Es könnte so einfach sein: Telemetrie und Radio aus und die Fahrer sind auf sich allein gestellt. Einfach gibt es aber in der Formel 1 nicht. Also müssen Kompromisse her. Der Kompromiss wird in diesem Jahr aber weiter gelockert: Zur Formel-1-Saison 2016 gelten neue Regeln am Boxenfunk. Die Ingenieure dürfen noch weniger mit ihren Piloten kommunizieren als im vergangenen Jahr.

Eigentlich sollte schon 2014 beim Singapur GP der Radio-Bann kommen. Allerdings regte sich schnell Widerstand: Die Fahrer waren auf die spontane Verschärfung der Regeln nicht eingestellt, die großen Teams und allen voran die Power-Unit-Hersteller fürchteten um die Berechenbarkeit des Sports.

Startprozedere bereits 2015 betroffen

Nach einer sehr eingeschränkten Variante des Funk-Verbots kam zur Formel-1-Saison 2015 eine leicht verschärfte Variante. Bislang war sogenanntes Driver-Coaching verboten. Die Ingenieure durften ihren Fahrern also nicht mehr sagen, wo genau sie Zeit verlieren und wie sie ihren Fahrstil diesbezüglich anzupassen haben.

Die Verschärfung in der abgelaufenen Saison sah dann vor allem Änderungen am Start-Prozedere vor: Während der Einführungsrunde durften nicht im Sekundentakt Informationen und Anweisungen an die Fahrer gegeben werden. Dazu durfte der Schleifpunkt der Kupplung nach der ersten Ausfahrt aus der Boxengasse am Sonntag nicht mehr verstellt werden. Der Fahrer steht seither am Start wieder mehr im Mittelpunkt.

Bereits im vergangenen Jahr waren die Fahrer am Start auf sich gestellt, Foto: Sutton
Bereits im vergangenen Jahr waren die Fahrer am Start auf sich gestellt, Foto: Sutton

Für die Saison 2016 werden die Regeln noch einmal verschärft. Und diesmal wird Artikel 27.1 des Sportlichen Reglements ernst genommen. Besagter Artikel verlangt, dass der Fahrer das Auto alleine und ohne Hilfe pilotiert. Genauer wird das Reglement hier nicht.

Genauer wird die Direktive, die Rennleiter Charlie Whiting an die Teams schickte. In dieser Direktive wird genau geregelt, was die Ingenieure ihren Piloten noch mit auf den Weg geben dürfen und was nicht. Whitings Mitteilung ist nicht öffentlich zugänglich, doch Motorsport-Magazin.com liegt die Liste vor.

Driver-Coaching komplett verboten

Und die ist durchaus interessant: Die Piloten dürfen ab dem Australien GP nur noch die nötigsten Informationen erhalten. Driver-Coaching ist somit endgültig passé. Das Team darf dem Fahrer beispielsweise nicht einmal mehr sagen, welche Reifen er beim nächsten Boxenstopp erhält. Entweder der Fahrer gibt eine klare Anweisung, was er will, oder er wartet, was ihm die Crew ans Auto schraubt.

Für den Fahrer kann es beim Boxenbesuch Überraschungen geben, Foto: Sutton
Für den Fahrer kann es beim Boxenbesuch Überraschungen geben, Foto: Sutton

Auch Informationen über Benzinverbrauch und Motormodi sind ab sofort verboten. Die Fahrer müssen nun selbst darauf achten, im Rennen nicht zu viel Benzin zu verbrauchen. Der Verbrauch wird in erster Linie über Lift and Coast und Motor-Mappings geregelt. Zu beiden darf es keine Anweisungen mehr geben.

Somit müssen die Fahrer nicht nur selbst entscheiden, wie viel Meter vor dem eigentlichen Bremspunkt sie vom Gas gehen, sondern auch, wann sie welche Motoreinstellung verwenden. Nur im Ernstfall, also sollte eine tatsächliche Gefahr bestehen, darf der Ingenieur Anweisungen geben.

"Wir haben deshalb das Display überarbeitet", sagte Toro Rossos James Key zu Motorsport-Magazin.com. "Damit die Fahrer wissen, was sie wissen müssen und es sicher und zuverlässig funktioniert. In Barcelona mit der langen Geraden ist das okay, aber in Monaco wird es schwierig."

Lernprozess für die Fahrer

Nur das Lenkrad anzupassen, reicht aber nicht. Die Fahrer müssen lernen. "Das ist sehr stressig für sie. Es ist ein Lernprozess, den wir schon länger mit ihnen besprechen. Bei den Testfahrten haben wir es auch geübt", so Key.

"Wir sind derzeit noch dabei zu verstehen, was der Bann bedeutet", gestand Weltmeister Lewis Hamilton gegenüber Motorsport-Magazin.com. "Das ist eine große Veränderung, die es viel schwerer macht. Du musst Dir viel mehr merken. Es gibt so viele Prozesse, die wir durchgehen müssen. Wir müssen Wege finden, uns das zu merken."

Gibt es durch die neuen Regeln mehr Duelle?, Foto: Sutton
Gibt es durch die neuen Regeln mehr Duelle?, Foto: Sutton

"Es ist sicher eine Möglichkeit, den Unterschied zu machen", meint Mercedes Teamkollege Nico Rosberg. Gerade bei Mercedes kann man sich vorstellen, dass die Piloten unterschiedlich damit umgehen. Auf der einen Seite Nico Rosberg, der akribische Arbeiter, der sich in jedes technische Detail einarbeitet, auf der anderen Seite Lewis Hamilton, der das Auto - ohne genau zu wissen warum - einfach verdammt schnell von Ecke zu Ecke bewegt.

Welche Rolle spielt der Fahrer?

Doch der Vorteil des technisch versierten Fahrers könnte sich in Grenzen halten. "Heute kann der Fahrer nicht wissen, was hinter ihm los ist. Dafür braucht man massives Ingenieurwissen. Das können die Fahrer nicht verstehen. Man braucht ein Grundwissen, aber wichtiger ist, dass Du weißt, was Du tust", so Key. Heißt im Klartext: Es geht darum, zu wissen, was man tut. Es geht nicht darum, zu wissen, wie die Technik funktioniert.

Das bedeutet aber nicht, dass der Fahrer keinen Unterschied machen kann. Beim möglichen WM-Duell zwischen den Mercedes-Piloten hat der eingeschränkte Funkverkehr sogar noch einen Vorteil: Die Teamführung um Toto Wolff hat die Regeln zwischen den Piloten gelockert. "Die Regeln helfen uns", gesteht Wolff. "Weil es weniger Input von den Ingenieuren gibt. Es gibt deutlich weniger Ratschläge was Dinge wie Reifen-Schonen betrifft oder wie man das Auto fahren soll. Es liegt mehr an den Fahrern."

Gute Nachrichten also für die Formel 1. "Hier bin ich auf die Umsetzung des Ganzen gespannt", mahnt aber Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner. "Das Problem ist, wie wird es geahndet? Wann sagen die Stewards, dass etwas nicht erlaubt war? Wenn es wirklich so kommt, dass die Funkkommunikation auf ganz, ganz wenige Basics beschränkt wird, dann glaube ich, dass es einen Unterschied ausmachen kann."