Bei den Formel-1-Testfahrten in Barcelona hat Ferrari in der vergangenen Woche für große Aufregung gesorgt. Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen testen erstmals den Prototypen eines sogenannten Halo-Cockpitschutzes an einem Formel-1-Boliden.

Sofort reagierte die Szene und spaltete sich in zwei Lager: Auf der einen Seite die Gruppe "Sicherheit geht vor, egal wie hässlich" angeführt von Vettel, auf der anderen die Opposition "Damit verliert die Formel 1 ihre DNA, damit fahre ich nicht" um Lewis Hamilton. Auch die Fans waren, zurückhaltend formuliert, eher mäßig begeistert.

Inzwischen schwappt die Welle auch in andere Rennserien wie DTM, Sportwagen und Formel E. Überall reagieren Piloten, Verantwortliche und F1-Ehemalige auf die Idee des Heiligenscheins, wie Halo übersetzt heißt.

Halo-Konzept der Formel 1: Kritik aus Formel E & DTM

Das Stimmungsbild ist zum Großteil klar negativ. "Die Idee ist ein Desaster, kompletter Mist. Das ist eine halbherzige Lösung und macht keinen Sinn", schimpft Lucas di Grassi im Vorfeld des Mexiko ePrix gegenüber Motorsport-Magazin.com. Der ehemalige F1-Pilot und aktuell Tabellenzweite der Formel E zieht andere Varianten vor. "Sie sollten das Cockpit offen lassen wie es ist oder sie sollten es ganz schließen wie bei den Kuppel-Vorschlägen von Red Bull und McLaren", sagt di Grassi.

Damit könne man fahren. "Aber dieses Halo-Konzept ist für mich die schlechteste Möglichkeit, die es geben kann. Es schützt nicht vor Vorfällen wie dem von Massa, es macht die Formel 1 hässlich, es ist aerodynamisch nicht effizient. Man profitiert also nur sehr wenig", erklärt der Brasilianer. Entweder solle man der Tradition folgen oder eine vollständige Kuppel installieren, die sehr viel sicherer und effizienter sei als der Halo-Protektor.

Genauso sieht es di Grassis schärfster Titelkonkurrent Sébastien Buemi. "Es sieht nicht so schön aus. Aber ich glaube, man muss in die Richtung gehen, das Auto ein bisschen sicherer zu machen. Da gibt es viele Möglichkeiten, aber das Halo ist natürlich nicht so schön", sagt der Fahrer von Renault E.Dams zu Motorsport-Magazin.com. Besser als Halo wäre da sicherlich die von Red Bull vorgeschlagene Kuppel, meint Buemi. Wenig überraschend - immerhin ist der Schweizer noch immer Testfahrer beim Formel-1-Rennstall. "Ich möchte das vorher aber auf einem richtigen Auto sehen", sagt er jedoch. Bisher gibt es nur Skizzen und Entwürfe.

Eine komplette Cockpithaube wie in dieser McLaren-Studie kommt besser an als die Halo-Idee, Foto: McLaren
Eine komplette Cockpithaube wie in dieser McLaren-Studie kommt besser an als die Halo-Idee, Foto: McLaren

Lucas di Grassi fordert Entscheidungsfreiheit für F1-Teams

Di Grassi ergänzt derweil noch eine ganz andere Facette: Idealerweise solle das Reglement die Entscheidung den Teams, solche Konzepte zu übernehmen, komplett freistellen, sagt der Brasilianer. Musik in den Ohren von Lewis Hamilton. Dessen Chef Toto Wolff zeigt unterdessen Verständnis für die harte Position seines Weltmeisters. "Das ist seine Meinung und das ist absolut okay. Ich mag es auch nicht", sagt Wolff. "Es war ein Prototyp und es war wichtig zu sehen, wie es funktioniert und ob es die Fahrer behindert. Und wir müssen akzeptieren, dass es viele verschiedene Meinungen dazu gibt."

In jedem Fall müsse man die Sicherheit der Fahrer schützen. "Es ist schrecklich, dass wir Nachwuchsfahrer wie Henry (Surtees) oder auch Justin (Wilson) verloren haben. Deshalb dürfen wir nie aufhören, die Sicherheit zu verbessern", stellt Wolff klar. Aber: "Auf der anderen Seite ist es Sport und Unterhaltung und es ist gefährlich. Da muss man die Balance wahren."

Daniel Abt kritisiert öffentliche Probe bei Formel-1-Testfahrten

Daniel Abt, Teamkollege di Grassis in der Formel E, stört sich unterdessen vor allem schon genau daran, dass ein Prototyp überhaupt öffentlich gezeigt wurde. "Vielleicht hätte man eher einen geheimen Test machen sollen. Das wäre vielleicht gescheiter, bevor sich jetzt jeder darüber zerreißt und die eine Hälfte vom Feld sagt, das ist totaler Scheiß. Das muss man anders lösen", kritisiert Abt gegenüber Motorsport-Magazin.com.

Stellung bezieht der Deutsche dennoch. "Für mich ist das kein sonderlich ausgereiftes Konzept. Ich finde es jetzt nicht so berauschend. Klar, von der Optik her sowieso nicht. Aus Fahrersicht stelle ich mir das schon gewöhnungsbedürftig vor. Aber ich bin es selbst nicht gefahren und kann es deshalb nicht so einschätzen", sagt Abt.

Allerdings sei es auf jeden Fall immer gut, wenn man als Fahrer mehr Sicherheit genieße. "Wobei ich mich schon relativ sicher fühle. Ein gewisses Restrisiko hat man eben. Aber zum Beispiel beim Bianchi-Unfall weiß ich nicht, ob es so viel geändert hätte. Aber wenn man in die Indycars schaut, hätte es wahrscheinlich einen Unterschied gemacht", sagt Abt. Das Thema Sicherheit sei also durchaus wichtig. "Aber in so einem Maße, dass alle damit leben können und es gut finden. Daher sollte man nicht diese Prototypen präsentieren", stellt Abt nochmals klar.

Für DTM-Rekordmeister Bernd Schneider hat der Halo-Ferrari mit einem Formel-1-Auto nichts mehr gemeinsam, Foto: Sutton
Für DTM-Rekordmeister Bernd Schneider hat der Halo-Ferrari mit einem Formel-1-Auto nichts mehr gemeinsam, Foto: Sutton

DTM-Rekordmeister Bernd Schneider: Kein Formel-1-Auto mehr

Das Argument des Restrisikos nimmt auch DTM-Rekordmeister Bernd Schneider in einem exklusiven Interview mit Motorsport-Magazin.com auf. "Ein Dach oder so etwas schließt nicht aus, dass noch ein gewisses Restrisiko da ist. Es schließt nur das Risiko aus, dass ein Reifen oder so einen Fahrer treffen kann. Aber wenn es so ist, wie bei Massa in Ungarn, trifft dich trotzdem eine Feder - außer du machst ein Glasdach drauf", sagt Schneider.

"Ich würde das nicht machen und glaube auch, dass momentan jeder F1-Fahrer damit leben kann. Ein Formel 1 ist ein offenes Auto. Egal ob Heiligenschein oder was sie da verbauen wollen - das sehe ich nicht als F1-Auto an", stellt Schneider gegenüber Motorsport-Magazin.com klar. Auch sei ein bisschen Restrisiko für die Show einfach viel besser während absolute Sicherheit natürlich für die Fahrer von Vorteil sei.

Für Nick Heidfeld steht die Sicherheit an erster Stelle

Absolute Sicherheit. Der Traum von Nick Heidfeld - einem der wenigen ganz klaren Fürsprecher des Heiligenscheins. "Die Idee finde ich super. Ohne sehen die Autos zwar schöner aus, optisch finde ich es aber nicht schlimm. Die Hauptsache ist, dass die Sicherheit dadurch erhöht wird. Deshalb würde ich mir wünschen, dass das möglichst schnell kommt und auch in anderen Rennserien eingeführt wird", sagt der Ex-F1-Fahrer und aktuelle Formel-E-Pilot.

Die Sicht für den Fahrer sei wohl kaum ein Problem. "In den früheren Zeiten in der Formel 1, als die Aerodynamik noch offen war, hatten wir auch mal komische Dinger vorne auf dem Auto. Das stört aber nicht großartig. Da fährst du zwei Runden, und schon hast du dich daran gewöhnt", sagt Heidfeld. Das bestätigt die Eindrücke von Vettel und Räikkönen bei deren ersten Testfahrten. Fraglich bleiben jedoch weiter etwa der Blick auf die Startampel oder bei extremen Steigungen wir Eau Rouge in Spa.

Auch solche Faktoren gelte es zu beachten. "Das Entscheidende ist die Sicherheit. Das beinhaltet natürlich die Sicht aus dem Cockpit heraus sowie die Möglichkeit, gut aus dem Auto ein- und aussteigen zu können", sagt Heidfeld. Damit schließt er sich dem Vettel-Lager "Sicherheit geht vor, egal wie hässlich" an: "Ich befürworte, was auch immer da die sicherere Lösung ist. Die Optik ist da zweitrangig für mich."