Auf dem Papier war Mercedes 2015 sogar noch dominanter als in der schon bärenstarken Vorsaison. Doch der Weg zu den grandiosen Erfolgen und neuen Bestmarken war beschwerlicher als die Statistiken verraten. Ferrari war in vielen Rennen recht nah dran an den Silberpfeilen, in einigen sogar auf Augenhöhe mit Mercedes.

Nun bläst Maranello in der Winterpause zum Großangriff auf das Weltmeisterteam für die Saison 2016. Technikdirektor James Allison sieht eine realistische Chance für die Scuderia, Mercedes vom F1-Thron zu stoßen. "Wenn wir all das tun, was wir vorhaben, haben wir eine realistische Chance, dass nächstes Jahr ein klassisches Jahr für die F1 wird - und für Ferrari ein noch stärkeres, hoffe ich", sagt Allison der britischen BBC. "Aber es zu sagen ist einfach, es zu tun viel, viel härter."

Um Kimi Räikkönen zu schlagen, muss Sebastian Vettel schon alles geben, Foto: Sutton
Um Kimi Räikkönen zu schlagen, muss Sebastian Vettel schon alles geben, Foto: Sutton

Räikkönen treibt Vettel zu Spitzenleistungen

Was dem 47-Jährigen zusätzlich Hoffnung spendet, ist seine Fahrerpaarung. "Ich freue mich auf die nächste Saison, weil ich weiß, dass die Beziehung zwischen ihnen stark bleiben wird und sie sich gegenseitig anstacheln werden. Kimi ist ein sehr erfahrener und starker Fahrer und ich bin gespannt zu sehen, was er nächstes Jahr ausrichten kann", sagt Allison.

Gerade der routinierte Finne sei sehr noch viel stärker als das Punkteklassement spiegele. Das habe er nicht zuletzt mit einem fantastischen zweiten Platz in Bahrain bewiesen. "Und es gab eine ganze Reihe anderer Gelegenheiten, wo er Sebastian ins Schwitzen gebracht und ihn genötigt hat, sich zu strecken, um seinen Teamkollegen in Schach zu halten. Rennen wie Silverstone, wo Sebastian ganz ehrlich gesagt hat, dass er in diversen Abschnitten nicht mit Kimi mithalten konnte, einfach nicht so schnell war", beschreibt der Technikchef.

Allerdings hätte sich zu anderen Zeitpunkten im Saisonverlauf bei Räikkönen leider ein paar Fehler eingeschlichen. Damit nicht genug. "Er hatte einiges Male richtig Pech, als unsere Standfestigkeit ihn im Stich gelassen hat. Aber wir haben über die Saison hinweg gesehen, vor allem in letzter Zeit, dass Kimi Sebastian wirklich für sein Geld hat arbeiten lassen", lobt und entschuldigt sich Allison in einem Atemzug.

Allison: Vettel wirkt Wunder im Ferrari

Wie bei Räikkönen zieht Allison auch bei Sebastian Vettel den Bahrain GP als Indikator für dessen Leistungen heran. Allerdings aus anderem Grund. Es sei das 2015 schwächste Rennen von Vettel gewesen, meint Allison. In Bahrain habe Vettel einen oder zwei Fehler gemacht. Warum also Bahrain? Ganz einfach: Sonst habe sich der Deutsche fast nichts mehr zuschulden kommen lassen. "Nur gelegentlich, ein oder zwei Mal in einem ganzen Jahr mit tausenden von Runden, siehst du den Beweis, dass es keine Maschine, sondern ein Mensch ist. Und das beweist die Größe der Leistung in all den anderen Rennen", sagt Allison.

Den Mexiko GP, den Vettel wegen gleich mehrerer Fehler selbst als seinen Tiefpunkt gebrandmarkt hatte, lässt Allison aus. Viel zu sehr ist er damit beschäftigt, Vettel für den Rest zu loben. "Wir haben kein Auto, das so gut ist wie der Mercedes. Das ist offensichtlich. Aber trotzdem haben wir drei Rennen gewonnen. Sebastian hat alle drei gewonnen. Der Grund dafür, dass er diese drei gewonnen und es so oft auf das Podium geschafft hat, ist, dass wir ihn eine Art Wunderarbeit vollbringen sehen, wie er das Auto in eine konkurrenzfähige Position bringt. Denn das Auto ist noch nicht gut genug, das Siegauto zu sein. Und er liefert diese Wunder - Runde für Runde, Rennen für Rennen, Wochenende für Wochenende", schwärmt Allison.

Sebastian Vettel folgt auf vielerlei Weise Michael Schumachers Karriereweg, Foto: Motorsport-Magazin.com/Sutton
Sebastian Vettel folgt auf vielerlei Weise Michael Schumachers Karriereweg, Foto: Motorsport-Magazin.com/Sutton

Vettel ein ganz besonderer Typ - wie Schumacher

Was Vettel so stark macht? Laut Allison vor allem eine ganz besondere, seltene Eigenschaft. "Bei Fahrern ist die Hauptsache, die du von ihnen willst, dass sie schnell sind und keine Fehler machen. Und recht oft ist der Typ Persönlichkeit, der dafür nötig ist, keine Fehler zu machen und schnell zu sein nicht unbedingt der sympathischste Charakter", sagt Allison. Ganz anders Vettel. "Sebastian ist einer der ungewöhnlichen Charaktere, der sehr direkt und einfach ist. Ohne Ego ist falsch, aber er hält sein Ego in Schach, um Teil des Teams zu sein. Das macht es a) ein Vergnügen und b) erhöht es die Power der Gruppe, wenn derjenige, der am Sonntag liefern muss, Teil des Team sein möchte", sagt Allison.

Für den Technikchef bereits das zweite Mal, dass er mit einer solchen Persönlichkeit zusammenarbeitet. "Ich habe mit zwei Kerlen gearbeitet, die wirklich, wirklich den Wert in einem Team zu sein, verstanden haben. Der eine war Michael, der andere Sebastian. Das soll die anderen nicht verunglimpfen, aber es ist eine besondere Stärke in Sebastian und war eine besondere Stärke von Michael", erinnert Allison.