Der Große Preis von Russland hat sich für Staatsoberhaupt Wladimir Putin als ein enorm wichtiges Prestige-Ereignis etabliert. Im dritten Jahr seines Bestehens ist das Rennen mittlerweile zu einem seiner Aushängeschilder schlechthin geworden. Doch was ihm und seinem Land zur perfekten Inszenierung noch fehlt, ist ein schlagkräftiges Engagement im Feld der Formel 1. Mit Daniil Kvyat gibt es zwar einen Russen in der Formel 1, doch dieser stammt aus dem Kader von Red Bull. Russland will beweisen, dass auch sie einem Fahrer den Weg bis in die Königsklasse ebnen können.

Mit Sergey Sirotkin stieg im 1. Freien Training zum diesjährigen Grand Prix von Russland ein weiterer Russe in ein Formel-1-Cockpit - und zwar in das des Renaults von Kevin Magnussen. Und der erst 20-jährige schlug sich dabei mit dem 13. Platz beachtlich. Große Eingewöhnungsprobleme hätte der junge Nachwuchspilot allerdings auch nicht haben sollen, denn Sirotkin war bereits vor seinem Einsatz in Sochi längst kein Unbekannter mehr im F1-Fahrerlager.

Sirotkin im Cockpit des Renault R.S.16, Foto: Sutton
Sirotkin im Cockpit des Renault R.S.16, Foto: Sutton

Rückblende: Sirotkins erste Chance bei Sauber

Im Juli 2013 tauchte der Name des zu diesem Zeitpunkt erst 17-jährigen Sirotkin in Verbindung mit Sauber das erste Mal in der Formel 1 auf. Sauber, damals schon einmal in finanzielle Schieflage geraten, benötigte dringend zahlungskräftige Sponsoren. Mit Sirotkin sollten drei große, russische Investoren zum Team hinzustoßen und zur Entspannung der Finanzsituation beitragen.

Sergey Sirotkin: 2013 in Diensten von Sauber, Foto: Sutton
Sergey Sirotkin: 2013 in Diensten von Sauber, Foto: Sutton

Diese waren der 'Investment Cooperation International Fund', der 'State Fund of Development of North-West Russian Federation' und das 'National Institute of Aviation Technologies', dessen Vorsitzender kein geringer war als Sirotkins Vater. Doch das ganze Vorhaben verkam zur Luftnummer. Sirotkin wurde zwar immer wieder als möglicher Stammfahrer ins Spiel gebracht, hatte aber zunächst Probleme seine Superlizenz zu erlangen und blieb nach langem Hin und Her doch nur Reservist. Immerhin durfte er im Training zum Grand Prix von Bahrain 2014 ein Mal an einem Rennwochenende in den Sauber steigen, bevor die Bande zwischen dem schweizerischen Team und seinem russischen Nachwuchsfahrer endgültig rissen.

Jetzt bei Renault: Neuer Anlauf mit Hilfe von Putin

Kurz vor dem diesjährigen Grand Prix von Russland kam die Nachricht: Sergey Sirotkin, der die vergangenen beiden Jahre in der Renault World Series und in der GP2 (Gesamtrang drei) unterwegs war, würde im Training für Renault im Einsatz sein. Und bei einem einmaligen Ausflug soll es diesmal nicht bleiben. Von einer langfristigen Bindung und einer Rolle als offizieller Testfahrer ist die Rede, was langfristig natürlich auch zu einem Platz als Stammfahrer führen soll.

All das hört sich zunächst stark nach einer Wiederholung der Sauber-Geschichte an. Doch einen Unterschied gibt es: 2016 ziehen für Sirotkin andere Männer die Fäden im Hintergrund.

Einer von ihnen ist Boris Romanovich Rotenberg, ein alter Bekannter Putins. Der 59-jährige russische Bankier und der Mann an Russlands Spitze kennen sich schon lange: In den 60er und 70er Jahren trainierten Rotenberg und Putin gemeinsam Judo. Später gründete Rotenberg mit seinem älteren Bruder Arkadi die russische Unternehmensgruppe SGM Group.

Boris Rotenberg (zweite Person von rechts) tut viel für den Motorsport in Russland, Foto: Motorsport-Magazin.com
Boris Rotenberg (zweite Person von rechts) tut viel für den Motorsport in Russland, Foto: Motorsport-Magazin.com

Wer steckt hinter Sirotkins Comeback?

'SGM' steht für 'Stroy Gaz Montazh', also Bau, Gas und Montage. Hauptauftragnehmer des Unternehmens ist Gazprom, der ehemals größte Erdgasförder-Konzern der Welt. Für Gazprom führt die SGM Group den Bau von Öl- und Gasleitungen durch. Und auch beim Bau der Anlagen für die Olympischen Winterspiele 2014 in Sochi war die Firma Rotenbergs involviert. Über 20 Projekte mit einem Auftragsvolumen von geschätzt fünf Milliarden Euro sollen dort durchgeführt worden sein.

Im Jahr 2001 gründeten die Rotenberg-Brüder die SMP Bank. Das Institut ist mitterweile in über 40 russischen Städten vertreten und betreibt über 100 Filialen. Die finanziellen Voraussetzungen für die Beteiligung an einem Formel-1-Team sollten damit außer Frage stehen.

Und Rotenbergs geplantes Engagement in der Formel 1 kommt auch sonst nicht von ungefähr: Der Russe führt mit SMP Racing bereits seit 2013 ein eigenes Rennteam, das Fahrzeuge von Ferrari in der ELMS und der WEC einsetzt. Auch er selbst fuhr in der Vergangenheit schon als Amateur unter anderem in der Ferrari Challenge und bei den 24 Stunden von Daytona. Damit ist ihm eine ausgeprägte Affinität zum Rennsport nicht abzusprechen.

Umfangreiches Förderprogramm im russischen Motorsport

SMP Racing tritt bei den Sportwagen seit 2013 mit Ferrari an, Foto: Ferrari
SMP Racing tritt bei den Sportwagen seit 2013 mit Ferrari an, Foto: Ferrari

Zuletzt baute SMP Racing sein Programm massiv aus. Im Jahr 2014 wurde auf Initiative des Teams die SMP F4 Championship gegründet - eine nordeuropäische Formel 4 Serie, die hauptsächlich auf russischem Boden ausgetragen wird. Dazu gehört auch der ehemalige finnische Formel-1-Pilot Mika Salo, der als Coach für die jungen Fahrer fungiert und selbst bereits für SMP Racing im Sportwagen ins Lenkrad griff. Und das Team hat auch schon andere Fahrer bei ihren Karrieren im internationalen Motorsport unterstützt: In der IndyCar-Serie fährt beispielsweise der ehemalige GP2-Pilot Mikhail Aleshin mit Sponsoring von SMP.

Mit SMP Racings neuer Ausrichtung will Rotenberg Sirotkin nun zu seiner zweiten Chance in der Formel 1 verhelfen - und dieses Mal könnte es wirklich klappen. Schließlich gab es beim damaligen Renault-Werksteam schon einmal die Verbindung mit Russland. Vitali Petrov, der erste russische Stammfahrer in der Formel 1, stand in den Jahren 2010 und 2011 für zwei Jahre in Diensten des Renault- und später Lotus-Rennstalls.

Vitali Petrov gab 2010 für Renault als erster Russe sein Debüt in der Formel 1, Foto: Sutton
Vitali Petrov gab 2010 für Renault als erster Russe sein Debüt in der Formel 1, Foto: Sutton

Damit einher ging auch die Beteiligung des zum Renault-Konzern gehörenden, russischen Automobilherstellers Lada, deren Logo für einige Jahre auf den Formel-1-Rennern von Renault und Lotus prangte. Die Russland-Connection ermöglichte sogar Präsident Putin eine Ausfahrt in einem älteren Renault-Boliden, wenn auch nur auf dem Rollfeld eines Flugplatzes.

Sollten die Pläne rundum SMP Racing und Sirotkin aufgehen, könnten wir in der Saison 2017 erstmals zwei russische Piloten im Starterfeld der Formel 1 erleben. Dafür müsste Daniil Kvyat jedoch im Kampf um sein Red-Bull-Cockpit gegen Max Verstappen besser standhalten als bei seinem Heimrennen in Sochi.