Zur Formel-1-Saison 2016 debütiert beim Auftaktrennen in Melbourne ein neues Qualifying-Format. Nach langem Hin und Her hat sich die ursprüngliche Version des Knock-Out-Qualifyings, die von der Strategiegruppe während der Wintertestfahrten in Barcelona hervorgebracht wurde, durchgesetzt.

Und das neue Qualifying debütiert schon beim Australien GP, nicht erst beim fünften Rennen der Saison in Spanien, wie Bernie Ecclestone zwischenzeitlich ankündigte. Ecclestone schob im politischen Poker unfertige TV-Grafiken als Grund vor, warum das von ihm nicht unterstützte Format erst während der Saison kommen sollte.

Nun also doch schon zu Saisonbeginn, nun also doch die ursprüngliche Variante. Aber wie sieht die genau aus? Und was passiert, wenn...? In der Formel 1 kann alles passieren, für alle Fälle braucht es Prozeduren.

Das neue Qualifying-Format könnte für Spannung sorgen, Foto: Sutton
Das neue Qualifying-Format könnte für Spannung sorgen, Foto: Sutton

Das Prinzip ist inzwischen bekannt: Nicht mehr am Ende jedes Qualifying-Segments wird der Strich gezogen, sondern alle 90 Sekunden. Q1 dauert 16 Minuten, nach 7 Minuten scheidet der letztplatzierte Fahrer aus. Am Ende von Q1 sind 7 Fahrer ausgeschieden, 15 rücken vor in das zweite Qualifying-Segment. Q2 und Q3 funktionieren analog dazu, nur die Zeit wird erst auf 15, dann auf 14 Minuten verkürzt. Entsprechend wird auch die Zeit vor Knock-Out-Beginn um eine Minute kürzer.

Q1:

  • 16 Minuten
  • Nach 7 Minuten scheidet der langsamste Pilot aus
  • Danach scheidet alle 90 Sekunden der jeweils langsamste Pilot bis zum Fallen der Zielflagge aus
  • 7 Fahrer scheiden aus, 15 erreichen Q2

Q2:

  • 15 Minuten
  • Nach 6 Minuten scheidet der langsamste Pilot aus
  • Danach scheidet alle 90 Sekunden der jeweils langsamste Pilot bis zum Fallen der Zielflagge aus
  • 7 Fahrer scheiden aus, 8 erreichen Q3

Q3:

  • 14 Minuten
  • Nach 5 Minuten scheidet der langsamste Pilot aus
  • Danach scheidet alle 90 Sekunden der jeweils langsamste Pilot bis zum Fallen der Zielflagge aus
  • 2 Fahrer verbleiben in den letzten 90 Sekunden und duellieren sich um die Pole Position

Allerdings gibt es - wie immer - ein paar Feinheiten zu beachten. Wenn jeweils nach 90 Sekunden der Strich gezogen wird, darf der aktuell letztplatzierte Fahrer seine Runde nicht mehr beenden. Er ist ausgeschieden und muss zurück an die Box fahren. Am Ende jedes Qualifying-Segments funktioniert das anders. Beim Kampf um die Plätze 15, 8 und 1 dürfen angefangene Runden zu Ende gefahren werden, die Session ist zu Ende, wenn der letzte Fahrer die Zielflagge gesehen hat.

Wie kommen die Top-Teams mit dem neuen Format zurecht?, Foto: Sutton
Wie kommen die Top-Teams mit dem neuen Format zurecht?, Foto: Sutton

Was passiert, wenn...

... das Qualifying unterbrochen wird mit der Uhr?
Ab einem gewissen Zeitpunkt laufen in jedem Qualifying-Segment zwei Uhren parallel herunter. Eine, die die Gesamtzeit herunterzählt, eine, die den nächsten Knock-out-Schnitt herunterzählt. Wird die Sitzung unterbrochen, stoppen beide gleichzeitig. Bei Wiederaufnahme beginnen sie an der gleichen Stelle wieder abzulaufen.

... das Qualifying unterbrochen wird mit dem Letzten?
Braucht der aktuell Letztplatzierte beim Restart gar nicht mehr auf die Strecke zu gehen, weil er ohnehin keine ganze gezeitete Runde mehr schafft? Es ist in der Tat so. Er hat Pech und kann gleich in der Garage bleiben.

... mehrere Fahrer in Q1 keine Zeit gesetzt haben?
Wer scheidet als Erster aus? Vor dem Qualifying werden die Platzierungen aus dem dritten Freien Training in das System gespielt. Somit scheidet in diesem Fall derjenige aus, der in FP3 schlechter platziert war.

Kompliziert wird es aber danach: Weil die ausgeschiedenen Fahrer im Qualifying keine Zeit gesetzt haben, sind sie nicht innerhalb der 107-Prozent-Regel. Hier kommen die Stewards ins Spiel. Sie müssen entscheiden, ob die Piloten überhaupt startberechtigt sind. Durch Steward-Entscheidungen kann sich die Reihenfolge am Ende des Feldes noch ändern.

... zwei Fahrer die gleiche Rundenzeit haben?
Ein Fall, der nicht ganz unwahrscheinlich ist. In Jerez 1997 haben sogar drei Piloten im Qualifying exakt die gleiche Pole-Zeit gesetzt. Jacques Villeneuve, Michael Schumacher und Heinz-Harald Frentzen waren auf 0,000 Sekunden genau gleich schnell. Damals wie heute zählt, wer die Zeit als Erster gefahren ist. So läuft es auch beim Knock-Out.

Neues Qualifying als Chance für die kleinen Teams?, Foto: Sutton
Neues Qualifying als Chance für die kleinen Teams?, Foto: Sutton

Reaktionen auf das neue Qualifying

Das neue Format soll mehr Unsicherheits-Faktoren bringen und das Feld ein wenig durcheinanderwürfeln. Begeistert sind davon aber längst nicht alle. "Es schafft doch ein bisschen Verwirrung", fürchtet Sebastian Vettel. "Unterm Strich hoffe ich, dass am Ende immer noch der Schnellste ganz oben steht. Alles andere mag hier und da mal interessant sein, aber auf Dauer liegt es nicht im Sinne des Sports."

Noch fraglich ist, wie spannend das letzte Qualifying-Segment wird. Wenn es am Ende um die Pole Position geht, könnte es sein, dass kein Pilot mehr frische Reifen hat, weil er sie früher als beim vergangenen Format aufziehen musste, um nicht vorzeitig auszuscheiden. "Ich denke, dass etwa die letzten drei Minuten von Q3 langweiliger als in der Vergangenheit werden", meint deshalb Sergio Perez.

Ein weiterer Faktor mit dem neuen Qualifying-Format sind die Reifen. Weil es in diesem Jahr drei Mischungen an jedem Wochenende gibt, wittern die kleineren Teams auf den weichsten Reifen ihre Chance. Weil von den Etablierten aber keiner rausfallen will, müssen wohl auch die Top-Teams schon in Q2 die weichsten Reifen aufziehen.

Durch das Knock-Out-System können die Großen auch nicht mehr abwarten, wie sich die Strecke entwickelt und dann mit weicheren Reifen reagieren. Da die ersten Acht auf jenen Reifen ins Rennen starten müssen, auf denen sie ihre schnellste Runde in Q2 gefahren haben, wird es besonders brisant. Sie müssen in der Regel auf den weichsten Reifen, die schon einen Qualifying-Run auf dem Buckel haben, mit 100 Kilogramm Benzin an Bord ins Rennen starten. Sehr frühe Boxenstopps und ein durcheinandergewürfeltes Feld könnten die Folge sein.