Im Oktober 2004 machte Bernie Ecclestone einen seiner gewohnt unkonventionellen Vorschläge. Das nächste F1-Rennen in Silverstone, das wegen finanzieller Sorgen auf der Kippe stand, solle doch in der darauffolgenden Saison einfach außerhalb der WM-Wertung gefahren werden. In dem Fall hätten die Veranstalter ihren eigenen TV-Deal aushandeln können, eigene Sponsoren suchen dürfen und beim Termin freie Hand gehabt. Bei vielen Fans löste Ecclestone damals - wie schon so oft - Kopfschütteln aus. Zu seiner Verteidigung muss man sagen: Solche Rennen waren in der Formel 1 früher ganz normal.

Zwischen dem 2. Weltkrieg und 1983 gab es hunderte dieser Veranstaltungen nach den Regeln der Königsklasse, bei denen jedoch keine Punkte für die WM zu holen waren. Manchmal traten dabei auch Hobby-Piloten an. Mitunter waren jedoch die Starterlisten fast identisch mit jenen der regulären GPs in der F1. Zum einen konnten die Fahrer bei dieser Gelegenheit testen und zum anderen gab es teilweise hohe Preisgelder zu kassieren. Anders als heute zahlten viele Piloten damals selbst für Reisen, Material und Benzin. Ihnen kamen die lukrativen Rennen also durchaus gelegen.

In Deutschland wollte man eher "echte" WM-Rennen

Vor allem in Großbritannien erfreuten sich diese Events großer Beliebtheit. Hier gab es in den 50er-Jahren bis zu zehn Rennen jährlich ohne WM-Status. In Silverstone fand zwischen 1950 und 1978 insgesamt 26 Mal die "BRDC International Trophy" statt, die traditionsreichste Veranstaltung dieser Art. Unter anderem Stirling Moss, Jack Brabham, Graham Hill oder Jackie Stewart zählten dort einst zu den Siegern. Mit Niki Lauda, James Hunt und Emerson Fittipaldi waren noch bei der finalen Ausgabe 1978 die Weltmeister der letzten vier Jahre am Start.

James Hunt wird für seinen Sieg bei der BRDC International Trophy 1974 geehrt, Foto: Phipps/Sutton
James Hunt wird für seinen Sieg bei der BRDC International Trophy 1974 geehrt, Foto: Phipps/Sutton

1961 fanden in Großbritannien fünf Rennen der "Interkontinentalen Formel" statt. Diese mit F1-Fahrzeugen ausgetragene Serie war auf Betreiben verschiedener Teams der Königsklasse entstanden. Sie wollten eine Konkurrenz zum Original schaffen, weil ihnen die dort damals neu eingeführte Hubraumbeschränkung nicht gefiel. Das Interesse an der "Interkontinentalen Formel" blieb jedoch mäßig, sodass sie nach nur einer kurzen Saison eingestellt wurde. 1966 entfiel schließlich jene strittige Motoren-Regel.

Auch in Italien und Frankreich fuhren die besten Piloten in den ersten beiden Jahrzehnten der Königsklasse regelmäßig außerhalb des offiziellen Kalenders. Deutschland dagegen war nur selten Austragungsort von F1-Rennen ohne WM-Status. In Stuttgart gab es von 1961 bis 1964 viermal den Großen Preis der Solitude auf der gleichnamigen Motorsport-Strecke im Westen der Stadt. Hinzu kamen einmalige Rennen auf der AVUS in Berlin und dem Hockenheimring.

F1-Piloten beim Großen Preis der Solitude 1961 in Stuttgart, Foto: Sutton
F1-Piloten beim Großen Preis der Solitude 1961 in Stuttgart, Foto: Sutton

In einzelnen Ländern gab es sogar nationale Ausgaben der Königsklasse. In Südafrika wurde von 1961 bis 1975 eine Formel-1-Meisterschaft veranstaltet. Der Rennkalender umfasste jährlich bis zu 13 Strecken, darunter waren immer wieder Abstecher ins angrenzende Simbabwe. Nur der in East London oder Kyalami ausgetragene Südafrika GP war dabei Teil der offiziellen F1-WM. Bei diesem Rennen traten dann auch die Stars der Königsklasse an. Ansonsten fuhren vor allem Einheimische und Briten um den Sieg.

Der Erfolg der F1 führt zum Ende der Rennen ohne WM-Status

Die Aurora-AFX-Formel-1-Serie war eine britische Meisterschaft für ältere F1-Autos, die von Ende der 70er- bis Anfang der 80er-Jahre stattfand. Bemerkenswert: Mit der Südafrikanerin Desiré Wilson gewann dort 1980 eine Frau ein Rennen. Auch Motorrad-Legende Giacomo Agostini nahm als Pilot an zwei Saisons teil. Neben Strecken in England fuhr die Serie auch in Italien, Belgien und den Niederlanden. Kein einziges Rennen hatte dabei WM-Status.

Die Südafrikanerin Desiré Wilson (hier 1981) gewann ein Formel-1-Rennen in der Aurora-AFX-Serie, Foto: Sutton
Die Südafrikanerin Desiré Wilson (hier 1981) gewann ein Formel-1-Rennen in der Aurora-AFX-Serie, Foto: Sutton

Die Bedeutung der Rennen ohne WM-Status hatte zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits abgenommen. Die Auto-Konzerne waren selbst aktiv in die Formel 1 eingestiegen und machten durch ihre Finanzstärke Nebeneinnahmen für die Fahrer und Teams unwichtiger. Die Königsklasse hatte weltweite Verbreitung gefunden und verdiente entsprechend.

Da sich auch noch die Testfahrten zunehmend auf zusammenhängende Tage vor Saisonbeginn konzentrierten, brauchte niemand im F1-Zirkus mehr die Zusatz-Events. Die Beteiligung, vor allem namhafter Fahrer, ging zurück. Dadurch rechnete sich die Organisation für die Veranstalter meist nicht mehr. Nico Rosbergs Vater Keke gewann das vermutlich letzte Rennen seiner Art 1983 in Brands Hatch.