Maurizio Arrivabene lieferte in Bahrain einmal mehr das Zitat des Wochenendes: "Wir wollten sehen, wie viel Viagra sie nehmen müssen: 250 oder 500er?" Der Ferrari Teamchef wollte damit ausdrücken, dass Ferrari im letzten Qualifikations-Abschnitt Mercedes unter Druck setze wollte, um zu sehen, wie viel Reserven Mercedes noch hat.

Arrivabenes Fazit fällt positiv aus: "Wir haben herausgefunden, dass es 500 Milligramm Viagra waren - es ist gut, wenn sie viel brauchen." Dabei fehlten den Ferrari-Piloten rund fünf Zehntelsekunden auf die Pole Position von Lewis Hamilton. Im Rennen überquerte Kimi Räikkönen die Ziellinie rund zehn Sekunden hinter Sieger Nico Rosberg. Und das nach einem durchwachsenen Start des Finnen. Doch wie gut ist Ferrari wirklich? Wie weit muss sich Mercedes strecken? Oder in anderen Worten: Wie viel Viagra muss Mercedes nehmen?

Eine Sache steht fest: Ferrari hat weiterhin Probleme mit dem Motor. Die Analyse von Melbourne hat bereits gezeigt, dass die Ferrari Power Unit bei der Leistung deutlich hinterher hinkt. Die Geschwindigkeitswerte beim Saisonauftakt waren sogar schlechter als im vergangenen Jahr. Die anderen Motorenhersteller haben bei der Geschwindigkeit zugelegt.

Ferrari: Boost-Modus im Rennen unwirksam

In Bahrain zeigte sich Ferrari stärker. Sowohl im Vergleich zur Konkurrenz, als auch im Vergleich zum Vorjahr. Doch ganz so einfach ist es nicht: Ferrari bekam in Bahrain einen neuen Power-Modus. Problem Nummer eins: Die Diskrepanz zwischen Qualifying und Rennen.

Sektor 1 ist Mercedes-Sektor, Foto: FIA
Sektor 1 ist Mercedes-Sektor, Foto: FIA

Bahrain ist prinzipiell eine Power-Strecke. Sektor eins und drei bestehen hauptsächlich aus langen Geraden und engen Kurven. Nur Sektor zwei ist winkliger. Im Qualifying verliert Ferrari gleichmäßig über die Sektoren verteilt Zeit auf Mercedes. Anderthalb Zehntel in Sektor eins, zwei Zehntel in Sektor zwei, zwei Zehntel in Sektor drei.

Im Rennen zeigt sich ein deutlich anderer Trend: Rosberg ist im ersten Sektor deutlich schneller als Räikkönen, im Mittelsektor holt der Finne die Zeit wieder zurück. Im letzten Sektor herrscht in etwa Gleichstand. Als Referenz dienen die letzten Stints von Räikkönen und Rosberg im Rennen, beide stoppten ähnlich und fuhren das Rennende auf neuen Soft-Reifen. Das zeigt: Im Qualifying ist Ferrari Mercedes durchaus näher gekommen, was Leistung angeht. Im Rennen allerdings fehlt noch deutlich Power.

Mittelwerte letzter Stint Rosberg vs. Räikkönen

Sektor 1 Sektor 2 Sektor 3 Runde
Rosberg 30.275 42.226 23.824 1:36.325
Räikkönen 30.489 41.993 23.787 1:36.270
Differenz (s) + 0.214 - 0.233 - 0.037 - 0.055

Interessant sind auch die Vergleiche zwischen Nico Rosberg und Kimi Räikkönen und Lewis Hamilton und Kimi Räikkönen. Der Brite fuhr ab Kurve eins mit einem beschädigten Auto. Laut Mercedes-Analysen soll der Schaden Hamilton 0,8 bis 1,5 Sekunden pro Runde gekostet haben. Selbst bei einer halben Sekunde pro Runde im Renntrimm wäre Hamiltons Pace noch beeindruckend.

Bei 57 Runden ergäbe sich mit 0,5 Sekunden Handicap mehr als 25 Sekunden über die Renndistanz. Hamilton überquerte die Ziellinie 20 Sekunden nach Kimi Räikkönen. Die meiste Zeit verlor der Mercedes-Pilot aber nicht auf der Strecke, sondern in der Box. Alleine durch Räikkönens Undercuts verlor Hamilton rund zehn Sekunden. Dazu fuhr der Weltmeister im zweiten Stint auch noch den Medium-Reifen, der in Bahrain schlichtweg nicht funktionierte.

Auch der Vergleich mit Nico Rosberg ist trügerisch. Ja, Kimi Räikkönen war zwischenzeitlich recht nah am führenden Mercedes dran, aber: Rosberg gab nach dem Rennen selbst zu, kein einziges Mal im Rennen 'volle Kanone' gefahren zu sein. Er hat den Vorsprung nur verwaltet.

Dazu kommt - wie bei Hamilton - die Strategie. Rosberg hatte zwei langsame Stopps, zudem noch die Undercuts von Räikkönen. Rosberg hat dadurch über das Rennen hinweg rund 14 Sekunden verloren. Konservative Strategie, Auto schonen extrem: Das Rennergebnis mit 'nur' zehn Sekunden Rückstand trügt.

Dazu kommt Problem Nummer zwei: Die Zuverlässigkeit. Sebastian Vettel hat das Rennen nicht einmal starten können, weil sich der Motor seines Ferrari schon in der Einführungsrunde spektakulär verabschiedete. Noch ist unklar, was genau den Schaden verursacht hat, ebenso ist unklar, ob der Motor noch gerettet werden kann, oder ob Vettel in China schon das zweite Exemplar nutzen muss. Aktuell spricht man eher von einem neuen Motor.

Kimi Räikkönen musste schon beim Bahrain GP größtenteils auf eine neuer Power Unit zurückgreifen, nachdem er seinen Boliden in Melbourne brennend in der Boxengasse abgestellt hatte. Auch wenn es Teamchef Maurizio Arrivabene nicht sehen will, Ferrari hat ein Zuverlässigkeitsproblem. Ob das mit einem neuen Qualifying-Modus zu tun hat, ist unklar.

Übersicht der bereits genutzten PU-Komponenten 2016

ICETCMGU-KMGU-HESCE
Mercedes
Lewis Hamilton111111
Nico Rosberg111111
Ferrari
Sebastian Vettel1 (+1?)1 (+1?)1111
Kimi Räikkönen122212
Red Bull
Daniel Ricciardo111111
Daniil Kvyat111122
Williams
Felipe Massa111111
Valtteri Bottas111111

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TC - Turbo Charger, Turbolader
MGU-K - Motor Generation Unit - Kinetic
MGU-H - Motor Generation Unit - Heat
ES - Energy Store, Batterie
CE - Control Electronics, Steuergeräte

Das Fazit fällt deshalb durchwachen für Ferrari aus, auch wenn das Ergebnis auf den ersten Blick gut ist. Das durchwachsene Schlussfazit war auf der Power-Strecke in Sakhir nicht anders zu erwarten. Ferrari hat über den Winter vor allem am Chassis Hand angelegt. Der Motor musste den Formen der Aerodynamiker folgen, Kompromisse wurden beim Packaging gemacht.

Von allen Herstellern hat Ferrari noch am wenigsten Token für den Rest der Saison zur Weiterentwicklung der Power Unit zur Verfügung. Doch Zuverlässigkeits-Updates gibt es umsonst, außerdem kann man auch mit neun Token eine Menge ändern. Dazu kommt: Nicht jede Strecke ist so Power-intensiv.

Token-Übersicht Formel-1-Saison 2016

Hersteller Token benutzt Token übrig
Ferrari 23 9
Honda 18 14
Mercedes 19 13
Renault 7 25