Es ist ein Übergangsjahr für Renault in der Formel 1. Doch mit dem letzten Platz will sich der Weltkonzern auf lange Frist dann doch nicht abfinden. Im gesicherten Mittelfeld möchte Renault 2016 durchaus unterwegs sein. Anfang der Saison war das auch durchaus der Fall, doch in China ging es plötzlich ganz weit nach hinten. Ändert sich das beim kommenden Russland GP nicht, wird sich Renault im weiteren Verlauf der Saison relativ sicher schon fast vollständig auf 2017 konzentrieren. Doch alle sind zuversichtlich, in Sochi wieder auf das Niveau aus Australien zu finden, sprich zumindest an den Top-10 anzuklopfen.

Das letzte Rennen: Palmer Letzer

In China lief für Renault rein gar nichts zusammen. Jolyon Palmer sah die Zielflagge als abgeschlagener Letzter, auch Kevin Magnussen blieb mit P17 weit unter den Erwartungen. Angesichts dessen sprach Palmer gar vom schlechtesten Rennwochenende seiner Karriere. "China war von Anfang an ein hartes Wochenende für uns", hadert auch Renndirektor Frederic Vasseur.

Bilanz der ersten drei Saisonrennen:

Grand Prix Fahrer Platzierung Rückstand
Australien GPJolyon Palmer11.+1:23.399
Kevin Magnussen12.+1:25.606
Bahrain GPKevin Magnussen11.+1 Runde
Jolyon PalmerNicht gestartet-
China GPKevin Magnussen17.+1 Runde
Jolyon Palmer22.+1 Runde

Die Neuerungen: Problem-Analyse & Sirotkin-Einsatz

Seit dem vergangenen Desaster in China standen in den Renault-Fabriken die Uhren nicht mehr still. Das ganze Team arbeitete eifrig daran, die Probleme zu ergründen und zu beheben. Am Ende standen zwei Hauptthesen. Argumentationskette eins, verrät nun Vasseur selbst: Der Aufhängungsschaden am Auto von Kevin Magnussen im Training habe zu wenig Streckenzeit geführt, das zu Schwierigkeiten bei Reifenwahl und Setup-Einstellung sowie keinen Vergleichstests mit dem zweiten Auto.

Bob Bell schildert den zweiten Faktor, ebenfalls das Setup betreffend. Man sei einfach in die falsche Richtung gegangen. Das habe man jetzt erkannt. "Wir hatten - wie andere Teams auch - ein Problem, dass die Strecke von Freitag auf Samstag ganz anders wurde, sodass uns die Informationen vom Freitag zu einem Rennsetup verleitet haben, das am Sonntag nicht brauchbar war. In der Essenz haben wir einfach die falsche Richtung in Sachen Balance eingeschlagen und haben darunter gelitten", gesteht der Technik-Chef.

Abgesehen von alldem müsse sich Renault auch schlichtweg in Sachen Performance steigern - überall. "Wir sehen uns jedes kleine Detail an. In Viry wird jedes Detail der Power Unit angesehen und in Enstone jeder Aspekt des Chassis. Es ist keine Frage eines Bereichs, es ist eine Frage überall, bei jedem Detail anzusetzen. Wir wissen, dass wir da viel zu zun haben", sagt Vasseur. Bell ergänzt: "Wir haben kein spezifisches Problem mit unserem Auto. Es ist ein Fall von nötigen Grip- und Downforce-Verbesserungen, denn hier sind uns unsere Rivalen voraus. Das ist das Resultat unseres späten Entwicklungsstarts", erklärt Bell. Man müsse sowohl bei aerodynamischem wie mechanischem Grip deutliche Fortschritte erzielen.

Die Power Unit steht bei Renault unterdessen schon vor dem Kanada-Update wundersam wenig in der Kritik. Im Gegenteil. Managing Direktor Cyril Abiteboul sieht die Verbesserung am Aggregat gar als Vorbild für den Rest des Autos: "Wir können aus der guten Arbeit am Motor Inspiration ziehen. Das müssen wir jetzt beim Chassis reproduzieren. Wir müssen die Gesamtperformance verbessern", sagt der Franzose.

Helfen soll dabei in Russland ein neuer Mann im Cockpit. Sergey Sirotkin darf in seiner russischen Heimat ins Renault-Cockpit steigen. Der Testfahrer übernimmt im FP1 den R.S.16 von Kevin Magnussen. Es ist erst der zweite Einsatz an einem Rennwochenende, nach einer Ausfahrt im Sauber 2014, ebenfalls in Russland. "Ich bin voll darauf aus, so viel wie ich kann zu lernen - und so schnell wie ich kann, um im FP1 den bestmöglichen Job für das Team zu machen", sagt der 20-Jährige.

"Sergey ist einer der am meisten versprechenden Fahrer der Juniorkklassen. 2016 ist er etwa in einer guten Ausgangsposition für den Titel in der GP2", lobt Vasseur. "Er ist im Sochi Autodrom schon im GP2-Auto gefahren, also sind wir sicher, dass er dieses Wochenende einen guten Job für uns erledigen wird."

Die Erwartungen: Zurück zur Melbourne-Pace

Das muss Sirotkin auch. Noch einen dürftigen Vergleichstest mit dem Palmer-Auto will Renault wohl kaum in Kauf nehmen. Die Einsatzfahrer jedenfalls haben keine Lust, weiter hinterher zu fahren. "Mein oberstes Ziel ist, zurück zu dem Performance-Level von Melbourne zu finden, wo ich mit dem Auto zufrieden war, weil wir im Q2 waren und es im Rennen fast mit beiden Autos in die Punkte geschafft hätten", sagt Palmer. Leider habe er das zuletzt nicht wiederholen können.

Gigantisch sind die Hoffnungen für Sochi jedoch nicht. "Wir wissen, dass Russland nicht unbedingt der beste Kurs für uns ist", gesteht Palmer. "Aber ich konzentriere mich einfach auf meine eigene Performance, um hinter dem Lenkrad das absolute Maximum herauszuholen." Renndirektor Vasseur ist dennoch sicher, dass sich China nicht wiederholt. Ohne Probleme sei ein solches Desaster kaum möglich. Vasseur: "Allein deshalb erwarten wir in Sochi eine Verbesserung gegenüber China, ganz klar."

Darauf vertraut schließlich auch Palmer. "Wir analysieren alles, um sicherzustellen, dass wir jede nur erdenkliche Lektoren von dem Wochenende lernen. Wir haben gekämpft, also geben wir alles, um zu verstehen, warum. Wir haben gute Fortschritte gemacht und können sicherlich Besseres als in Shanghai erreichen", sagt ein dann doch irgendwie optimistischer Brite.

Die Statistik: Renault beim Russland GP

SiegePolesSchn. RundenPodiumPunktekm geführt
Renault/Lotus - --- 6-
Kevin Magnussen - --- 10-
Jolyon Palmer - --- --

Renault/Lotus: Team und Fahrer beim Russland GP

Renault in Russland: Für Lotus, Vorgänger-Team Renaults, lief es bei dessen zwei Gastspielen in Russland mäßig. Gerade einmal sechs Punkte aus zwei Jahren stehen auf dem Zettel. Die holte Pastor Maldonado mit Platz sieben im vergangenen Jahr im Alleingang. Romain Grosjean schied nach einem spektakulären Abflug in die Bande aus. 2014 war der Bolide zu schwach, um von Punkten auch nur zu träumen. Nicht nur das: Eine teaminterne Startkollision erstickte bereits früh den kleinsten Hoffnungskeim.

Kevin Magnussen in Russland: Kevin Magnussen erzielte in seinem McLaren-Jahr 2014 ein starkes Ergebnis in Sochi: Platz fünf für den Dänen - allerdings klar geschlagen von Teamkollege Jenson Button.

Jolyon Palmer in Russland: Jolyon Palmer reist alles andere als ohne Rennerfahrung nach Sochi. Im Vorjahr sammelte er im ersten Training erste F1-Erfahrung. Zu mehr als neun Runden reichte es im Lotus jedoch nicht. Allerdings startete Palmer bereits 2014 mit der GP2 in Russland - und siegte. Im zweiten Rennen setzte es allerdings nur Rang zehn.

Renault würde gerne im Formationsflug in die Punkte rasen - die Aussichten sind mittelprächtig, Foto: Sutton
Renault würde gerne im Formationsflug in die Punkte rasen - die Aussichten sind mittelprächtig, Foto: Sutton

Die Prognose: Besserung in Sicht

  • Pace-Problem in China identifiziert
  • Gesamtpaket weiter zu schwach für Punkte
  • Stärkes Resultat aber absolut möglich
  • Magnussen muss im ersten Training zuschauen
  • Beide Piloten mit Rennerfahrung in Sochi

Motorsport-Magazin.com meint: Renaults Wochenende in China war durchaus massiv von dem Schaden am Auto Kevin Magnussens beeinträchtigt. Entsprechend ist die wahre Performance auf jeden Fall besser als zuletzt gesehen. Dass es jedoch endlich zum ersehnten ersten Punkt reicht, ist unwahrscheinlich. Zwar fehlt mit ein wenig Glück tatsächlich keine Welt, doch sind einfach zu viele Teams noch eine Ecke stärker, alss dass Renault selbst bei einem chaotischen Rennen abstauben könnte. (Jonas Fehling)