Das Interview wurde von Laureus geführt.

Wie sind Ihre Vorschläge, um den Sport zu verbessern, ihn aufregender zu machen?
David Coulthard: Wo soll ich anfangen? Da geht es nicht nur um ein paar Sätze. In Sachen Regeln gibt es einiges zu diskutieren. Ist die Art, wie Entscheidungen getroffen werden, die richtige? Es hat sich gezeigt, dass es nicht wirklich funktioniert, denn es werden Dinge forciert, die die Teams nicht wollen. Andere Sachen scheinen aus einer Laune heraus zu passieren, wie der Wechsel beim Qualifying.

Es ist leicht, Kritik zu üben, wenn man nicht selbst in der Position ist. Wenn wir es genau betrachtet, geht es in der F1 darum, Menschen und Maschinen unter bestimmten Regeln zusammenzubringen. Die schnellsten Teams, Autos und Fahrer ringen auf globaler Bühne, um zu sehen, wer der Champion ist. Wenn man Regeln ändert, um die Hersteller bei der Stange zu halten, erhöht das die Kosten, denn dann wechselt man Motoren und das Chassis. Es muss eine riesige Menge Geld investiert werden, bevor man überhaupt auf der Strecke ist.

Die Diskussion dreht sich um Kostenreduktion, -limits und Ähnliches. Im Geschäftsleben hat man auch keinen finanziellen Deckel. Ich persönlich denke nicht, dass man die Formel 1 derartig begrenzen sollte. Wenn man einsteigen kann und sich finanziell existenzfähig und effizient strukturiert, ist Großes möglich.

Schauen Sie sich Red Bull Racing an. Wer hätte gedacht, dass eine Energy-Drink-Firma vier WM-Titel in Folge gewinnen kann? Aber sie haben es getan. Nicht, weil sie eine tolle Fabrik und einen traditionsreichen Namen haben, sondern weil sie gute Leute in ein Team voller energiegeladener Menschen geholt haben, die Sache angepackt und schließlich dominiert haben. Als sie ein Kundenteam von Renault waren, hatten sie weder den besten noch den schlechtesten Motor. Aber sie waren in der Lage, die anderen Teile des Autos zu beeinflussen.

Es gibt keine schnelle Antwort auf Ihre Frage. Leider ist alles so politisch, finanziell motiviert. Jeder versucht, ein größeres Stück vom Kuchen und mehr Kontrolle zu bekommen. Das kommt öfter mal vor und dann leidet jedes Mal der Sport darunter und entsprechend die Fans. Wenn Sie alle Leute wegnehmen, die derzeit in den Entscheidungsprozess der F1 involviert sind, wie groß wäre die Chance, dass die Nachrücker nicht genauso sind? Dass nicht ebenfalls alle nach ihrem persönlichen Gewinn streben, nach dem größten Stück vom Kuchen, um ein schnelleres Auto bauen zu können oder den Investoren mehr zurückgeben zu können.

Für mich ist die Formel 1 ein direktes Abbild des Lebens und der Business-Welt des Sports. Denn wenn im täglichen Leben Ihr Konkurrent von nebenan nicht genauso erfolgreich ist wie Sie, dann gehen Sie auch nicht plötzlich hin und geben ihm Geld oder Tipps, wie er erfolgreicher sein kann, oder doch? Sie sehen zu, wie er weiter kämpft und pleite geht oder einen Weg der Restrukturierung findet.

Das Business der Formel 1 sollte genauso sein. Ja, es soll auch unterhalten, aber es gibt viele Formel-Serien, die nicht die Aufmerksamkeit der F1 haben. Das liegt nicht daran, dass das Racing in der Königsklasse besser wäre, sondern dass sie für etwas steht. Wir wissen, wir sehen dort die schnellsten Autos mit der meisten Technologie mit den vermutlich besten Fahrern, die den Sport in immer neue Höhen treiben.

Was käme nach Ecclestone und Todt, fragt David Coulthard, Foto: Sutton
Was käme nach Ecclestone und Todt, fragt David Coulthard, Foto: Sutton

Es gibt die GP2, dann gibt es noch viele weitere Formel-Serien, die großartiges Racing bieten und viel erschwinglicher sind. Aber Sie bekommen keine 120.000 Leute dazu, GP2 oder GP3 zu schauen, denn die wissen, dass sie dort die zweite Liga sehen. Das ist dasselbe mit der englischen Premiere League im Fußball. Die Leute wollen die Elite sehen, denn es zieht sie zum höchsten Level und das ist die Formel 1.

Die Fahrervereinigung GPDA hat, was eher ungewöhnlich ist, ihre Meinung gesagt, wie der Sport laufen sollte. Sonst ging es dort doch eher um Sicherheitsfragen. War das ein besonderer Moment?

David Coulthard: Ja, das war es. Und ja, es ging früher eher um Sicherheit. Aber es war jetzt einfach ein gewisser Punkt erreicht. Wenn man sich die Repräsentanten des kommerziellen Rechteinhabers anschaut, würden die sagen: Fahrer sind dumm und sollen sich auf das Fahren konzentrieren. Die FIA würde sagen: Die Fahrer haben keine Ahnung, wie das Management dieses Sports funktioniert. Und die Teams tendieren dazu, überhaupt nichts Geringschätzendes über die Fahrer zu sagen, denn die sind ihr wichtigstes Instrument. Wenn Du das Auto auf der Strecke hast, brauchst Du jemanden, der es fährt.

Ich möchte niemandem zu nahe treten, der irgendein Unternehmen führt, egal ob geerbt oder selbst erarbeitet, man muss liefern. Aber das hebt einen nicht funktionierenden Aspekt der F1 hervor, da fehlt Respekt. Das sollte aber die Haupt-Message des Sports sein. Schauen Sie sich an, was Nelson Mandela in seiner berühmten Rede für Laureus gesagt hat: Sport hat die Fähigkeit, die Welt zu ändern. Das klingt, als habe er es gesagt, weil solche Statements in Mode sind. Aber schauen Sie sich an, wie Sport Menschen vereint und zusammenführt und ihnen Hoffnung gibt. Sie denken dann für einen Moment an etwas anders als die Sorgen ihres Alltags.

Unter anderem Sebastian Vettel hatte zuletzt seine Stimme im Sinne der Fahrer erhoben, Foto: Sutton
Unter anderem Sebastian Vettel hatte zuletzt seine Stimme im Sinne der Fahrer erhoben, Foto: Sutton

Die Stimme der Fahrer repräsentiert Erfolg und Misserfolg. Sie sollte gehört und respektiert werden. Wenn Sie immer versuchen, die Leute klein zu halten, was passiert dann? Sie brechen diese Menschen oder sie machen einen Aufstand gegen Sie. Ich würde die Leute also eher mit Respekt behandeln und ihnen erlauben, eine Stimme zu haben, denn sie sind der Hauptgrund, warum Menschen Formel 1 schauen.

Wie stehen Sie zum neuen Reifen- und Qualifyingreglement?
(Anmerkung der Redaktion: Das Interview wurde geführt, bevor die Rückkehr zum Qualifying-Modus von 2015 beschlossen war.) David Coulthard: Ich habe nie jemanden sagen hören, dass wir ein anderes Qualifying brauchen, um mehr Rad-an-Rad-Racing zu bekommen. Daher war ich überrascht, dass das Format geändert wurde. Als Kommentator, der versucht, rüberzubringen, was auf der Strecke passiert, finde ich es ein bisschen frustrierend. Es sollte alles aufregender werden, daher war es enttäuschend, dass in den letzten zwei oder drei Minuten der Session niemand mehr draußen war und nichts passierte. Also ich denke nicht, dass das funktioniert.

Was die Reifen angeht: Eine neue Härte-Komponente mit zu den Rennen zu bringen, eröffnet natürlich neue Variationsmöglichkeiten für die Teams. Das sind allerdings die Worte der aktuellen Fahrer, denn ich war natürlich nie mit diesen Reifen unterwegs. Die Piloten sind allerdings vereint in ihrer Ablehnung der aktuellen Konstruktion der Reifen, denn die sind sehr temperaturempfindlich und man kann mit ihnen nicht pushen oder sie schonen, so wie wir es früher gemacht haben.

Ich will nicht als Pirelli-Kritiker angesehen werden, denn Pirelli hat nur das getan, was FIA und der Inhaber der kommerziellen Rechte verlangt haben - stark abbauende Reifen zu liefern. Aber offen gesagt ist das ein Wettbewerb unter Fahrern, Ingenieuren, Autos und Teams. Ich verstehe nicht, warum wir keinen Wettbewerb zwischen Reifenlieferanten haben.

Der Reifenverschleiß ist ein ständiges Thema in der Königsklasse, Foto: Sutton
Der Reifenverschleiß ist ein ständiges Thema in der Königsklasse, Foto: Sutton

Das Argument dagegen sind die Kosten, weil man testen und entwickeln muss. Ein weiterer Grund könnte die Frage sein, was passiert, wenn man für eine ganze Saison den falschen Reifen hat. Dann könnte es sein, dass beispielsweise Ferrari Probleme gegenüber kleineren Teams hat. Aber so ist das eben. Das McLaren-Team hat momentan wegen seiner Motorwahl auch zu kämpfen. Dann soll Honda eben einen besseren Motor liefern.

Ich persönlich denke, es sollte ein offener Wettbewerb sein, der dann Spitzenqualität liefert. Pirelli würde daran wachsen. Sie sind ein großartiges Unternehmen, aber sie könnten mehr. Aber es gibt derzeit keinen Anreiz, denn sie gewinnen so oder so jeden Grand Prix.

Eine persönliche Frage: Wie ist das Kommentieren im Vergleich mit dem Fahren? Vermissen sie den Wettbewerb?
David Coulthard: Ich hatte meine Zeit in der Formel 1. Ich bin 45 Jahre alt.

Wer ist ihr Lieblingsfahrer in der Geschichte der Formel 1 und warum?
David Coulthard: Ich bewundere eine ganze Reihe von Fahrern. Aus dem aktuellen Feld habe ich mit Jenson Button mehr Zeit verbracht als mit anderen Piloten, sodass er ein Kumpel ist. Aber ich sehe einige von ihnen in Monaco. Mit Daniel [Ricciardo] habe ich ein bisschen Zeit verbracht.

Für 2017 sind Regeländerungen geplant. Dadurch werden die Autos schneller, aber die Show nicht zwingend besser. Sind Sie damit einverstanden?
David Coulthard: Man macht die Autos potentiell schneller, aber wenn man immer noch dieselbe Art, Komponente und Struktur von Reifen hat, hat man immer noch das gleiche Problem. Sie sind das einzige, was den Boden berührt. Wenn sie diesen Reifen auf ein schnelleres Auto stecken, dann wird sich nichts ändern in Sachen Rad-an-Rad-Racing.

Wenn Sie jemanden von Pirelli danach fragen, wird er Ihnen einen plausiblen Grund dafür nennen. Jemand vom Management der Formel 1 wird Ihnen etwas anderes sagen, warum das seiner Meinung nach nicht passiert. Ich vertraue da den Fahrern. Sie haben keinen Grund, mir und anderen da falsche Informationen zu geben. Toll, macht die Autos schneller, aber wir müssen auch die aktuellen Reifen ändern und einen Standard-Verschleiß haben statt eines Temperatur-Verschleißes.

David Coulthard wünscht sich mehr enge Rad-an-Rad-Duelle in der Formel 1, Foto: Sutton
David Coulthard wünscht sich mehr enge Rad-an-Rad-Duelle in der Formel 1, Foto: Sutton

Inwieweit berührt der neue Qualifikations-Modus die Vorbereitung der Fahrer und inwieweit berührt er die Fans?
David Coulthard: Nun, es gibt mehr Action auf der Strecke, wenn die Fahrer immer eine Zeit auf dem Zettel haben müssen, bevor die 90 Sekunden um sind. Mental übt das mehr Druck auf die Fahrer aus, früher zu liefern. Aber letztlich war es immer irgendwie das gleiche Ding. Du musst schnell sein. Du musst liefern. Der Prozess, diese eine Runde hinzubekommen, hat sich nicht wirklich geändert. Man hat nur mehr Autos auf der Strecke in kürzerer Zeit.

Die Rundenzeiten der Autos sind derzeit etwa auf dem Level von 2013. Denken Sie, es ist in diesem Zusammenhang richtig, mit den neuen Regeln die Autos schneller zu machen? Schließlich haben wir erst vor kurzem in Bahrain eine historisch schnellste Runde gesehen.

David Coulthard: Historisch gesehen gibt es bei Regeländerungen immer ein Team, dass es richtig macht und andere verbringen die nächsten Jahre damit, aufzuholen. Das ist ein guter Punkt, den Sie da nennen. Der Sport ist jetzt in seinem dritten Jahr mit Hybrid-Motoren. Es geht jetzt darum, ein bisschen mehr Rad-an-Rad-Action zu ermöglichen, als schon wieder mit etwas ganz anderem zu kommen. Aber das liegt in der Hand der Regelmacher. Die Fahrer wollen nur schnelle, herausfordernde Autos und enges Racing. Andere Aspekte der Regeln interessieren sie nicht.

So lief das Qualifying-Chaos 2016

23.02.2016: Strategiegruppe denkt sich neues Knockout-Quali aus

24.02.2016: F1-Kommission stimmt zu, FIA bestätigt neuen Modus

27.02.2016: Ecclestone-Boykott: Technisch angeblich frühestens in Spanien umsetzbar

01.03.2016: Teamchefs diskutieren am Rand der Testfahrten Für und Wider

03.03.2016: Neue Hybrid-Idee kommt auf: K.O.-Modus nur in Q1 & Q2, Q3 wie früher

04.03.2016: WMSC bestätigt final vollständigen K.O.-Modus ab Saisonstart

19.03.2016, Melbourne: Quali-Desaster, große Kritik am neuen Format

20.03.2016, Melbourne: Teamchefs stimmen geschlossen für sofortige Rückkehr zum 2015er Format

24.03.2016: Abstimmung der F1-Kommission: Rückkehr steht nicht zu Wahl, stattdessen wieder der Hybrid-Modus. Der wird abgelehnt, zweite Chance für K.O.-Quali in Bahrain

02.04.2016, Bahrain, morgens: FIA-Präsident Todt verteidigt zweite Chance

02.04.2016, Bahrain, nachmittags: Zweiter Versuch floppt ebenfalls

03.04.2016, Bahrain, morgens: Teamchefs fordern erneut sofortige Rückkehr zu 2015er Modus; Ecclestone und Todt lehnen ab, Additions-Quali als Gegenvorschlag

07.04.2016, morgens: Abstimmung der Strategiegruppe über Additions-Quali oder K.O.-Quali in China; Rückkehr zum 2015er Format steht erneut nicht zu Wahl; Entscheidung pro K.O.-Quali

07.04.2016, nachmittags: Protestbrief an Ecclestone und Todt; Teams fordern Rückkehr zum 2015er Format

07.04.2016, abends: Ecclestone und FIA kommen zur Besinnung; 2015er Quali in China