Schlechte Nachricht für die Formel-1-Puristen und Ästheten: Der ungeliebte Cockpit-Schutz Halo wird wohl zur Formel-1-Saison 2017 eingeführt. "Wir haben es jetzt sehr ausführlich getestet und es bietet nun guten Schutz gegen herumfliegende Reifen", sagte FIA-Rennleiter Charlie Whiting beim Saisonauftakt in Australien.

Ferrari testete an den letzten beiden Tagen der Wintertestfahrten in Barcelona bereits eine Halo-Attrappe, um abschätzen zu können, wie sehr die Sicht der Fahrer dadurch beeinträchtig wäre. Kimi Räikkönen und Sebastian Vettel probierten den Halo-Aufsatz jeweils für wenige Installationsrunden. Das erste Urteil: Die Sicht ist nicht optimal, aber auch nicht besorgniserregend.

"Ich mag Halo, wie alle anderen, nicht besonders", sagte Alain Prost kürzlich im Exklusiv-Interview mit Motorsport-Magazin.com. "Aber auf der anderen Seite haben mich die Unfälle von Jules Bianchi und Henry Surtees sehr schockiert. Man muss offen sein, um Dinge besser zu machen, aber ich bin wirklich hin- und hergerissen. Es ist so hässlich und verändert die Formel 1, aber aus Sicherheitsgründen sollten wir die Teams an etwas arbeiten lassen, das akzeptabel ist."

Halo hätte Massa-Unfall nicht verhindert

Allerdings gibt es - abgesehen von der Ästhetik und der Formel-1-Historie - weitere Bedenken. Der schwere Unfall von Felipe Massa in Ungarn 2009 hätte mit dem Aufbau nicht verhindert werden können. "Das wissen wir", gibt Whiting zu. "Wir fokussieren uns auf eine viel lebensbedrohlichere Situation, die eines losen Rades. Reifen und Felge wiegen zusammen 20 Kilogramm."

Die Feder, die Felipe Massa 2009 schwer verletzte, wog 800 Gramm. Anschließend wurde das Visier an der Oberseite mit Kevlar verstärkt, wodurch kleinere Teil abgehalten werden sollen. Das FIA-Institut für Sicherheit führte bereits zahlreiche Tests mit Halo durch. Ein loses Rad traf dabei mit 225 Stundenkilometer das Konstrukt. In allen Fällen konnte das Geschoss abgelenkt werden.

Mit dem Red-Bull-Konzept, bei dem zwischen den Streben noch durchsichtiges Material ist, könnten auch kleinere Teile abgelenkt werden. Dieses Konzept allerdings wurde noch nicht ausgiebig genug getestet. Eine Verschiebung der Einführung von Halo über das Jahr 2017 hinaus, um bessere Lösungen zu eruieren, hält der FIA Rennleiter für unwahrscheinlich. "Wir fokussieren uns auf Halo, weil es sorgfältig getestet wurde und wir glauben, dass es den besten Allround-Schutz bietet."

Kann Halo Teile gefährlich ablenken?

Der eigentliche Schutz könne aber auch zur Gefahr werden, meinen manche Kritiker. Bei einem Überschlag könnte das Auto auf dem Überrollbügel schlittern und durch den Halo-Aufsatz beim Treffen auf ein Hindernis ungewollt katapultiert werden. Kleinere Teile, so Kritiker, könnten von dem Bügel zwar vom Kopf abgelenkt werden, dadurch aber auf weniger gut geschützte Körperteile treffen. Auch die Option, dass ein Rad nicht den Kopf des Fahrers, durch die Ablenkung aber die Zuschauermassen treffen könnte, steht im Raum.

"Diese Fälle haben wir auf dem Schirm", gesteht Whiting. "Hier geht es um Risiko-Einschätzung, die unsere Profis machen müssen." Eine ähnliche Situation gab es vor einigen Jahren, als die Regeln für 2014 geschrieben wurden. Seitdem müssen die Nasen deutlich tiefer sein, um die Gefahr des Aufsteigens der Fahrzeuge bei einem Auffahrunfall zu verringern. Auch bei sogenannten T-Bone-Unfällen ist die Gefahr mit tieferen Nasen geringer, den Kopf des Fahrers zu erwischen.

Dem gegenüber steht die Gefahr, mit tiefen Nasen unter ein anderes zu rutschen. "Das Ergebnis nach der Risiko-Abschätzung war, dass es viel mehr Fälle gibt, in denen die hohe Nase auf einen Reifen trifft und die Autos aufsteigen. Dass ein Auto unter ein anderes rutscht, haben wir sehr selten gesehen. Das war eine einfache Risiko-Abschätzung. Halo ist viel komplizierter. Ich vertraue hier den Profis."

Auch das Aussteigen aus dem Boliden könnte mit Halo zur Gefahr werden, fürchten manche. Aktuell müssen die Piloten in maximal fünf Sekunden das Fahrzeug verlassen können. "Halo bringt mehr, als ein paar Sekunden beim Aussteigen", wirft Whiting ein. "Wir würden es deshalb trotzdem einführen. Außerdem hat es ein Team bereits getestet und sie hatten keine Probleme. Es war sogar einfacher, weil sich der Fahrer am Halo hochziehen konnte."

Ferrari hat die Sicht der Fahrer mit dem Halo-System bereits bei den Testfahrten in Barcelona ausprobiert, Foto: Sutton
Ferrari hat die Sicht der Fahrer mit dem Halo-System bereits bei den Testfahrten in Barcelona ausprobiert, Foto: Sutton

Technische Klarheit vor Ende Mai

Noch vor Ende Mai sollen letzte Details finalisiert werden. Die Teams entwickeln bereits die Aerodynamik der 2017er Boliden, dazu bedarf es auch Klarheit in Sachen Halo. Ende Mai ist deshalb das erklärte Ziel.

Es geht darum, ob Halo ein Einheits-Teil wird und wie die Schnittstellen mit dem Chassis aussehen. Es geht nicht nur um die Positionen der Schnittstellen, sondern auch um die Anforderungen daran. Ein solides Gebilde auf labilen Punkten würde die Sicherheit nicht erhöhen.