In diesem Jahr durften die Formel-1-Teams nur mehr acht Tage in Barcelona testen. Die Testfahrten in Jerez wurden gestrichen. Entsprechend knapp war die Zeit für Mercedes, Ferrari und Co. Die Testprogramme waren auf den verkürzten Zeitplan angepasst. Interessante Daten sammelten nicht nur die Ingenieure. Auch wir haben jede Menge Rundenzeiten, Geschwindigkeitswerte und Co. gesammelt.

Für die große abschließende Test-Analyse wälzte sich Motorsport-Magazin.com durch 8927 Runden. Auf dem 4,655 Kilometer langen Circuit de Barcelona-Catalunya entspricht das einer Distanz von 41.555 Kilometern - oder anders ausgedrückt: einmal um die Erde. Bevor es jetzt mit dem Flugzeug tatsächlich einmal um die Erde nach Melbourne geht, analysieren wir die Frühformen der Teams.

Eigentlich eine klare Angelegenheit, Mercedes ist eh wieder vorne weg, mag manch einer denken. Und man mag es ihm angesichts der Zuverlässigkeit und des abgespulten Programms nicht verdenken. Beim genaueren Blick wird es aber spannend. "Wir sind nicht sicher, ob wir bei Ferrari vorne oder hintendran sind", sagte Nico Rosberg nach dem letzten Tag. Tiefstapelei oder steckt doch mehr dahinter?

Kräfteverhältnis stabilisiert sich in zweiter Testwoche

Trotz verkürzten Testfahrten 2016 gab es jede Menge Daten, Foto: Sutton
Trotz verkürzten Testfahrten 2016 gab es jede Menge Daten, Foto: Sutton

Während die 4120 Testrunden der ersten Woche noch nicht besonders aussagekräftig waren, offenbarten die 4807 Runden der letzten vier Tage doch schon einige interessante Einblicke ins Kräfteverhältnis. Nachdem Force India zunächst vorne für eine dicke Überraschung gesorgt hatte, normalisierte sich das Bild in der zweiten Woche.

Erschwert werden die Vergleiche durch unterschiedliche Reifen. Mercedes verzichtete die gesamten acht Tage darauf, Ultrasoft und Supersoft zu fahren. Auch die Soft-Reifen kamen am Silberpfeil nicht besonders oft zum Einsatz. Das hat einen einfachen Grund: Wegen der hohen lateralen Kräften greift Pirelli in Barcelona traditionell zu den härtesten Reifenmischungen. Beim Spanien GP 2016 kommen deshalb die Mischungen Soft, Medium und Hart zum Einsatz.

Pirelli passt Reifen-Delta leicht an

Mercedes' Hauptkonkurrent Ferrari griff wie viele andere Teams hingegen schon zu Ultrasoft. Das erschwert den Vergleich, macht ihn aber nicht unmöglich. Im Vergleich zum ersten Test hat Pirelli die Delta-Zeiten zwischen den Mischungen leicht abgepasst. Zwischen Ultra- und Supersoft liegen 0,6 bis 0,7 Sekunden. Supersoft und Soft trennt rund eine halbe Sekunde. Zwischen Soft und Medium liegt etwa eine Sekunde, der Unterschied von 0,5 Sekunden zwischen Medium und Hart kann vernachlässigt werden.

Absolut schnellste Runden, Barcelona II

POS Fahrer Team Reifen Zeit
1 Räikkönen Ferrari US 1:22.765
2 Vettel Ferrari SS 1:22.852
3 Rosberg Mercedes S 1:23.022
4 Sainz Toro Rosso US 1:23.134
5 Massa Williams S 1:23.193
6 Bottas Williams US 1:23.229
7 Hülkenberg Force India US 1:23.251
8 Verstappen Toro Rosso US 1:23.382
9 Hamilton Mercedes S 1:23.622
10 Perez Force India SS 1:23.721
11 Magnussen Renault SS 1:23.933
12 Ricciardo Red Bull S 1:24.427
13 Button McLaren US 1:24.714
14 Alonso McLaren S 1:24.735
15 Nasr Sauber S 1:24.760
16 Palmer Renault S 1:24.859
17 Wehrlein Manor US 1:24.913
18 Ericsson Sauber S 1:25.031
19 Kvyat Red Bull S 1:25.049
20 Grosjean Haas S 1:25.255
21 Haryanto Manor US 1:25.899
22 Gutierrez Haas M 1:26.661

Und so liegt zwar Ferrari am Ende noch vorne, allerdings nur mehr sehr knapp. Kimi Räikkönen wirft eine Soft-Zeit in die Wertung, die sogar noch schneller war als die Runden von Rosberg und Hamilton. Hamilton bekam seine Qualifying-Simulation auf dem Soft nicht zusammen, deshalb geht bei ihm eine Medium-Zeit in die Wertung.

Die Mercedes-Piloten trennen gerade einmal 0,111 Sekunden. Doch auch hinter den Weltmeistern geht es äußert eng zu: Etwas überraschend belegt Felipe Massa im Williams Rang vier. Lediglich 0,184 Sekunden fehlen Massa auf die Bestzeit. Dahinter kommt dann Vettel mit Supersoft-Handicap mit drei Zehntelsekunden Rückstand.

Korrigierte Ferrari-Bestzeiten nicht mit Ultrasoft

Vergleicht man die korrigierten Rundenzeiten, gehen bei Vettel und Räikkönen nicht die Ultrasoft-Runden in die Wertung ein. Gut möglich, dass Pirellis weichster Reifen im letzten Sektor am SF16-H schon hinüber war. Durch die extremen lateralen Kräfte in Verbindung mit kühlen Temperaturen klagten einige Piloten über Graining.

Die gute Nachricht: Mercedes, Williams und Ferrari liegen innerhalb von drei Zehntelsekunden. Fraglich natürlich, ob Mercedes schon die Karten aufgedeckt hat. Allerdings muss auch der Dominator der letzten Jahre beim Test an Belastungsgrenzen gehen, um mögliche Fehlerquellen auszumachen. Ganz im Schongang wird Mercedes nicht durch Barcelona kutschiert sein.

Hinter dem Trio an der Spitze klafft eine Lücke. Dahinter das hart umkämpfte Mittelfeld, angeführt von Force India. Sergio Perez fehlen allerdings schon 1,2 Sekunden auf die Spitze. Red Bull und Toro Rosso sind etwa gleichauf. Dahinter rangieren das Werksteam von Renault, McLaren und Sauber auf etwa einem Niveau.

Haas und Manor leicht abgeschlagen

Hinter dem hart umkämpften Mittelfeld klafft eine kleine Lücke auf den Neuling Haas. Allerdings hatte die US-amerikanische Truppe um Günther Steiner beim zweiten Test größere technische Probleme, so dass hier sicherlich noch Luft nach oben ist.

Die rote Laterne geht trotz des großen Sprungs im Vergleich zum Vorjahr an Manor. Pascal Wehrlein fehlt schon mehr als eine Sekunde auf das Mittelfeld. Allerdings ist die Ausgangslange bei weitem nicht mehr so hoffnungslos wie im vergangenen Jahr, zumal schon beim zweiten Test erste Updates am Manor zu sehen waren.

Schnellste Runden, Barcelona II

Pos Fahrer Team Reifen Zeit Handicap Korr. Zeit Gap
1 Räikkönen Ferrari S 1:23,009 1:23,009
2 Rosberg Mercedes S 1:23,022 1:23,022+ 0,013
3 Hamilton Mercedes M 1:24,133 - 1,0 1:23,133 + 0,124
4 Massa Williams S 1:23,193 1:23,193+ 0,184
5 Vettel Ferrari SS 1:22,852 + 0,5 1:23,352+ 0,343
6 Bottas Williams SS 1:23,261 + 0,5 1:23,761+ 0,752
7 Perez Force India SS 1:23,721 + 0,5 1:24,221+ 1,212
8 Ricciardo Red Bull M 1:25,235 - 1,0 1:24,235+ 1,226
9 Sainz Toro Rosso US 1:23,134 + 1,15 1:24,284+ 1,275
10 Hülkenberg Force India US 1:23,251 + 1,15 1:24,401+ 1,392
11 Magnussen Renault SS 1:23,933 + 0,5 1:24,433+ 1,424
12 Verstappen Toro Rosso US 1:23,382 + 1,15 1:24,532+ 1,523
13 Alonso McLaren S 1:24,735 1:24,735+ 1,726
14 Nasr Sauber S 1:24,760 1:24,760+ 1,751
15 Palmer Renault S 1:24,859 1:24,859+ 1,850
16 Ericsson Sauber S 1:25,031 1:25,031+ 2,022
17 Kvyat Red Bull S 1:25,049 1:25,049+ 2,040
18 Button McLaren S 1:25,183 1:25,183+ 2,174
19 Grosjean Haas S 1:25,255 1:25,255+ 2,246
20 Gutierrez Haas M 1:26,661 - 1,0 1:25,661+ 2,652
21 Wehrlein Manor US 1:24,913 + 1,15 1:26,063+ 3,054
22 Haryanto Manor US 1:25,899 + 1,15 1:27,049+ 4,040

Ferrari mit stark verbesserter Zuverlässigkeit

Am ersten Rennwochenende könnte die Zuverlässigkeit einmal mehr eine große Rolle spielen. In dieser Disziplin geht kein Weg an Mercedes vorbei. Und das könnte das Problem sein, auch wenn Mercedes nicht um Welten überlegen sein sollte: Mit technischen Defekten sollte man eher nicht rechnen, auch wenn bei Lewis Hamilton am letzten Testtag ein Teil im Antriebsstrang den Geist aufgab und eine längere Reparaturpause nötig war.

Nach anfänglichen Problemen erholte sich Ferrari in der zweiten Testwoche bei der Zuverlässigkeit. Nach Mercedes und Toro Rosso drehten die Italiener die drittmeisten Runden in Woche zwei. Auch die anderen Mittelfeld-Teams blieben von größeren Problemen verschont. Überraschend legte auch Sauber mit dem neuen C35, der erst verspätet Premiere feierte, eine starke Zuverlässigkeit an den Tag.

Positiv in dieser Hinsicht fielen auch die einstigen Sorgenkinder von Honda und Renault auf: Weder das Werksteam der Franzosen, noch Red Bull hatten größere Probleme mit dem Antrieb, auch McLaren konnte fast ungewohnt viele Runden drehen. Renault und Honda haben definitiv große Schritte bei der Zuverlässigkeit gemacht und - so viel verraten die ersten Daten - auch bei der Leistung.

Manor hingegen hatte vermehrt mit mechanischen Problemen zu kämpfen. Worum es sich genau handelte, ließen sich die Verantwortlichen nicht entlocken. Nachdem Haas in der ersten Woche fast schon von der Zuverlässigkeit verwöhnt wurde, ging in der zweiten Woche nichts mehr. Was auch Ferrari etwas Sorgen bereiten dürfte: Es gab hauptsächlich Probleme am Antrieb. Haas hatte größere Probleme mit dem Turbolader.

Interessante Rennsimulationen von Ferrari und Mercedes

Während die schnellsten Runden noch immer ein Ratespiel sind, weil Benzinlevel, Motoreinstellungen und Co. unbekannt sind, lässt sich bei Rennsimulationen weniger tricksen. Hier bestimmt eher der Benzinverbrauch die Leistungsfähigkeit der Power Unit. Das Gewicht ist vergleichbar, da die Rennsimulationen dank Nachtankverbot mit ziemlich genau 100 Kilogramm Benzin an Bord begonnen werden müssen.

Wegen der um vier Tagen verkürzten Wintertests bekamen wir allerdings nicht so viele Rennsimulationen zu sehen, wie gewöhnlich. Williams konzentrierte sich beispielsweise nur auf einzelne Longruns. Hier sind Benzinlevel weiterhin Unbekannte. Auch von Force India, Haas, Manor und McLaren konnten wir leider keine repräsentativen Tests des Ernstfalls erkennen. Zudem wurden zahlreiche Rennsimulationen durch rote Flaggen unterbrochen.

Trotzdem, erste repräsentative Daten liegen vor - und die sind vielversprechend. Ferrari und Mercedes testeten jeweils mit der zu erwartenden Rennstrategie. Start auf den Soft-Reifen, anschließend das Rennen auf Mediums. Ein früher erster Stopp, zwei gleichmäßig verteilte weitere Stopps. Nur Räikkönen setzte beim letzten Stint auf die harten Reifen.

Bei Ferrari und Mercedes durften jeweils beide Fahrer je eine Rennsimulation in der zweiten Woche abspulen. Hamilton und Rosberg fuhren am Dienstag und Mittwoch im Renntrimm, Räikkönen und Vettel am Donnerstag und Freitag. Doch die Bedingungen waren relativ ähnlich, große Unterschiede gab es also nicht. Alle fuhren ihre 66 Runden früh nach der Mittagspause.

Ferrari auch beim Longrun nicht abgeschlagen

Leider wurden Vettels und Räikkönens Simulationen von Roten Flaggen unterbrochen, die Mercedes-Piloten konnten durchfahren. Doch große Unterschiede dürften so nicht entstanden sein. Der Renntrimm spiegelt den Eindruck aus den Qualifying-Runs wider: Hamilton setzt mit einem Rundenschnitt von 1:29.070 Minuten die Pace. Extreme Ausschläge wegen Verkehr wurden gelöscht.

Kimi Räikkönen fuhr die zweitbeste Rennsimulation mit einem Schnitt von 1:29.319 Minuten. Nur unwesentlich langsamer war Nico Rosberg mit 1:29.337 Minuten, Vettel fehlt rund eine weitere Zehntel. Zweieinhalb Zehntelsekunden fehlten Räikkönen somit im Schnitt auf Hamilton. Multipliziert mit 66 Rennrunden ergibt das einen Rückstand von 16,5 Sekunden. Dabei verlor er die meiste Zeit im letzten Stint mit unterschiedlichen Reifen.

Ferrari deutlich näher an Mercedes dran

Hört sich viel an, ist aber eigentlich gar nicht so tragisch. 2015 fehlten Vettel als Drittem 45 Sekunden auf Sieger Hamilton. Im Qualifying stand Vettel mit knapp acht Zehntelsekunden Rückstand auf Pole-Setter Rosberg auf Rang drei. Der Circuit de Barcelona-Catalunya zählt zu den selektivsten Strecken im Kalender - weshalb er sich auch so gut als Teststrecke eignet. Verglichen mit dem Vorjahr scheint Ferrari ein weiterer Sprung Richtung Mercedes gelungen zu sein. Nicht vorbei, aber näher dran. Im Qualifying-Modus kann Mercedes noch etwas mehr Tempo rausgenommen haben, im Renntrimm eher nicht.

Weil dahinter sinnvolle Rennsimulationen Mangelware sind, müssen wir uns mit dem begnügen, was wir haben. Eins zu eins lassen sich die Simulationen auch nicht vergleichen, weil teilweise unterschiedliche Strategien gefahren wurden. Daniel Ricciardo fuhr beispielsweise kurzzeitig auf den harten Reifen. Weil eine Rot-Phase seinen Run unterbrach, lässt sich auch nicht genau sagen, ob er auf zwei oder drei Stopps unterwegs war. Wahrscheinlich sind aber zwei Stopps. Mit einem Schnitt von 1:29.853 Minuten ist das auf die Renndistanz gesehen nicht schlecht.

Fahrer Durchschn. Rundenzeit Besonderheiten
Hamilton 1:29.070 Langer erster Stint auf Soft
Räikkönen 1:29.319 Rot-Unterbrechung, letzter Stint auf Hard
Rosberg 1:29.337
Vettel 1:29.451 Rot-Unterbrechung
Ricciardo 1:29.853 Rot-Unterbrechung, mögl. 2 Stopps
Sainz 1:30.010 Beim zweiten Stopp lange in Garage
Nasr 1:30.578 Längere Unterbrechung im zweiten Stint
Magnussen 1:30.733

Erste Rangordnung steht

Carlos Sainz fuhr wie die Spitze auf drei Stopps und kam im Schnitt auf 1:30.010 Minuten. Klares Mittelfeld. Kevin Magnussen und Felipe Nasr brachten ebenfalls annehmbare Simulationen aufs Papier. Der Sauber-Pilot kam auf einen Schnitt von 1:30.578 Minuten, der Renault-Combacker brauchte durchschnittlich 1:30.733 Minuten.

Auch hier bestätigen sich im Dauerlauf die Eindrücke aus den einzelnen Rundenzeiten: Hinter der Spitze klafft eine deutliche Lücke zum Mittelfeld. Bei Red Bull fällt die Zuordnung noch etwas schwer, Toro Rosso dürfte klar im vorderen Mittelfeld sein. Eher im hinteren Mittelfeld rangieren Sauber und Renault.