Sebastian Vettel streicht ausgerechnet beim Saisonfinale in Abu Dhabi das erste Mal in seiner Zeit bei Ferrari bereits im ersten Teil des Qualifyings die Segel. 0,012 Sekunden fehlen dem Deutschen zum Einzug in Q2. Ein klarer Fehler der Scuderia. Die Italiener hatten es nicht für nötig erachtet, Vettel eine schnelle Runde auf der weicheren Reifenmischung beenden zu lassen.

"Wir dachten, dass die Runde auf den Soft-Reifen schnell genug war", erklärt Vettel. Sein Versäumnis war die Szene allerdings nicht. Maurizio Arrivabene sieht die Schuld klar in der Strategieabteilung des Teams. "Ein großer Fehler auf unserer Seite", räumt der Teamchef ein. Längst nicht das erste Mal, dass Ferrari mit peinlichen Strategie-Patzern aufgefallen ist. Motorsport-Magazin.com hat eine Auswahl der jüngeren Fehler zusammengestellt.

Alonso per Strategie vor Webber gerast, aber hinter Petrov festgesteckt, während Vettel vorne zur WM rast, Foto: Sutton
Alonso per Strategie vor Webber gerast, aber hinter Petrov festgesteckt, während Vettel vorne zur WM rast, Foto: Sutton

Abu Dhabi 2010: Alonsos Verhängnis

Der wohl dramatischste Strategie-Fehler Ferraris ereignete sich ebenfalls in Abu Dhabi. Vor fünf Jahren durfte sich Sebastian Vettel - damals noch im Red Bull - allerdings noch extrem darüber freuen. Fernando Alonso hingegen nicht. Der damalige - dank 19 Punkten Vorsprung auf Vettel - haushohe WM-Favorit in Diensten der Scuderia verspielte in einem unvergesslichen Saisonfinale tatsächlich noch den Titel. Schuld waren die Strategen von Ferrari.

Warum? Sie hatten sich das gesamte Rennen über einzig darauf konzentriert, Vettels Teamkollegen Mark Webber zu covern. Immerhin war der Australier vor dem Start der nach Punkten gefährlichere WM-Rivale. Dieser Plan ging auch auf - Alonso rettete sich tatsächlich vor Webber ins Ziel. Das Problem: Das restliche Geschehen hatte Ferrari einfach vergessen. Während Vettel an der Spitze WM-Kurs setzte, fiel Alonso hinter sogar Vitaly Petrov im Renault zurück. Einen Weg vorbei fand der Spanier nicht mehr.

"Wir hatten das Auto und den Fahrer, um den Titel zu gewinnen. Wir haben es nicht geschafft, weil wir bei der Strategie einen Fehler gemacht haben. Es nützt auch nichts, nach Ausreden zu suchen", gestand Strategie-Chef Chris Dyer.

Im britischen Regen ging es für Räikkönen gründlich daneben, Foto: Sutton
Im britischen Regen ging es für Räikkönen gründlich daneben, Foto: Sutton

Großbritannien 2015: Räikkönen zu früh auf Intermediates

Schon vor dem Patzer in Abu Dhabi leistete sich Ferrari in der laufenden Saison einen gehörigen Strategie-Fauxpas. Beim Großbritannien GP zeigte Kimi Räikkönen ein starkes Wochenende, war schneller unterwegs als Sebastian Vettel - bis im Rennen der Regen kam: Der Iceman wechselte viel zu früh auf Intermediates. Plötzlich trocknete die Strecke allerdings wieder ab. So verlor Räikkönen im Regen drei Positionen - mehr als jeder andere Pilot. "Es war die falsche Wahl, aber wir haben es versucht", gab er später zu.

"Die Strategen machen einen wunderbaren Job, aber wenn es regnet, ist es der Fahrer, der die letzte Entscheidung trifft", kommentierte Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene. Der Italiener machte Räikkönen aber keinen Vorwurf. Es sei einfach Pech gewesen. "Seine Strategie war identisch mit der von Sebastian, aber er dachte, es sei besser, wenn er reinkommt. Hätte es stärker geregnet, hätte er das Rennen vielleicht gewonnen." Unter dem Strich blieb somit aber nur ein unbefriedigender achter Platz - weit unter den Möglichkeiten.

Kimi Räikkönen trauerte in Malaysia der verspielten Chance hinterher, Foto: Sutton
Kimi Räikkönen trauerte in Malaysia der verspielten Chance hinterher, Foto: Sutton

Malaysia 2015: Falsches Timing bei Räikkönen

Wenn in Großbritannien der Fehler tendenziell eher auf die Kappe des Finnen ging, war es ein paar Wochen zuvor Ferrari, das den Finnen strategisch im Stich ließ. Bei aufziehendem Regen im Qualifying wetterte Räikkönen nach frühem Aus in Q2 gegen die Planung der Scuderia. Er sei zu weit hinten auf der Strecke gewesen, um noch eine schnelle Runde mit den Slicks zu beenden.

"Es war falsches Timing. Wir hatten einen Plan, an den hält man sich und das war diesmal falsch. Wir hätten früher rausgehen müssen", polterte Räikkönen. "Ich hatte erwartet, stark im Qualifying zu sein, aber so wie es gelaufen ist, war es die pure Verschwendung. Das ist enttäuschend, wenn du so schnell bist und dann so etwas passiert." Besonders bitter: Vom elften Startplatz geriet Räikkönen in Runde eins sofort in Probleme. Ein aufgeschlitzter Reifen - ausgerechnet kurz nach der Boxeneinfahrt - ruinierte auch den Sonntag. Wobei der Finne selbst seinen Job mit einer Aufholjagd bis auf Rang vier mehr als erledigte.

Durch einen haarsträubenden Fehler Ferraris startete Räikkönen hinter einem Marussia, Foto: Sutton
Durch einen haarsträubenden Fehler Ferraris startete Räikkönen hinter einem Marussia, Foto: Sutton

Ungarn 2014: Haarsträubende Panne im Q1

Malaysia war allerdings bei Weitem nicht der erste Strategie-Klops, den Räikkönen zuletzt bei Ferrari erlebte. Erst in Ungarn 2014 lieferte Ferrari im Qualifying eine desaströse Vorstellung. Nach einem schwachen ersten Run erachtete Ferrari die Zeit Räikkönens dennoch als schnell genug für Q2 und entschied, den Finnen nicht noch einmal herauszuschicken, um Reifen zu sparen. Ein haarsträubender Fehler. Im unterlegenen Marussia kickte ausgerechnet Ferrari-Academy-Pilot Jules Bianchi Räikkönen ins Aus.

Per Twitter schickte Ferrari eine erste Entschuldigung an den Finnen. Der war trotzdem sauer. "Ich wäre gerne mehr gefahren und habe ein paar Mal gefragt, ob ich denn nicht doch noch einmal auf die Strecke gehen soll. Das Team war der Meinung, dass es auch so reicht, aber das Ergebnis kennen wir ja", kommentierte Räikkönen vielsagend.

In Belgien übertrieb es Ferrari mit der Laufzeit des Reifens, Foto: Sutton
In Belgien übertrieb es Ferrari mit der Laufzeit des Reifens, Foto: Sutton

Belgien 2015: Vettels gefährlicher Mega-Stint

Abu Dhabi war für Sebastian Vettel nicht der erste strategische Tiefschlag des Jahres. Noch bitterer als sein Aus in Q1 in der Wüste, war eine Szene kurz vor Rennende des Belgien GP. Bis kurz vor Schluss lag Vettel - als einziger mit einer Ein-Stopp-Strategie unterwegs - aussichtsreich auf Podiumskurs. Doch plötzlich platzte kurz nach der Eau Rouge spektakulär einer der 28 Runden alten Reifen an seinem Ferrari. Statt Platz drei stand ein Ausfall zu buche.

Während Vettel in einer ersten Reaktion heftig gegen Pirelli wetterte, die Qualität der Reifen sei miserabel, konterte der Hersteller in Person von Motorsportchef Paul Hembery: "Es war ein Zwei- oder Drei-Stopp-Rennen und kein Ein-Stopp-Rennen. Sie haben es versucht, aber dieses Risiko hat sich nicht ausgezahlt. Der Reifen war einfach am Ende, deshalb haben alle anderen zwei oder drei Stopps gemacht. Manchmal funktionieren diese Sachen und dann sind sie genial und alles ist fantastisch. In diesem Fall sind sie aber leider etwas zu weit gegangen."

Maurizio Arrivabene sah das komplett anders. Die Ein-Stopp-Strategie sei kein Risiko gewesen, man habe keinen Fehler gemacht, so der Teamchef. Tatsächlich stellte Pirelli später exorbitant viele Schnitte in den Belgien-Reifen fest. Dennoch: Mit einer Strategie wie bei allen anderen auch hätte Ferrari den Ausfall jedoch leicht vermieden.

Bis Runde 30 konnte Vettel Rosberg hinter sich halten - dann der Fehler, Foto: Sutton
Bis Runde 30 konnte Vettel Rosberg hinter sich halten - dann der Fehler, Foto: Sutton

Japan 2015: Platz zwei verzockt

Und nochmal Vettel: Auch in Japan erwischte ihn der Strategie-Fluch. Nachdem sich die Mercedes beim Start ins Gehege gekommen waren, lag Sebastian Vettel nach wenigen Kurven aussichtsreich auf Platz zwei. Rosberg dahinter musste sich zunächst an Valtteri Bottas vorbeikämpfen. Im weiteren weiteren Verlauf versuchte Ferrari Vettel durch Trackposition vor Rosberg zu halten und verschob einen eigentlich geplanten Stopp nach hinten.

"Wir wollten selbst in dieser Runde reinkommen, haben uns dann aber überlegt mit dem Abstand zu Nico können wir es uns erlauben, nochmal eine Runde zu warten", berichtete Vettel von dem Ferrari-Fehler. Mercedes nutzte das gnadenlos aus. Ein Undercut schleuste Rosberg vorbei an Vettel. Platz zwei für Ferrari war futsch.