Wie ist die Renault-Übernahme zu bewerten?
Christian Danner: Grundsätzlich ist das im Sinne der Formel 1 sehr, sehr positiv zu bewerten. Weil ein Motorenhersteller mehr da ist, der auf absehbare Zeit sehr wichtig ist. Denn wir fahren aktuell noch mit den Power Units - wie sich diese Angelegenheit in Zukunft entwickeln wird, ist eine andere Frage. Außerdem wird ein Team, das sich in stürmischen Gewässern befand, dadurch stabilisiert. Für das Produkt Formel 1 ist die Übernahme hervorragend.

Red Bull profitiert davon auch, weil der Motor weiterentwickelt wird?
Christian Danner: Ob der Motor besser wird oder nicht, das steht in den Sternen. Die Lernkurve bei Renault ist bislang relativ horizontal verlaufen. Ob sich das dadurch ändern wird, ist schwer zu beurteilen. Das ist derzeit vielleicht auch gar nicht so wichtig: Dass Red Bull die Motoren noch bekommt, ist eine Notlösung, die irgendwie schon passt. Der Durchbruch für Red Bull ist das aber nicht.

In erster Linie ist Renaults Einstieg gut für die Formel 1. In zweiter Linie auch noch? Wird es mit einem weiteren Hersteller nicht noch schwieriger, einen Konsens in sportpolitischen Fragen zu finden?
Christian Danner: Ich glaube es wird nicht schwieriger. Denn die größte Klippe ist umschifft. Die größte Gefahr bestand durch den Alternativmotor, einen Red-Bull- und Renault-Ausstieg. Jetzt geht es darum, wie der leistungsstarke und gleichzeitig billige Hybrid-Turbomotor aussehen soll, der auch von kleineren Schmieden wie Ilmor oder Cosworth gebaut werden kann. Es ist nicht so, dass die Parteien darüber noch nicht gesprochen hätten. Ich sehe da im Moment ein sehr vernünftiges Miteinander. Das liegt auch daran, dass die drei großen Europäer Dieter Zetsche, Carlos Ghosn und Sergio Marchionne auch in ihrem automobilen Tagesgeschäft miteinander zu tun haben und teilweise kooperieren. In letzter Instant gibt es hier - wie ich glaube - kein großes Drama.

Was können wir sportlich kurz- und dann langfristig vom Renault Werksteam erwarten?
Christian Danner: Kurzfristig erwarte ich einen leichten Durchhänger. Aus zwei Gründen: Erstens, das Team ist seit der Zeit mit Räikkönen und Grosjean, als es um Grand-Prix-Siege gefahren ist, technisch ein wenig ausgeblutet. Viele Leute sind weggegangen. Zweitens: Einen Grosjean zu ersetzen, ist ersteinmal so gut wie unmöglich. Und der war schließlich der Garant für Punkte.

Auf der anderen Seite gibt es in Enstone eine sehr solide Basis, die man mit den nötigen Mitteln durchaus wieder auf Vordermann bringen kann. Langfristig glaube ich - und das hat das Team schon öfters bewiesen -, dass es bei richtiger Führung durchaus um die Weltmeisterschaft fahren kann. Das Team! Wie sich die Motorenproblematik entwickeln wird, ist noch nicht ganz klar, auch durch das Reglement. Langfristig ist von ihnen aber auf jeden Fall Erfolg zu erwarten.

Knackpunkt Teamchef

Renault braucht wieder einen starken Mann wie Briatore an der Spitze, Foto: Sutton
Renault braucht wieder einen starken Mann wie Briatore an der Spitze, Foto: Sutton

Sie haben es schon erwähnt: Richtige Führung. Wer führt denn das Team?
Christian Danner: Das ist die entscheidende Frage. Der Erfolgsgarant des Renault Teams der Alonso-Jahre, war letztendlich Flavio Briatore. Die Kombination eines echten Durchblickers und eines Fahrers, der auch um die Weltmeisterschaft fahren kann, das ist nicht ganz so einfach. Wer wird das sein? Diese Frage stellen sich derzeit alle. Cyril Abiteboul halte ich für ausgeschlossen. Alain Prost genauso, weil er schon selbst gesagt hat, dass er es nicht machen will. Dafür hat er auch gute Gründe. Die Frage lautet: Wen setzt Renault hier ein, der auf der einen Seite einen Apparat wie Enstone managen und auf der anderen Seite die ganzen Hausaufgaben in Frankreich in der Motorenabteilung innerhalb des Konzerns managen kann? Dafür braucht man einen echten Durchblicker. Aktuell weiß ich nicht, wer das machen soll. Daran kann es aber schnell scheitern.

Alain Prost nicht als Teamchef, dafür in einer ähnlichen Position wie Niki Lauda bei Mercedes?
Christian Danner: Natürlich! Alain Prost kann das Bindeglied zu Renault darstellen, das ist er jetzt schon. Wenn ich das organisieren würde, würde ich Alain Prost als eine Art Niki und Außenminister installieren, der sich permanent mit der Vorstandsetage kurzschließt. Dazu würde ich einen Geschäftsführer einsetzen, der sich um das Tagesgeschäft kümmert. Als Teamchef braucht man jemanden, der mit der Szene und dem Formel-1-Tagesgeschäft vertraut ist. Eric Boullier wäre die Idealbesetzung, ab er ist bei McLaren und dort auch ganz zufrieden. Für den Posten des Teamchefs braucht man jemanden, der einen technischen Hintergrund hat und politisch mit allen Wassern gewaschen ist.