Für Romain Grosjean beginnt 2016 ein neuer Abschnitt seiner Karriere. Nach vier Jahren bei Lotus heuert der in Genf geborene Franzose beim neuen US-Team Haas an, wo er als Entwicklungshelfer dazu beitragen soll, dass der Rennstall möglichst rasch Erfolgserlebnisse feiern kann. Während der eine oder andere Beobachter Grosjeans Schritt kritisch betrachtet, ist der 29-Jährige von seinem Weg überzeugt.

"Das ist sicherlich eine völlig neue Herausforderung. Aber wie Gene [Haas] und Günther Steiner an die Formel 1 herantreten, wie sie die Partnerschaft mit Ferrari zustande gebracht haben und wie Gene mit seinem Unternehmen und auch in der NASCAR Erfolg hat, gefällt mir", erklärt Grosjean im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. "Ja, es bedeutet eine Veränderung für mich, und auf uns wartet viel Arbeit. Aber ich denke, dass es der richtige Schritt für meine Karriere war."

Grosjeans Abschied von Lotus fällt just mit der Übernahme des Teams durch Renault zusammen. Dennoch bringt ihn dieser Umstand nicht zum Zweifeln. "Ich weiß schon, was ich gemacht habe", ist Grosjean überzeugt. "Idealerweise würde ich gerne Weltmeister mit Renault werden. Das als französischer Fahrer mit einem französischen Team zu schaffen, wäre etwas ganz Besonderes. Sie werden eine Zeit benötigen, bis sie so weit sind. Wer weiß schon, was die Zukunft bringt. Aber für mich war es wichtig, jetzt neue Erfahrungen zu sammeln. Und Gene ist nicht in die Formel 1 gekommen, um Letzter in der Startaufstellung zu sein. Das klang für mich schon sexy."

Grosjean fuhr in Abu Dhabi sein letztes Rennen für Lotus, Foto: Sutton
Grosjean fuhr in Abu Dhabi sein letztes Rennen für Lotus, Foto: Sutton

Näher an Ferrari dran

Überzeugt hat Grosjean nicht zuletzt die realistische Herangehensweise, die das Haas-Team verfolgt, das sich anders als die letzten Neueinsteiger HRT, Caterham und Marussia zügig in der Königsklasse etablieren will. "Sie kamen zu mir und haben mir ihren Plan erklärt. Dann haben wir uns schnell geeinigt", betont Grosjean, der verrät, dass Renault gewusst habe, dass er über zwei Optionen verfügt - eine Vertragsverlängerung sowie den Wechsel zu Haas. "Zu einem gewissen Zeitpunkt musst du deinen Weg gehen. Es gab genügend Signale, die mir das Gefühl gaben, die richtige Wahl getroffen zu haben."

Da Haas eine enge technische Partnerschaft mit Ferrari pflegt, im Zuge derer neben dem Motor noch viele weitere Teile übernommen werden, liegt der Schluss nahe, dass Grosjean seinen neuen Arbeitgeber nur als Zwischenstation sieht, um eines Tages nach Maranello zu gelangen. Im besten Falle bereits 2017, wenn Kimi Räikkönens Vertrag ausgelaufen ist. "Ich denke, dass jeder Fahrer eines Tages gerne bei Ferrari fahren würde. Natürlich würde ich gerne für die Scuderia starten - ob in einem, in fünf, oder in zehn Jahren. Ich kann sagen, dass ich mit Haas jetzt sicherlich näher dran bin", gibt der Franzose offen zu, fügt aber an: "Jetzt will ich aber erst mal zu einem neuen Team und Punkte erzielen."

Grosjean ist klar, dass der Schritt zu einem Top-Team bald erfolgen muss, schließlich wird auch er nicht jünger. "Lieber früher als später. Aber ich habe meine Karriere relativ spät begonnen, vielleicht kann ich sie etwas verlängern", gibt der 29-Jährige zu bedenken. "Vielleicht kann ich fahren, bis ich 36 oder 37 Jahre alt bin. Ich weiß es noch nicht, das sehen wir dann. Jetzt will ich erst mal versuchen, mit Haas so weit wie möglich nach vorne zu kommen."

Einst waren sie Teamkollegen - jetzt will Grosjean Räikkönen bei Ferrari beerben, Foto: Sutton
Einst waren sie Teamkollegen - jetzt will Grosjean Räikkönen bei Ferrari beerben, Foto: Sutton

Danner: Grosjeans Wechsel zu 100% die richtige Entscheidung

Einige Details zu Grosjeans Wechsel kennt Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner, da Martin Reiss, der einst auch ihn in der Formel 1 betreute, nun als Manager des Franzosen auftritt. "Martin hat das sehr geschickt gemacht und hat alle Optionen, die es für Romain gab, offen gehalten. Er hat aber relativ bald erkannt, dass sich die Situation bei Lotus hinziehen würde, schließlich war er einer der Initiatoren der Verhandlungen zwischen Lotus und Renault. Somit war er auf diesem Gebiet immer auf dem neuesten Stand", verrät Danner.

Eines Tages kam es zu einem Treffen zwischen Danner und Reiss, bei dem der ehemalige Formel-1-Pilot nach seiner Meinung gefragt wurde. "Meine Antwort war klar: 'Geh' zu Haas'", fiel die Expertise aus. Denn für Danner steht fest: "Natürlich muss er zu Haas gehen, um die Chance auf ein Ferrari-Cockpit zu haben, wenn Kimi aufhört." Doch selbst sollte der angestrebte Wechsel nach Maranello nicht klappen, sieht Danner Grosjean bestens aufgehoben: "Das Team ist gut durchfinanziert, die Technik ist spitze und ich bin absolut sicher, dass sie es gut hinbekommen werden und keinen holprigen Start erleben. Somit ist der Wechsel mittelfristig gesehen eine strategisch gute Entscheidung."

Zudem erachtet Danner Haas als Karriere-Plattform, die Grosjean auch die Türen zu anderen Top-Teams öffnen kann. "Sollte er bei Haas eine gute Saison fahren, könnte danach auch ein anderer Teamchef wie Eric Boullier anklopfen und sagen: 'Ich wusste schon immer, dass du ein guter Fahrer bist und jetzt funktioniert auch unser Honda-Motor!', zeigt er die Möglichkeiten auf. Für den Deutschen steht fest: "Grosjean wartet nur darauf, in die erste Garde vorzustoßen. So gesehen war der Wechsel in meinen Augen zu 100% die richtige Entscheidung."

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