 280 m
Länge Boxengasse: 397 m
Zeit in Box bei 80 km/h: 17,9 Sek.

Technik-Herausforderung: Bremsen unter Volllast

Technisch gesehen zählt der Circuit Gilles Villeneuve zu einer der größeren Herausforderungen im Rennkalender. Bei der Abstimmung der Boliden müssen Fahrer und Ingenieure eine Fülle von Besonderheiten des 4,361 Kilometer langen Kurses berücksichtigen: Die Strecke stellt sehr hohe Anforderungen sowohl an Bremsen, Traktion, Aufhängung, Aerodynamik als auch Motorleistung und - wegen des hohen Vollgasanteils - Spritverbrauch.

"Es ist ziemlich hart für den Fahrer, aber auch für das Auto, die Bremsen und die Reifen, weil du das Auto auf sehr geringe Geschwindigkeit herunterbremst, nur um dann wieder zu beschleunigen. Also ist auch Traktion sehr wichtig", sagt Sebastian Vettel. Gerade zum Start des Rennwochenendes ein Problem: Wegen ihres Daseins als Straßenkurs herrschen zu Beginn schwierige Gripverhältnisse.

Allen voran die Bremsen rücken in Kanada jedes Jahr in den Fokus. Mehrmals pro Runde verzögern die Piloten aus extrem hohem Tempo drastisch. Gleich im Anschluss zählt wieder volle Motorleistung für die kommende Gerade. "Es gibt viele langsame Kurven, die durch eine Reihe an Geraden miteinander verbunden sind. Die Strecke fordert demnach die Power Unit und die Bremsen sehr stark", berichtet Mercedes-Technikchef Paddy Lowe.

Die entsprechend hohen Längs- und Querkräfte sorgen zudem für eine hohe Belastung der Reifen, verschärfend hinzu kommen die in Kanada verhältnismäßig hohen Kerbs. Auch die wegen der langen Geraden gewählte Low-Downforce-Aerodynamik ist da alles andere als eine Hilfe - die Autos rutschen in den schnellen Ecken. 2016 hat Pirelli in Montreal dann auch noch den neuen ultraweichen Reifen im Gepäck. "Eine knifflige Situation", sagt Lowe.

Circuit Gilles Villeneuve: Unvergessene Momente

The Wall of Champions: 1999 war das Jahr, in dem die Mauer am Kurvenausgang der letzten Schikane des Circuit Gilles Villeneuve zu ihrem berühmten Namen kam. Warum? Nacheinander crashten im Rennen die drei ehemaligen Weltmeister, Damon Hill, Michael Schumacher und Jacques Villeneuve in die Streckenbegrenzung. Im Lauf der Jahre sollte die Stelle noch viele weitere prominente Opfer fordern, etwa Sebastian Vettel.

Jacques Villeneuve, Damon Hill und Michael Schumacher prägten den Begriff der Wall of Champions in Kanada, Foto: Sutton
Jacques Villeneuve, Damon Hill und Michael Schumacher prägten den Begriff der Wall of Champions in Kanada, Foto: Sutton

Heimsieg im Ferrari: 1978 war die Debütsaison des Gilles Villeneuve bei Ferrari. Und es lief schlecht: Insgesamt sechs Mal fiel der Kanadier im Saisonverlauf aus, ein Sieg schien illusorisch. Doch dann das Saisonfinale, bei dem die Formel 1 erstmals auf der Île Notre-Dame startete. Ausgerechnet bei seinem Heimspiel platzte für Villeneuve schließlich doch noch der Knoten. Vom dritten Platz gestartet triumphierte der spätere Namensgeber des Kurses in Montreal. Dabei profitierte Villeneuve allerdings von technischen Defekten der vor ihm liegenden Jones und Jarier.

F1 wird zur Langstrecke: 2011 ging in Kanada der längste Grand Prix der gesamten Formel-1-Geschichte über die Bühne. Vier Stunden, vier Minuten und 38 Sekunden dauerte der Kanada GP. Ganz so lang unterwegs waren die Boliden jedoch nicht. Das Rennen war wegen katastrophaler Bedingungen lange Zeit unterbrochen worden. Zudem sorgten Safety-Car-Phase ohne Ende für Verzögerungen. Am Ende gewann sensationell Jenson Button. Der Brite war zwischenzeitlich mit Teamkollege Lewis Hamilton gecrasht und auf den letzten Platz zurückgefallen. Doch überholte er noch in der letzten Runde Sebastian Vettel, nachdem der Red-Bull-Pilot in der zweiten Schikane weggerutscht war.

Kanada GP: Die letzten Rennen

Jahr Sieger 2. Platz 3. Platz Pole Schn. Runde
2015 Hamilton Rosberg Bottas Hamilton Räikkönen
2014 Ricciardo Rosberg Vettel Rosberg Massa
2013 Vettel Alonso Hamilton Vettel Webber
2012 Hamilton Grosjean Perez Vettel Vettel
2011 Button Vettel Webber Vettel Button