Lange zog sich die Rückkehr Renaults hin. Bereits früh im Jahr 2015 gab es erste Anzeichen, dass die Franzosen möglicherweise ein Team übernehmen und selbst wieder als Werksmannschaft antreten wollen. Erst im Dezember aber wurde nach einem langen Evaluierungsprozess die Übernahme des Lotus-Teams verkündet. Damit ist das neue Werksteam auch das alte: Bereits von 2002 bis 2009 bildete das Werk in Enstone die Basis des Rennstalls.

Mit der Übernahme kam es jedoch auch zu gravierenden Änderungen. Mercedes wurde als Motorenpartner logischerweise ersetzt, die Design-Abteilung musste den neuen Boliden in kurzer Zeit auf die Power Unit von Renault umgestalten. Zudem gab es aufgrund der großen finanziellen Schwierigkeiten des ehemaligen Lotus-Teams bereits im vergangenen Jahr kaum Weiterentwicklungen, auch die Vorbereitungen auf 2016 liefen auf Sparflamme.

Auch wenn finanziell die Zeit der Sorgen vorbei ist, so gibt es sportlich einige Fragezeichen. Die Testfahrten verliefen durchwachsen und mehr oder weniger offen spricht man bereits von einem Übergangsjahr. "Die Wahrheit für uns ist: Wir würden tendenziell eher für 2017 entwickeln als für dieses Jahr", gab Technikchef Bob Bell unumwunden zu.

Das Team: Neues Team an altem Standort

Neu im Team:

  • Cyril Abiteboul wird Geschäftsführer von "Renault Sport Racing"
  • Frederic Vasseur operiert als Teamchef des Formel-1-Teams
  • Bob Bell ist neuer Technikchef und überwacht die Prozesse in Viry und Enstone
  • Jolyon Palmer bekommt sein erstes Formel-1-Stammcockpit
  • Kevin Magnussen wird zweiter Fahrer
  • Mario Illien ist eng in der Motorenentwicklung involviert

Nicht mehr im Team:

  • Pastor Maldonado wurde nach Schwierigkeiten mit seinem Sponsor entlassen
  • Romain Grosjean wechselte zu Neueinsteiger Haas
  • Mercedes ist nicht mehr Motorenlieferant
  • Teamchef Federico Gastaldi musste das Team verlassen

Pastor Maldonado ist nicht mehr im Team, Foto: Sutton
Pastor Maldonado ist nicht mehr im Team, Foto: Sutton

Renault bringt eine komplett neue Struktur nach Enstone, aber auch im Konzern selbst wird der Motorsport auf andere, eigene Füße gestellt. Das Formel-1-Team ist ab sofort die Speerspitze sämtlicher motorsportlichen Aktivitäten. Die Gesamtleitung übernimmt Cyril Abiteboul, Frederic Vasseur übernimmt als Teamchef seine erste große Rolle in der Formel 1. Auf technischer Seite ist Bob Bell der wichtigste Mann. Er ist die Schnittstelle zwischen Enstone und der Motorenschmiede in Viry.

Für die Resultate auf der Strecke soll ein komplett neues Fahrerduo sorgen. Die erfahrenen Romain Grosjean und Pastor Maldonado sind weg, mit Kevin Magnussen und Jolyon Palmer setzt Renault auf die Routine aus nur einer Saison. Magnussen fuhr 2014 für McLaren, Palmer ist Rookie, wenngleich er einige Trainingssitzungen für Lotus bestritt. Sie stehen sinnbildlich für den neuen Weg bei Renault.

Das Auto: Nachzügler R.S.16

Erst spät konnten die Entwicklungsarbeiten am neuen Boliden so richtig in die Wege geleitet werden. Lange war unklar, ob Renault einsteigt und damit auch der Motorenlieferant wechselt. Gleichzeitig fehlte Lotus das Geld, um in beide Richtungen zu entwickeln. Erst im Dezember war alles unter Dach und Fach. Daher waren deutliche Fragezeichen zu erkennen, als man zu den Testfahrten reiste. Und gleich die ersten beiden Tage schienen die schlimmsten Vermutungen wahr werden zu lassen. Software-Probleme und ein Defekt am Turbolader ließen Palmer nur auf 79 Runden an zwei Tagen kommen. Als Magnussen das Auto übernahm, lief es jedoch deutlich besser. Der Däne schaffte 254 Runden.

Palmer als Pechvogel

In Woche zwei ein ähnliches, wenngleich nicht ganz so dramatisches Bild. Auch hier war Palmer der Pechvogel, er schaffte jedoch knapp 200 Runden. Teamkollege Magnussen kam erneut ohne größere Probleme durch das Programm. Schlussendlich absolvierte der Däne fast doppelt so viele Runden wie Palmer. In der kumulierten Zeitentabelle der Testfahrten findet sich Magnussen auf Platz elf mit 1,1 Sekunden Rückstand auf die Gesamtbestzeit von Kimi Räikkönen.

Diese Zahlenspiele sind zwar mit Vorsicht zu betrachten, doch liefert es einen ersten Hinweis darauf, wohin die Reise für Renault gehen könnte. Platzierungen in den Punkten werden wohl über die gesamte Saison einen harten Kampf erfordern. Nicht zuletzt stellt auch die Power Unit noch ein großes Fragezeichen dar, die Frage wird sein, ob und wie schnell die Lücke zu Ferrari und Renault geschlossen werden kann.

Die späte Verkündung des Renault-Comebacks sieht man dem R.S.16 regelrecht an. Der neue Bolide ist von vorne bis hinten ein Kompromiss. Im Vergleich zum Lotus E23, der schon nicht für sein besonders gutes Chassis bekannt war, sind am neuen Renault keine signifikanten und konzeptionellen Änderungen zu erkennen. Priorität eins war es, die Power Unit von Renault zu integrieren.

Renault ist das einzige Team, das auf ein einzelnes Wastegate-Pipe setzt. Alle anderen Teams platzieren zwei Mini-Röhrchen neben dem Hauptrohr. Der Vorteil von einem Zusatz-Rohr ist das Gewicht. Schlechter hingegen ist es für das Packaging. Die Verkleidung des R.S. 16 leidet darunter.

Die Fahrer: Wenig Erfahrung und purer Durchschnitt

Neues Team, neue Fahrer. Die langjährige Lotus-Paarung Grosjean/Maldonado ist Geschichte, mit Kevin Magnussen und Jolyon Palmer setzt man bei Renault auf Unbekümmertheit. Magnussen kann bisher auf die Erfahrung einer WM-Saison blicken. 2014 ging er für McLaren an den Start und fuhr gleich bei seinem ersten Rennen auf das Podest.

Danach aber wurde es ruhiger, nach Saisonende wurde er durch den Königstransfer Fernando Alonso ersetzt. Magnussen blieb die Rolle als Ersatzfahrer, doch Ende 2015 trennte sich McLaren vom Dänen, Ron Dennis schickte wenig schmeichelhafte Abschiedsworte hinterher. Unverhofft erhielt der 24-Jährige nach dem Abgang von Pastor Maldonado die Chance auf ein Comeback. Für Magnussen ist Renault die wohl letzte Chance, bleibenden Eindruck in der Formel 1 zu hinterlassen.

Kevin Magnussen fuhr 2014 in Australien auf das Podium, Foto: Sutton
Kevin Magnussen fuhr 2014 in Australien auf das Podium, Foto: Sutton

Jolyon Palmer sorgte bislang nur in Nachwuchsrennserien für Schlagzeilen, 2014 gewann er die GP2. Doch im folgenden Jahr reichte es noch nicht für ein Cockpit, einzig vereinzelte Trainingseinsätze für Lotus blieben ihm. Schon frühzeitig erhielt der Brite einen Vertrag für die kommende Saison, nachdem Romain Grosjean seinen Abgang zu Haas verkündete. Mit inzwischen 25 Jahren zählt Palmer nicht mehr zu den Rohdiamanten, auch die Tatsache, dass er die GP2 erst im vierten Jahr - und nach den Gesamtplatzierungen 28, 11 und 7 - gewann, spricht nicht für ihn. Magnussen ist Favorit im Duell, doch insgesamt verfügt Renault nicht über die stärkste Fahrerpaarung.

FahrerRundenKilometerBestzeitReifenmischung
Kevin Magnussen509 2.369,401:23.933Supersoft
Jolyon Palmer2671.242,891:24.859Supersoft

Die Ziele: Neuaufbau vorantreiben

Saisonziel: Etablieren und vereinzelt Punkte holen

Redaktionskommentar: Dass Renault zurück ist in der Formel 1, ist ein gutes Signal. Ob sie sich selbst damit einen Gefallen getan haben, steht auf einem ganz anderen Blatt. Finanziell hat man nun keine Sorgen mehr in Enstone - das war es aber auch mit den guten Nachrichten. Das Auto wurde spät designt und die Power Unit ist immer noch nicht auf einem Level mit Mercedes oder Ferrari. Hinzu kommt eine unerfahrene Fahrerpaarung. 2016 ist ein Übergangsjahr, um das Team schlagkräftig aufzustellen, Arbeitsabläufe zu optimieren und technisch für die neuen Regeln 2017 gewappnet zu sein. Daher sollte man in diesem Jahr nicht viel von Renault erwarten. (Chris Lugert)

Pro:

  • Es gibt keine finanziellen Sorgen mehr, was Weiterentwicklungen ermöglicht
  • Die neue Struktur wirkt durchdacht
  • Das Personal wird immer weiter ausgebaut

Contra:

  • Das Auto wurde erst spät designt
  • Die Fahrerpaarung gehört zu den schwächsten im Feld
  • Renaults Power Unit ist noch immer deutlich zurück

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