In der 17. Runde des Großen Preises von Australien stockte allen Zuschauer der Atem. McLaren-Pilot Fernando Alonso war bei der Anfahrt zu Kurve drei auf den linken Hinterreifen von Esteban Gutierrez aufgefahren, verlor daraufhin die Kontrolle über seinen Wagen, überschlug sich im Kiesbett und krachte mit großer Wucht und die Streckenbegrenzung.

Der Unfall erinnerte frappierend an den Crash zwischen Ralf Schumacher und Jacques Villeneuve im Jahr 2001. Damals wie heute kamen beide Piloten weitestgehend unverletzt davon, vor 15 Jahren jedoch musste ein Streckenposten, der von einem umherfliegenden Reifen getroffen worden war, mit dem Leben bezahlen. Dazu kam es diesmal glücklicherweise nicht.

Alonso lobt Sicherheit

"Ich bin froh, dass ich am Leben bin", gab Alonso gegenüber den wartenden Journalisten in Melbourne zu, nachdem er sich der routinemäßigen Untersuchung im Medical Center unterzogen hatte. Abgesehen von ein paar Schmerzen am Knie, die vom Zusammenstoß mit der Lenksäule herrührten, blieb der McLaren-Pilot unversehrt. Angesichts der verheerenden Bilder des Unfalls ein mittelgroßes Wunder.

"Wir riskieren jedes Mal unser Leben, wenn wir ins Auto steigen, das dürfen wir nicht vergessen. Ich wusste gar nicht, wo ich bin, denn ich war so weit von der Strecke entfernt. Ich bin ziemlich weit geflogen, das war sehr erschreckend", erinnerte Alonso daran, dass die Formel 1 nach wie vor ein ausgesprochen gefährlicher Sport ist, wies im gleichen Atemzug jedoch daraufhin, wie sicher die Königsklasse mittlerweile geworden ist.

"Wir haben jetzt eine gute Sicherheit in der Formel 1 und müssen uns bei der FIA für die Arbeit in puncto Sicherheit in den letzten Jahren bedanken. Ich bin vermutlich dank der Arbeit in den letzten zehn oder fünfzehn Jahren am Leben", fand der 34-Jährige drastische Worte. "Das Auto ist komplett zerstört, aber das Monocoque ist wie neu. Das ist eine beeindruckende Leistung."

Alonso und Gutierrez blieben unverletzt, Foto: Sutton
Alonso und Gutierrez blieben unverletzt, Foto: Sutton

Alonso dachte an seine Mutter

An den Unfall selbst konnte sich Alonso auch einige Zeit danach noch ganz genau erinnern. "Von innen läuft alles langsamer ab", schilderte er die Sicht aus dem Cockpit. "Man sieht das Gras und den Himmel vorbeifliegen. Man möchte stoppen, aber es stoppt nicht, es geht immer weiter." Als der Spanier dann endlich zum Stehen gekommen war, erspähte er eine kleine Lücke, durch die er aus dem Wrack klettern konnte. "Ich bin schnell ausgestiegen, damit sich meine Mutter zuhause vor dem Fernseher keine Sorgen um mich macht", dachte er sofort an die Familie in der fernen Heimat.

Doch wie konnte es überhaupt zu dem spektakulären Unfall kommen? Alonso machte dafür eine Kombination mehrerer Dinge verantwortlich. "Ich habe den Windschatten so gut es ging ausgenutzt und versucht, ihn zu überholen", beschrieb er die Anfahrt zu Kurve drei hinter Gutierrez. "Ich habe versucht, ihn zu überholen, und bin im letzten Moment auf die Außenseite gegangen. Vielleicht war es ein bisschen zu spät, weil man im Windschatten so konzentriert ist und den Bremspunkt leicht verpassen kann."

Alonso konnte sich nach dem Unfall selbst aus dem Auto befreien, Foto: Sutton
Alonso konnte sich nach dem Unfall selbst aus dem Auto befreien, Foto: Sutton

Gutierrez nicht Schuld am Unfall

Dass Gutierrez Schuld an dem Unfall gehabt habe, weil der Mexikaner zu früh vom Gas gegangen sei, dementierte Alonso. "Nein, ich glaube nicht", verteidigte er den Haas-Piloten, der nach einem Jahr Pause seinen ersten Grand Prix fuhr. "Wenn er es tat, hat er versucht für seine eigene Rennlinie zu bremsen, und ich muss das erkennen", gab sich der Spanier selbstkritisch. "Es ist auch für ihn schwierig. Er versucht sich zu verteidigen und weiß nicht, was der Hintermann macht."

Eine Ursache für den Zusammenstoß sei laut Alonso die schlechte Sicht gewesen, die er aufgrund des dichten Hinterherfahrens hinter Gutierrez hatte. "Man ist im Windschatten so konzentriert, man sieht nur einen Heckflügel und hat nicht mehr Sicht auf die Strecke", erklärte der zweifache Weltmeister, der aber zum Fazit kam: "Es war ein Rennunfall, wir haben beide versucht zu kämpfen. Manchmal vergessen wir, dass wir mit 300 km/h fahren und jeder kleine Unfall schlimm ausgehen kann."

Eine ähnliche Sicht der Dinge vertritt auch Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner. "Es war genug Platz für Alonso, um links oder rechts vorbeizufahren. So etwas passiert. Wir können nur froh sein, dass alles glimpflich verlaufen ist", tat Danner den Crash ebenfalls als Rennunfall ab. Zur selben Entscheidung kamen auch die Renn-Stewards, die davon absahen, gegen einen der Piloten eine Strafe auszusprechen.

Der McLaren überschlug sich im Kiesbett, Foto: Sutton
Der McLaren überschlug sich im Kiesbett, Foto: Sutton

Button erleichtert

Beeindruckt von dem Abflug zeigte sich Alonsos Teamkollege Jenson Button, der an der Unfallstelle vorbeifuhr, aber erst während der folgenden Rennunterbrechung erkennen konnte, was passiert war. "Ich bin froh, dass er wieder ausgestiegen ist. Ich bin mir sicher, dass ihm das für mehrere Wochen nicht aus dem Kopf gehen wird. Es ist unglaublich, wie es die Autos einfach in die Luft schleudert, wenn sich die Räder berühren", sagte der Brite.

"Das ist einer dieser Vorfälle in der Bremsphase, bei dem alle wissen, dass so etwas passieren kann, wenn das Timing nicht ganz passt. Wenn ein Reifen den anderen berührt, dann hebt man ab. Es ist dasselbe wie bei einem Aufhängungsbruch. Dann ist es wie mit einer Patrone", zog Button einen plakativen Vergleich.

Vom McLaren blieb nicht viel über, Foto: Sutton
Vom McLaren blieb nicht viel über, Foto: Sutton

Diskussion über Halo

Für Diskussionen könnte der Unfall hinsichtlich der 2017 geplanten Einführung des Halo-Systems sorgen, denn wäre es Alonso auch mit dem Bügel über dem Cockpit gelungen, so schnell aus dem Wagen zu klettern? "Daran habe ich nicht gedacht, ein guter Punkt", gab der Spanier zu. "Wir müssen uns die Szenarien mit Halo und die Folgen ansehen. Ich kam sehr schnell und einfach aus dem Auto und man muss sehen, ob das anders gewesen wäre."

Halo soll 2017 eingeführt werden, Foto: Ferrari
Halo soll 2017 eingeführt werden, Foto: Ferrari

Button hingegen vertritt die Ansicht, dass es definitiv die richtige Entscheidung ist, Halo mit der nächsten Saison einzuführen. "Das Sicherheitsrisiko, von etwas am Kopf getroffen zu werden, ist größer als das, was passieren kann, wenn das Auto auf dem Kopf liegt. Es wäre sehr ungewöhnlich, wenn es ein Problem mit austretendem Sprit gäbe", betonte der Routinier. "Denn wir haben die Sicherheitszelle und auch die Art und Weise, wie die Benzintanks konstruiert sind, würde so etwas gar nicht passieren. Daher denke ich, dass es besser ist, ein Halo-System zu haben. Sie müssten aber dann das Auto umdrehen und es würde länger dauern, um ihn da heraus zu bekommen."

Bezüglich einer Sache waren sich aber alle Beobachter allerdings einig - der enormen Sicherheit, über die die modernen Formel-1-Boliden verfügen. "Schwer zu sagen, aber eher traurig", antwortete Niki Lauda vielsagend auf die Frage, wie zu seiner aktiven Zeit ein solcher Unfall ausgegangen wäre. "Man sieht Gott sei Dank, wie sicher diese Autos sind. Dass man da so aussteigt..."