Die wichtigsten Entscheidungen der Formel-1-Saison 2015 sind längst gefallen, doch birgt das einen Vorteil für die verbliebenen zwei Grands Prix: Die meisten Teams und Fahrer können sich nun ganz auf Racing am Limit konzentrieren - ohne lästige taktische Überlegungen wegen des WM-Standes im Hinterkopf.

Ganz besonders gilt das an der Spitze des Feldes. Mercedes ist genauso Weltmeister wie Lewis Hamilton, Ferrari bereits sicher Zweiter, Williams so gut wie safe auf Rang drei vor Red Bull. In der Fahrer-WM streiten sich nur Nico Rosberg und Sebastian Vettel um den Vize-Titel, wenngleich der Sieg des Silberpfeil-Piloten und der Ausfall des Ferrari-Manns beim vergangenen Rennen eine Vorentscheidung brachten. Dahinter geht es im Kampf um Platz vier eng zu zwischen Kimi Räikkönen und dem Williams-Duo: Das Trio liegt innerhalb von neun Punkten.

Mercedes Favorit in Brasilien - aber Ferrari und Williams lauern auf ihre Chance, Foto: Sutton
Mercedes Favorit in Brasilien - aber Ferrari und Williams lauern auf ihre Chance, Foto: Sutton

Williams und Ferrari in Sao Paulo dran an Mercedes?

Besonders in diesen Regionen liegt auch das größte Spannungsmoment in Sao Paulo. Allzu groß sollten die Leistungsdifferenzen zwischen Mercedes, Ferrari und Williams - in dieser Rangfolge - nicht ausfallen. "Ferrari erlebte in Mexiko ein schlechtes Wochenende, aber sie werden in Brasilien zweifelsohne eine Gefahr sein. Das gleiche gilt für Williams, die beim letzten Rennen ein weiteres Podium erzielt haben", sagt Mercedes-Teamchef Toto Wolff.

Schon in Mexiko ging es enger zu als zunächst ersichtlich, meint auch Vettel. "Die Pace am Samstag in Mexiko war sehr vielversprechend, auch am Sonntag. Wir waren nur nicht in der richtigen Position", sagt der WM-Dritte. Entsprechend motiviert geht Vettel den Brasilien GP an. "Zwei Rennen stehen noch aus und das sind zwei potenzielle Siege, die wir noch einfahren können", sagt er. "Auch wenn wir wissen, dass es nicht leicht ist, weil andere die Favoriten sind. Wir versprechen, dass wir in den zwei Rennen alles geben, was wir haben - Maximum Attacke!", ergänzt Vettel.

2003 erlebte die F1 in Brasilien eine Regenlotterie, hier Michael Schumacher, Foto: Sutton
2003 erlebte die F1 in Brasilien eine Regenlotterie, hier Michael Schumacher, Foto: Sutton

Wetterchaos in Brasilien möglich

In die Karten spielen könnten der Scuderia dabei die zu Mexiko recht ähnlichen Verhältnisse. Sao Paulo liegt mit 750 Metern ebenfalls hoch über dem Meeresspiegel, ist mit 4,309 Kilometern Streckenlänge ähnlich kurz, verfügt über lange Vollgaspassagen und ein winkeliges Infield. Das erfordert erneut einen ziemlichen Kompromiss bei der aerodynamischen Fahrzeugabstimmung. Noch dazu bringt Pirelli erneut die Reifenmischungen Soft und Medium.

Auch dem Faktor Wetter kommt traditionell große Bedeutung zu. "Der Fakt, dass es eine kurze Strecke ist, heißt nicht, dass es leicht ist, das richtige Setup zu finden. Man muss viele Faktoren beachten, nicht zuletzt das Wetter", warnt Kimi Räikkönen. Tatsächlich sagen die Prognosen aktuell sogar Unwetter für das Wochenende voraus.

Massa Spezialist beim Heimrennen

Gerade deshalb kann sich Mercedes seiner Spitzenposition aus dem Vorjahr nicht sicher sein. Gute Chancen rechnen sich die Piloten der Silberpfeile in Interlagos dennoch aus. "Ich war dort für gewöhnlich sehr schnell und im vergangenen Jahr hatte ich ein gutes Duell mit Lewis, aus dem ich als Sieger hervorging. Es war ein super Gefühl, nach einem hart erkämpften Sieg dort oben auf dem Podium zu stehen. Das würde ich gerne wieder erleben", sagt Rosberg. Hamilton träumt derweil weiter von seinem ersten Brasilien-Sieg: "Als Kind habe ich immer davon geträumt, in Sao Paulo zu fahren. Es ist eines der wenigen Rennen, bei denen ich noch nicht gewonnen habe."

Dafür aber gewann Hamilton dort bereits einen WM-Titel: Im berühmten Herzschlagfinale gegen Felipe Massa 2008. Damals unterlag der Brasilianer trotz Sieges gegen den Briten. Insgesamt blickt Massa auf eine überragende Statistik bei seinem Heimrennen zurück - genauer gesagt fünf Podien, davon zwei Siege. "Ich liebe die Strecke und sie ist aus meiner Sicht eine der besten. Ich habe dort immer gute Ergebnisse erzielt und freue mich darauf, hoffentlich ein weiteres großartiges Resultat zu erreichen", hofft Massa.

Will Toro Rosso in der WM an Lotus vorbei, muss sich das Team strecken, Foto: Sutton
Will Toro Rosso in der WM an Lotus vorbei, muss sich das Team strecken, Foto: Sutton

Toro Rosso vor schwieriger Aufgabe gegen Lotus

Abgesehen von den drei Top-Teams dürfte unter halbwegs normalen Umständen keine vierte Partei in das Rennen um das Podium eingreifen. Die besten Chancen sind noch Force India zuzusprechen, denn Red Bull wird nach Informationen von Motorsport-Magazin.com Strafversetzungen verbüßen müssen, da offenbar endlich das seit zwei Rennen fertige Update des Renault-Verbrennungsmotors eingebaut werden soll.

Toro Rosso wird dieses zwar sicher nicht einsetzten, doch stehen die Chancen in Brasilien wegen der unterlegenen Power Unit aus dem Hause Renault auch so schon schlecht genug - gerade weil die Bergaufpassage im letzten Sektor ordentlich negativ zu Buche schlagen wird. Entsprechend schwierig wird sich ein nennenswerter Angriff auf Konstrukteursrang sechs gestalten. Dort hält aktuell das Mercedes-befeuerte Lotus F1 Team mit sechs Punkten Puffer.

Sauber, McLaren und Manor Marussia sind unterdessen mit zunehmender Ausprägung nur Außenseiterchancen einzuräumen.