Finanziell sowieso Spitzenklasse, jetzt auch wieder sportlich vorne dabei: Red Bull Racing mischt wieder mit im Konzert der ganz Großen der Formel 1. In Australien und Bahrain hatte mancher Beobachter der Königsklasse die starke Frühform Red Bulls noch mit den dort außergewöhnlichen Streckenbedingungen erklärt. Doch nun trumpht Red Bull auch beim China GP auf dem Shanghai International Circuit, einer sehr viel originäreren Rennstrecke, auf.

Mit den Plätzen drei und vier hinter Nico Rosberg im Mercedes und Sebastian Vettel im Ferrari, aber vor deren, zugegeben massiv vom Pech geplagten, Teamkollegen Lewis Hamilton und Kimi Räikkönen, lassen Daniel Ricciardo und Daniil Kvyat das Potential ihres Red Bull RB12 sogar noch mehr aufblitzen als zuletzt. "Unsere Pace war sehr stark. Dieses Resultat auf einer Strecke, auf der wir uns nicht so stark erwartet haben, zu erzielen, ist echt großartig", jubelt der drittplatzierte Kvyat. "Dany ist ein fantastisches Rennen gefahren, in dem er in einem großen Teil des Rennens direkt mit Sebastian (Vettel) gekämpft hat", lobt Teamchef Christian Horner.

Für den Russen ist es erst das zweite Podium in der Formel 1 nach Ungarn 2014. "Es ist wirklich exzellent, wieder Champagner zu schmecken. Ungarn fühlte sich schon so weit weg an", sagt er. Für Kvyat selbst läuft das Rennen nahezu ideal, wenngleich er nach einem guten Start schon in der ersten Kurve indirekt in eine heikle Szene verwickelt ist: Als "selbstmörderischen Torpedo" verflucht Vettel Kvyats Attacke in Kurve eins, die den Deutschen ausweichen lässt und in eine Kollision mit Räikkönen treibt. Später spricht er von einem normalen Rennzwischenfall. So sehen es auch die Stewards.

Klärungsbedarf bei Sebastian Vettel und Daniil Kvyat, Foto: Sutton
Klärungsbedarf bei Sebastian Vettel und Daniil Kvyat, Foto: Sutton

Kvyat: Aktion in Kurve eins hat Podium erst ermöglicht

Kvyat sowieso: "Das Rennen hat heute richtig Spaß gemacht. Die ersten Kurven waren echt gut. Ich denke, das Manöver gegen Vettel war fair. Ich habe die Lücke gesehen und habe versucht, sie zu nutzen. Wir haben uns nicht berührt. Für mich war es ein ganz logisches Manöver, das das Podium vielleicht erst möglich gemacht hat."

Insgesamt auf jeden Fall ein super Boost für seine Seite der Garage, nachdem Kvyat wesentlich bescheidener in die Saison gestartet war als Teamkollege Riccirado. "Ich bin heute ein sehr zufriedener Mann. Schön, mit diesem Gefühl zu meinem Heimrennen in Russland zu reisen", sagt Kvyat. Dafür und den Rest der Saison verspricht sich der Russe sogar noch bessere Aussichten. "Das Auto läuft wirklich gut, das Chassis ist leicht fahrbar und mit weiteren Updates für die Power Unit in der Pipeline sollten wir bald in einer noch stärkeren Position sein", sagt Kvyat.

Ein Reifenschaden warf den Führenden Ricciardo weit zurück, Foto: Sutton
Ein Reifenschaden warf den Führenden Ricciardo weit zurück, Foto: Sutton

Ricciardo mit glänzendem Comeback

Dass eine starke Position allein jedoch nicht immer alles ist, erweist an diesem Sonntag der Rennverlauf Daniel Ricciardos. Nach dem glänzenden Qualifying fliegt der Australien gleich am Start von P2 vorbei an Polesitter Nico Rosberg, führt das Rennen an. Aber nur drei Runden. Dann passiert es: "Am Anfang lagen da ein paar kleine Teile rum. Es sah nicht so aus, als hätte ich ein großes Teil erwischt. Deshalb war es ziemlich unerwartet, als ich durch die Kurven 11 und 12 gefahren bin und gemerkt habe, dass das Heck angefangen hat zu rutschen. Also habe ich gedacht, die Reifen würden eingehen", beschreibt Ricciardo.

Selbst für den reifenfressenden Kurs in China wäre ein so schnell und so dramatisch einbrechender Supersoft schließlich völlig überraschend. Tatsächlich leigt der Fehler an anderer Stelle: Reifenschaden hinten links! "Auf der Geraden habe ich dann den Platten bemerkt, als das Auto angefangen hat zu springen und sich der Reifen verabschiedet hat", sagt Ricciardo. Glück für den Australier: Die Boxeneinfahrt ist nicht mehr fern. Aber falsch gedacht: Das Safety Car kommt die entscheidenden Minuten zu spät, Ricciardo verliert ohne Ende Zeit, ist nur noch auf Rang 17.

"Das Safety Car hat uns noch weiter zurückgeworfen. Das war doppeltes Pech. Es hat sich angefühlt, als hätte mich ein Schwergewichtler in den Magen geboxt. Von P1 auf P17 zurück ist schon hart", schildert Ricciardo in seiner gewohnt lässigen Art. Die hat er nicht verloren. Denn was nach dem Doppel-Tiefschlag passiert, ist genial.

Im Duell mit Ferraris Kimi Räikkönen hatte Daniel Ricciardo im Red Bull diesmal die Nase vorne, Foto: Sutton
Im Duell mit Ferraris Kimi Räikkönen hatte Daniel Ricciardo im Red Bull diesmal die Nase vorne, Foto: Sutton

Ricciardos P4-Abo

"In der zweiten Rennhälfte bin ich dann das vielleicht beste Rennen meines Lebens gefahren. Ich glaube, da habe ich nichts liegen gelassen", kommentiert Ricciardo sein Comeback, das ihm im Ziel noch Platz vier bringt - vor Hamilton, vor Räikkönen, nur sechs Sekunden hinter Kvyat. "Daniel hatte sehr viel Pech, die Führung zu übernehmen, aber dann sich dann wegen ein paar Trümmern einen Platten einzufangen. Aber dann war es eine fantastische Aufholjagd", jubelt Horner.

Angesichts der verpassten Chance ist die Stimmung beim 'Honigdachs' dennoch leicht getrübt. "Ich bin mir sicher, dass der zweite Platz drin gewesen wäre, denn das Auto war gut. Ich habe mich heute so gefühlt, als dürfte ich Champagner sprühen. Deshalb ist ein bisschen unzufriedenstellend", sagt Ricciardo.

"Ein Teil von mir lächelt trotzdem, weil ich optimistisch bin, dass es dieses Jahr noch passieren wird", ergänzt Ricciardo, bislang in allen drei Saisonrennen Vierter und damit starker WM-Dritter - nur drei Punkte hinter Hamilton, aber drei vor Vettel. Dabei kann es nach Ansicht Ricciardos gerne bleiben - wenn nicht sogar noch mehr möglich ist.

Auch Lewis Hamilton steckte Daniel Ricciardo in China weg. Das soll jetzt öfter passieren ..., Foto: Sutton
Auch Lewis Hamilton steckte Daniel Ricciardo in China weg. Das soll jetzt öfter passieren ..., Foto: Sutton

Jetzt will Red Bull auch Mercedes angreifen

"Das Paket ist echt vielversprechend. Bisher haben wir jedes Wochenende irgendwo unsere Stärke gezeigt. Wir hätten nicht gedacht, diese Stärke schon so früh in der Saison zu haben. Wir haben nicht die Pace von Mercedes, aber soweit weg sind wir nicht. Das ist ein echt gutes Gefühl, ich kämpfe weiter", sagt Ricciardo.

Christian Horner sieht Red Bull ebenfalls klar im Aufwärtstrend. "Die Lücke wird kleiner. Wir haben einen guten Job gemacht - am Chassis und mit dem Motor. Da gab es im Winter viele Fortschritte und es kommt noch mehr. Wir stecken zwischen den ersten beiden Teams, haben heute mit Ferrari gekämpft", sagt Horner.

"Dritter und Vierter im Ziel, viele Punkte - einfach ein großartiger Tag, besonders nach dem unglücklichen Start. Das hätten wir hier nicht gedacht. Theoretisch hätte es keine super Strecke für uns sein sollen. Wir würden uns auch mal auf ein nasses Rennen freuen ...", kündigt Horner weitere Großtaten Red Bulls an.