Sportlich ist beim Saisonfinale der Formel 1 in Abu Dhabi die Luft raus. Sportpolitisch mitnichten: Auf der einen Seite der endlose Motorenstreit rund um Renault und Red Bull. Am Samstag kam im Paddock noch ein weiteres prekäres Thema hinzu: Mercedes vermutet, dass Ferrari mit Hilfe von Haas die erlaubte Windkanalzeit überschreitet.

Es ist nicht das erste Mal, dass derlei Vermutungen auftauchen, doch Mercedes beließ es nicht nur bei Vermutungen. Paddy Lowe schickte deshalb bereits am 15. Oktober eine formale Anfrage an FIA Rennleiter Charlie Whiting, in der er um Klarstellung bezüglich des Reglements bat. Konkret geht es um die die Anhänge sechs und acht des Sportlichen Reglements.

In den entsprechenden Passagen werden die Aerodynamik-Test-Restriktionen genau definiert. Allerdings nicht genau genug. Seit diesem Jahr dürften die Teams nur noch einen Windkanal für die Entwicklung ihrer Formel-1-Boliden nutzen. Das Problem: Das 2016 in die Formel 1 kommende Team Haas F1 benutzt den gleichen Windkanal in Maranello, den auch der legendäre Rennstall selbst nutzt. Das ist problemlos möglich, weil der Windkanal durch die Restriktionen bei weitem nicht ausgelastet ist.

Ferrari und Haas entwickeln beide in Maranello, Foto: Amaduzzi/Sutton
Ferrari und Haas entwickeln beide in Maranello, Foto: Amaduzzi/Sutton

So weit, so gut. Allerdings ist fraglich, ob beide Aerodynamik-Mannschaften tatsächlich an komplett unterschiedlichen Dingen arbeiten. Das ist fast schwer zu glauben. Der Verdacht daher: Ferrari nutzt die Haas-Windkanalzeit, um das eigene Auto zu verbessern. Weil Haas viele Teile von Ferrari erhält, profitiert auch das amerikanische Team. Eine Win-Win-Situation.

Diesbezüglich wollte Paddy Lowe Klarheit. In einer vierseitigen Mail forderte er von Whiting Klarheit in zahlreichen Detailfragen. Es geht auch darum, ab wann ein Team ein Teilnehmer ist. Haas ist für 2016 engeschrieben, nimmt aber aktuell noch nicht an der Weltmeisterschaft teil. Außerdem will Mercedes Klarheit, was der FIA gemeldet werden muss, und ob ein Team Teile für ein anderes Team entwickeln darf.

Allem Anschein nach geht es Mercedes aber nicht darum, die Ferrari-Haas-Verbindung zu schwächen. Toto Wolff erklärte Kollege Maurizio Arrivabene am Freitag noch zum 'best frenemy', also als Mischung aus bestem Freund und bestem Freind.

Ferrari versteht Mercedes' Vorstoß jedenfalls nicht als Affront und erwartet auch keine Konsequenzen. "Es handelt sich hier nicht um einen Protest, sondern um ein 'Request for Settlement of a Matter', also nur um eine Regelklarstellung", sagte ein Ferrari-Sprecher zu Motorsport-Magazin.com. "Es gab schon mehrere Kontrollen der FIA und es wurde nichts beanstandet. Alles ist klar nachvollziehbar und es gibt hier keine Zusammenarbeit mit Haas."

Manor-Mercedes wie Haas-Ferrari?

Will Mercedes den Windkanal nicht nur für sich selbst nutzen?, Foto: Mercedes-Benz
Will Mercedes den Windkanal nicht nur für sich selbst nutzen?, Foto: Mercedes-Benz

Vielmehr dürfte Mercedes selbst auf der Suche nach einem geeigneten Partner sein und will deshalb die Rahmenbedingungen klar abstecken. Manor könnte ein heißer Kandidat dafür sein. Der Rennstall erhält ohnehin ab nächster Saison Motoren aus Brixworth, außerdem könnte der Rennstall dann mit Fahrer Pascal Wehrlein gleich zum perfekten Juniorteam gemacht werden. Die Kosten auf Manor-Seite würden dramatisch sinken.

Eigentlich bat Lowe Whiting darum, seine Anfrage nicht öffentlich zu machen. Diesem Wunsch kam die FIA nicht nach, weil die Thematik weitreichender sei. Alle Teams sind davon betroffen. Whiting selbst sieht sich für diese Frage nicht zuständig und verwies in seiner Antwortmail vom 13. November auf die Stewards, sollten Regeländerungen notwendig sein auf die entsprechenden Gremien Strategiegruppe und Formel-1-Kommission.

Deshalb liegt der Sachverhalt aktuell bei den vier Stewards in Abu Dhabi. Garry Connelly, Steve Stringwell, Khaled Bin Shaiban und Fahrer-Steward Derek Warwick beschäftigen sich nun mit Mercedes' Anfrage. Aufgrund der Komplexität des Problems bittet das Quartett um Mithilfe aller Teams. Jedes 2015 oder 2016 eingeschriebene Team kann bis Samstag um 16:00 Uhr bei den Stewards vorsprechen oder bis 17:00 Uhr am gleichen Tag einen schriftlichen Antrag einreichen. Eine Entscheidung haben die Stewards vor dem Rennstart am Sonntag angekündigt.