Seit jeher gilt die Formel 1 als die Königsklasse des Motorsports - wenngleich MotoGP-Anhänger, zuletzt auch vermehrt Langstrecken-Sympathisanten der WEC, insbesondere deren Auftritt bei den 24h von Le Mans, dieses Prädikat gerne für sich beanspruchen. Doch ist die Liste würdiger Kandidaten damit voll? Nein, sagt Stoffel Vandoorne.

Der amtierende GP2-Champion legt 2016 nicht nur ein Jahr als Ersatzfahrer bei McLaren ein. Um weiter Rennerfahrung zu sammeln, hat sich das Top-Talent aus Belgien mit Unterstützung von McLarens Motorenpartner Honda einen Startplatz in der japanischen Super Formula gesichert.

Super Formula: Schumacher-Brüder fuhren in Vorgänger-Serien

Die Rennserie ist direkter Nachfolger der Formel Nippon, deren erster Meister 1996 ein gewisser Ralf Schumacher war. 1991 startete Michael Schumacher vor seinem Wechsel in die Formel 1 in der japanische Formel 3000, wiederum Vorgänger der Formel Nippon.

Heute fährt die Serie unter dem Titel Super Formula mit einem von Dallara gefertigten Basischassis SF14. Die mit Fahrer mindestens 660 Kilogramm schweren Boliden werden von Zwei-Liter-Turbomotoren, entweder aus dem Hause Honda oder Toyota, angetrieben. Die Aggregate sollen nach offiziellen Informationen der Serie mindestens 550 PS leisten. Reifenpartner der Serie ist Yokohama.

Formel 1Super Formula
Leistungmehr als 900 PSmehr als 550 PS
ReifenPirelliYokohama
Radaufhängung1800mm (2017: 2000mm)1910mm
Gewicht702kg (2017: 722kg + ca. 5kg Reifen)660kg

Super Formula auf einem Level mit der Formel?

Verglichen mit der Formel 1 ist ein Super Formula also ein gutes Eck leichter, allerdings auch wesentlich schwächer auf der Brust. Dennoch wirbt die Serie, "Genuss höchst konkurrenzfähigen Racings mit Top-Fahrern aus Japan und von jenseits des Ozeans" zu bieten. Die Super Formula besteche mit Kurvengeschwindigkeiten wie in der Formel 1, heißt es.

Klingt erst einmal nicht schlecht. Doch was ist dran? Verdammt viel, geht es nach Stoffel Vandoorne. Der Belgier hat in den vergangenen zwei Monaten je ein Rennen in der Formel 1 (Bahrain) und Super Formula (Suzuka) bestritten, kann also perfekt vergleichen. "Die Autos sind ziemlich anders als alles in Europa. Sie haben viel Abtrieb. Die Kurvengeschwindigkeiten sind sehr hoch", sagt Vandoorne gegenüber Motorsport-Magazin.com.

Der Belgier geht sogar noch einen Schritt weiter als die Presseinformationen der Serie selbst. "Es fühlt sich wie das schnellste Auto an, das ich in Kurven je gefahren bin. Das fühlt sich schon beeindruckend an in den Highspeed-Kurven. Wir sind in Suzuka dafür auf einen sehr guten Strecke gefahren. Sektor eins ist ja absolut Highspeed", berichtet Vandoorne. Er könne allerdings nicht exakt mit der Formel 1 vergleichen, was wo wie viel schneller oder langsamer ist. "Aber es hat sich schneller angefühlt", versichert der Belgier.

F1-Regeln 2017: Heilsbringer oder Racing-Untergang?

Für die Geschwindigkeit auf der Gerade gelte das jedoch nicht. Hier sei die Formel 1 besser. Kein Wunder bei fast 400 PS mehr Power bei nur 40 Kilogramm mehr Gewicht. "Aber das macht es für Rennfahrer sowieso nicht aufregend. Daran gewöhnst du dich schnell. Es geht uns mehr darum, spät zu bremsen und schnell um die Kurve zu fahren", sagt Vandoorne.

Viel Abtrieb, hohe Kurvengeschwindigkeiten. Das klingt ziemlich nach den Regeln, welche auch die Formel 1 für die nächste Regelperiode ab 2017 vereinbart hat. "Das freut uns alle. Als Fahrer willst du einfach von Runde eins bis zum Ende Vollgas geben", frohlockt Vandoorne daher auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com. Denn so er auch von der Super Formula schwärmt: Die F1 bleibt für den Belgier die Nummer eins.

Stoffel Vandoorne lässt in der Super Formula fliegen, Foto: McLaren/Twitter
Stoffel Vandoorne lässt in der Super Formula fliegen, Foto: McLaren/Twitter

Nervenkitzel für Fahrer vs. Rennaction für den Fan

"Die Formel 1 ist und bleibt schon die Königsklasse des Motorsports. Das Niveau ist sehr hoch, das Racing ist klasse. Du fährst gegen Weltmeister. Ich will dort immer noch hin und gebe alles dafür", sagt Vandoorne. Skeptiker befürchten wegen der neuen F1-Regeln jedoch das Ausbrechen der großen Langeweile. Mercedes' Toto Wolff schlug etwa vor, wegen der unter aktuellem Reglement gestiegenen klasse Rennen zum Saisonstart 2016, noch einmal alles zu überdenken.

Generell waren Kritiker davor, hohe Kurvengeschwindigkeiten und schnellere Autos insgesamt führten allein nicht unbedingt zu einer Verbesserung, könnten Überholmanöver sogar wieder erschweren. Entsprechend wird lautstark für mechanischen statt aerodynamischen Grip getrommelt, um die Dirty Air zu reduzieren.

Vandoorne: Cooles Vollgas-Erlebnis in Japan

Futter dafür liefern nicht nur Lehren der F1-Vergangenheit, sondern auch die Super Formula. "In Japan war das Rennen aufregend, aber es gab nicht so viele Überholmanöver. Vielleicht, weil die Kurvengeschwindigkeiten eben so hoch sind", berichtet Vandoorne Motorsport-Magazin.com. Ein weiterer Punkt sind jedoch die Reifen von Serienausrüster Yokohama. Deren Pneus unterscheiden sich grundlegend von jenen in der Formel 1.

"Nur, um ein Beispiel zu geben: Das Wochenende habe ich regelrecht mit nur einem Satz Reifen bestritten. Die Top-3 haben die Reifen nicht gewechselt und sind von Runde eins bis 44 Vollgas gefahren", beschreibt Vandoorne. Das entspricht einer Renndistanz von gut 250 Kilometern. Also annähernd so viel wie ein Formel-1-GP.

"Aber selbst wenn wir noch die zehn Runden mehr gefahren wären, hätten wir die Reifen nicht gewechselt und die Runden waren alle innerhalb einer halben Sekunde", erinnert sich Vandoorne. Für ihn sei das völlig anders gewesen als in der Formel 1 oder GP2. "Da musstest du mit Pirelli Reifen sparen. Hier war es jetzt Vollgas bis zum Ende. Das war eine andere Erfahrung, aber eine gute Erfahrung. Eine coole Erfahrung nach zwei Jahren GP2", schwärmt Vandoorne gegenüber Motorsport-Magazin.com von der Super Formula.

"Ich hatte Spaß. Die Sache ist einfach, dass wir pushen und Vollgas fahren wollen. Das ist der erste Instinkt jedes Rennfahrers - so schnell fahren wie es geht", ergänzt Vandoorne.

Vandoorne: Pirelli liefert dafür Top-Racing

Kritisiert wissen möchte der Youngster Pirelli damit jedoch nicht. Während Yokohamas haltbare Gummis wegen ihres nachhaltigen Vollgas-Potentials also offensichtlich die Fahrer mehr in Ekstase versetzen, ist der Pirelli womöglich für den Zuschauer der viel bessere Reifen. Zehn Stundenkilometer Kurvenspeed mehr oder weniger sieht der Fan mit bloßem Auge eben kaum. Rennaction dafür umso mehr. Genau hier setzt Pirelli seinen Stich - nicht zuletzt wegen der neuen Reifenregeln 2016.

"Mit den Pirelli-Reifen ist das Racing auf jeden Fall sehr spannend. Wir sehen viele Überholmanöver und du kannst den Autos sehr dicht folgen. Der Verschleiß ist ein Teil davon, das hat beim Überholen auf verschiedenen Strecken geholfen", sagt Vandoorne zu Motorsport-Magazin.com. Insgesamt scheint aber immer wieder das Racer-Gen durch: "Was Kurvengeschwindigkeiten angeht, fühlt es sich nicht so aufregend an ehrlich gesagt ..."

Vielleicht helfen da ja die neuen Reifen der Zukunft. Sechs Zentimeter vorne und acht hinten wird Pirelli 2017 zulegen. Doch kommt Vandoorne dann überhaupt in den Genuss? Noch hat er zwar viele Komplimente aus dem Paddock bekommen, aber ein Einsatzcockpit - trotz Interesses auch anderer Teams neben McLaren, so Vandoorne - in der F1 nicht sicher.

Welches besondere Talent ihm dabei jedoch helfen könnte und was das wiederum mit der Super Formula zu tun hat: