Es ist der Albtraum eines jeden Formel-1-Piloten und der Grund, warum derzeit so heftig über einen Cockpit-Schutz diskutiert wird: Ein herumfliegendes Teil. Im 1. Freien Training zum Monaco GP hatte Jenson Button unfassbares Glück. Nico Rosberg riss einen Kanaldeckel aus der Verankerung, der dann durch die Luft flog und Jenson Button traf.

Glück für den Briten: Der Kanaldeckel traf nur sein Auto. "Das Gute war, dass er so tief geflogen ist", sagt Button. Der Schaden an seinem McLaren war immens: Frontflügel, Vorderradaufhängung, Bremsbelüftung und Unterboden mussten getauscht werden. Doch nicht auszudenken, was passiert wäre, hätte das Eisenteil Button am Kopf getroffen.

Nico Rosberg kam hingegen glimpflich davon. "Allem in allem können wir froh sein, dass nur ein Reifenschaden die Folge war und das Auto nicht schwerer beschädigt wurde oder gar Schlimmeres passiert ist", sagt Mercedes' Paddy Lowe.

Laut Informationen von Motorsport-Magazin.com handelte es sich bei dem losen Teil um eine 25x25 cm große Wartungsklappe des Gullideckels, die sich gelöst hatte. Und das, obwohl sämtliche Deckel am Morgen vor dem Training kontrolliert wurden. Vermutlich waren die Schweißpunkte nicht groß genug gesetzt. FIA-Renndirektor Charlie Whiting: "Alle anfälligen Kanaldeckel werden jetzt überprüft und in einem viel größeren Umfang geschweißt."

Lauda: Das darf nicht passieren

Weil moderne Rennfahrzeuge ihren Abtrieb hauptsächlich über den Unterboden generieren, entsteht für den Asphalt eine Sog-Wirkung. Dadurch wird alles angezogen, was nicht fest verankert ist. Normalerweise sind Kanaldeckel nicht befestigt. "Durch ihr hohes Eigengewicht halten sie den üblichen Belastungen im Straßenverkehr stand", erklärt Streckenarchitekt Hermann Tilke.

Das Problem an der Strecke scheint einfach. "Das darf nicht passieren, aber es wird geschweißt, fixiert und fertig", sagte Niki Lauda zu Motorsport-Magazin.com. Doch so einfach ist es nicht. Um die Kanaldeckel zu befestigen, gibt es normalerweise mehrere Möglichkeiten: Verkeilen, Verschweißen oder Verschrauben.

Problem: Gusseisen

"Das Problem ist, die Kanaldeckel sind aus Gusseisen. Und Gusseisen kann man nur schlecht schweißen", erklärt Tilke. "In einem gewissen Maß hält das schon, aber nicht ideal, denn es ist physikalisch keine richtige Schweißnaht." Trotzdem werden die meisten Gullideckel auf Rennstrecken in der Regel verschweißt. So auch in Monaco.

Tilke setzt auf seinen Rennstrecken auf Schrauben. Jeder einzelne Kanaldeckel wird unter Aufsicht seiner Männer verschraubt. Denn auch hier können Gewinde kaputt gehen oder die Verankerungen nicht optimal sein. Eine FIA-Richtlinie, wie die Deckel befestigt werden müssen, gibt es nicht. Die einzige Vorgabe ist: Die Deckel müssen fest sein.

"In Baku haben wir alle Kanaldeckel durch verschraubbare Kanaldeckel ausgetauscht", so Tilke zu Motorsport-Magazin.com. "Bei kritischen Kanaldeckeln, die auf der Ideallinie liegen, haben wir sogar über den Deckel drüber asphaltiert. Wir haben sie tiefergelegt und dann asphaltiert - das ist die sicherste Variante."

DTM 2004, Shanghai: Damals gab es den ersten Gullideckel-Skandal, Foto: Sutton
DTM 2004, Shanghai: Damals gab es den ersten Gullideckel-Skandal, Foto: Sutton

Mayländer hebt in der DTM ab

Der Zwischenfall in Monaco war aber nicht der einzige dieser Art. "Es passiert weltweit immer wieder. Ich selbst hatte es in meiner Karriere drei oder vier Mal", erinnert sich Christian Danner. Der spektakulärste Fall ereignete sich wohl beim Gastspiel der DTM in Shanghai. 2004 riss Bernd Mayländer mit seinem Mercedes einen Deckel aus dem Boden. Die Wucht war so groß, dass das gesamte Fahrzeug in die Luft katapultiert wurde.

2009 kam es erneut in der DTM zu einem Gulli-Zwischenfall. Auf dem Norisring waren die Kanaldeckel ebenfalls zu schwach für die Unterböden der Boliden verankert. Markus Winkelhock zerstörte sich dabei das komplette Auto, der Gullideckel flog meterhoch durch die Luft. Nur durch Glück nahm niemand dabei Schaden.

Das sagt Button zum Vorfall

Doch selbst mit der besten Befestigung kann es zu Problemen kommen. Beim ersten Gastspiel der Formel 1 in Bahrain riss Button selbst einen Deckel heraus. Damals war allerdings nicht die Befestigung schuld, sondern der Deckel selbst. Aufgrund eines Materialfehlers brach er unter der Last. Über Nacht wurden die Kanalöffnungen einfach zu-asphaltiert. In Bahrain ist nicht mit großen Regenfällen zu rechnen.

Der Monaco-Fall sorgt für Diskussionen. "Das darf nicht passieren, eigentlich gehört es zur Streckenabnahme, zu sehen, ob die Teile verschweißt sind", meint Danner. "Aber es ist leider so, weil man sich nicht jeden Kanaldeckel anschauen kann." Button nahm die Organisatoren ebenfalls in Schutz: "Normalerweise wird hier in Monaco - in Anbetracht der Tatsache, dass es ein Stadtkurs ist - richtig viel für die Sicherheit getan. Aber das war ein Unfall, wie wir ihn nicht noch einmal sehen wollen."