Die Formel 1 kommt auch in der Winterpause nicht zur Ruhe. Kurz vor den lang erwarteten Motoren-Gipfeltreffen von F1-Kommission und Strategiegruppe Anfang kommender Woche in Genf plauderte Jean Todt ein weiteres Thema auf der Agenda für die Zusammenkunft in der Schweiz aus. Völlig überraschend steht Nachtanken nun doch wieder auf der Liste möglicher Maßnahmen, um die Formel 1 in Zukunft attraktiver zu gestalten.

"Ja, es ist wahr", bestätigte der FIA-Präsident gegenüber Autosport. Ursprünglich aufgekommen war die Idee im vergangenen Mai, im Zuge eines Maßnahmen-Katalogs der Strategiegruppe für 2017. Doch wurde der Vorschlag nach Kritik einiger Teams schnell verworfen. "Die Rückkehr zum Nachtanken war eine Riesendiskussion. Ich war gegenteiliger Meinung. Reifenwechsel reichen. Überhaupt keine Frage", sagte damals Niki Lauda zu Motorsport-Magazin.com.

"Auf der anderen Seite kann man mit Nachtanken strategisch mit weniger Sprit losfahren. Dann gibt es ein bisschen mehr Strategie. Mir ist es egal. Ich glaube, es wurde seinerzeit aus Kostengründen abgeschafft", schilderte Lauda die Hintergründe.

Experten sehen nur Nachteile durch Nachtanken

Auch Monisha Kaltenborn zeigte sich über den Vorschlag alles andere als begeistert, verwies gleich auf zwei Kritikpunkte. "Wir haben damals das Nachtanken aus zwei Gründen abgeschafft: Erstens die Kosten - und damals waren viele Teams dabei, die sich das locker hätten leisten können - und zweitens die Sicherheit. Und jetzt heißt es in einer Presserklärung, darüber wird nachgedacht und ein paar Absätze darunter steht, wir denken über Kostenreduktion nach. Wie soll denn das gehen? Das ist ein Widerspruch in sich. Wir haben alle einen Aufkleber auf dem Auto, der für Road Safety steht. Und dann kommen wir mit dem Nachtanken zurück", wetterte die Sauber-Teamchefin im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com.

Genauso kritisch äußerte sich Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner: "Meine Frage ist, was jetzt anders ist als damals, als die Tankstopps verboten wurden? Tankstopps bedeuten, dass man eine unfassbar teure Maschinerie an Equipment anschaffen muss, eine unfassbare Maschinerie an Equipment um die Welt fliegen muss, warten muss und noch dazu die Chance hat, dass das Ding kaputt geht. Man denke an abgerissene Schläuche oder Feuer. Es ist nur ein Aufblasen der Kosten."

Todt kontert: Zeiten haben sich geändert!

Doch nun hält Jean Todt dagegen, will im technologischen und logistischen Fortschritt eine Antwort gefunden haben. "Kennen Sie den Grund, warum Nachtanken verboten wurde? Es waren die Kosten, die Tankanlage zu transportieren. Jetzt sind wir in einer Art moderner Ära, in der wir wissen, wie das funktioniert. Wir sprechen über 50.000 Euro pro Jahr. Wenn es gut für die Show ist ... ich bin dafür, die Kosten zu reduzieren, aber das spielt keine Schlüsselrolle bei den Gesamtkosten der Formel 1", sagt der Franzose. Ein paar Zweifel habe er allerdings auch, man dürfe Vorschläge allerdings nicht leichtfertig verwerfen, ergänzt Todt.

Pat Symonds widerspricht. "Es wird weit mehr kosten als 50.000 Euro - das wird nicht einmal für die Frachtkosten reichen", zitiert die L'Equipe den Williams-Technikchef. "Außerdem wird es Auswirkungen auf die Rennstrategie haben, mir jedenfalls würde es leidtun, sollte es zurückkommen." Teamchefin Claire Williams sieht derweil das durch die Hybrid-Technik gerade erworbene halbwegs grüne Image der F1 in Gefahr, sollten Tankstopps wieder zur Tagesordnung gehören.

Jacques Villeneuve bezweifelt derweil, dass Nachtanken der Formel 1 auch nur im Entferntesten nutzen könnte - egal wie man es gestaltet. "War das Racing damit besser? Nein, das war es nicht. Das Racing war langweilig, weil alles über die Strategie lief und in der Boxengasse passierte. Die Leute haben einfach vergessen, dass es nicht gut war. Warum sollten wir dazu zurückkehren? Welchen Sinn hat das? Es ist teuer, es ist gefährlich, es bedeutet, dass man immer ein perfektes Setup hat. Denn das Auto ist immer leicht. Man muss sich nicht entscheiden. Das gleiche gilt übrigens auch für das DRS. Dadurch muss man sich nie entscheiden, ob man in Monza High- oder Low Downforce fährt. Es gibt absolut keinen Grund, wieder Tankstopps einzuführen", kritisierte der Ex-Weltmeister in einer Brandrede bei Motorsport-Magazin.com.

Villeneuve zu 100 Prozent gegen Nachtanken

Danner ist ebenfalls skeptisch, was strategische Belange angeht. "Gehen wir wieder auf das System zurück, bei dem man im Qualifying mit der Spritladung für das Rennen fahren muss? Wollen wir dieses Chaos wieder haben oder geben wir die Spritmenge bekannt? An zwei Stopps im Durchschnitt wird sich nicht viel ändern und dann haben wir wieder 100 Kilogramm Sprit, denn die Gesamtmenge soll ja bleiben. Wo sind da die Unterschiede? Es ist ja nicht so, dass einer mit einer Vierstopp-Strategie fährt und der andere mit einer Einstopp-Strategie. Diese Zeiten sind vorbei", sagte Danner.

"Ich bin zu 100 Prozent dagegen. Was bringt das der Show? Warum macht man das? Wen interessiert es, ob die Autos am Start des Rennens leichter sind? Das ist nicht das Problem. Denn selbst am Ende des Rennens oder im Qualifying können die Fahrer nicht voll angreifen, weil sie sonst ihre Reifen zerstören. Was soll es da bringen, die Autos leichter zu machen? Wenn man sie leichter machen möchte, sollte man die ganzen Elektromotoren loswerden. Sie wiegen rund 100 Kilo", kritisierte Ex-Weltmeister Jacques Villeneuve bei Motorsport-Magazin.com. Wie gut, das auch dieses Thema in Genf auf der Agenda steht ...

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