Im ersten Jahr der Turbo-Hybrid-Formel konnte Renault mit Red Bull immerhin noch drei Rennsiege abstauben. Im zweiten Jahr sind Renault und Red Bull von Siegen so weit entfernt wie Viry von Brixworth. Während Ferrari bei der Power Unit einen großen Schritt machen konnte, tritt Renault noch immer auf der Stelle - auch von einem Schritt rückwärts ist die Rede.

Weil Red Bull mit Renault-Antrieb chancenlos ist, wurde der Motorenvertrag bereits vorzeitig aufgelöst. Der einstige Dauerweltmeister steht deshalb noch immer ohne Motorenausrüster für 2016 da. Wegen der großen Anfangsschwierigkeiten mit den Power Units und den noch immer großen Unterschieden zwischen den Herstellern sehen viele das aktuelle technische Reglement als gescheitert an.

Dabei ist es gar nicht die Hybrid-Formel, die Renault so große Sorgen bereitet. Beim Großen Preis von Brasilien wird höchstwahrscheinlich der überarbeitete Motor zum Einsatz kommen - elf Token bringen die Franzosen. Alle elf Token wurden in den Verbrennungsmotor investiert. Damit ist eigentlich klar: Hybrid ist nicht das Problem.

"Das Rückgewinnungssystem war eine große Sache, weil wir nie zuvor im Bereich der Elektronik gearbeitet haben. Wir hatten natürlich mit KERS eine Form der MGU-K, aber da gab es noch einen großen Schritt zu machen. Wenn man mit der 'K' fertig ist, die auf 120 Kilowatt limitiert ist, dazu noch eine ausreichend große Batterie im Auto und die MGU-H im Griff hat, damit man das meiste aus den Auspuffgasen holen kann, dann ist man mehr oder weniger fertig", sagte Renault Motorenchef Remi Taffin im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com.

MGU-K muss ganze Runde laufen

Weil das Reglement Grenzen für die Rekuperation aus MGU-K und auch ein Abgabemaximum aus der Batterie in Richtung MGU-K vorgibt, haben die Hersteller ihre Aufgabe erfüllt, sobald sie diese Limits erreichen. Höchstens 2 Megajoule darf die MGU-K pro Runde rekuperieren, mit maximal 4 Megajoule darf sie aus der Batterie gefüttert werden. Das alles bei einer Maximalleistung von 120 Kilowatt. "Es ist wichtig, dass die MGU-K beinahe die ganze Runde auf 120KW läuft. Das ist die Absicht. Wenn du das erreicht hast, machst du einen Haken dahinter."

Bei Mercedes hatten Turbolader und Co. von Anfang an die richtige Größe, Foto: Mercedes-Benz
Bei Mercedes hatten Turbolader und Co. von Anfang an die richtige Größe, Foto: Mercedes-Benz

Hier haben Ferrari und Renault ihre Lektionen im ersten Jahr gelernt. Vor allem bei Ferrari soll der Turbolader deutlich zu klein ausgefallen sein, was nicht nur bei der Aufladung verheerende Folgen hatte, sondern auch bei der Energiegewinnung mittels MGU-H. Auch Kleinigkeiten wie die Isolierung der Abgaskrümmer galt es zu verbessern. Inzwischen sind jene groben Konstruktionsfehler aber beseitigt.

"Natürlich kann man das System noch etwas kleiner und leichter machen. Was die Leistung betrifft, sind Ferrari, Mercedes und wir fertig", meint Taffin. Doch auch beim Gewicht sind den Herstellern Grenzen gesetzt. Die Power Unit muss insgesamt mindestens 145 Kilogramm wiegen, die Batterie muss zwischen 20 und 25 Kilogramm liegen.

MGU-H beeinträchtigt Verbrennungsmotor

Lediglich bei der Leistung der MGU-H gibt es keine Grenzen. Sie darf unlimitiert Energie aufnehmen und abgeben. Energie, die sie in die Batterie einspeist, kann später wieder an sie zurückgehen oder an die MGU-K - allerdings nur im Rahmen der maximal erlaubten 4 Megajoule. Die MGU-H kann aber auch direkt Energie an die MGU-K abgeben - unlimitiert viel.

Mehr Leistung aus MGU-H, weniger Power von ICE, Foto: Renault
Mehr Leistung aus MGU-H, weniger Power von ICE, Foto: Renault

"Mehr Energie aus der MGU-H bedeutet aber gleichzeitig, Energie vom Verbrennungsmotor wegzunehmen, weil der Abgasgegendruck steigt", erklärt Taffin. Heißt: Je stärker die MGU-H am Turbolader rekuperieren soll, desto mehr Widerstand erzeugt sie im Abgasstrom. Das wirkt sich dann wiederum auf den Verbrennungsmotor aus. Mehr Energie durch die MGU-H bedeutet also weniger Energie aus dem Verbrennungsmotor - ein Kuhhandel.

Doch wie ist es zu erklären, dass Renault sich fast den gesamten Rückstand am Verbrennungsmotor einfährt? Verbrennungsmotoren bauen die Franzosen seit mehr als einhundert Jahren. Taffin verteidigt: "Wenn wir uns an die V8- oder V10-Motoren erinnern: Sie hatten sehr hohe Drehzahlen im Bereich von 20.000 Umdrehungen, hatten keine Direkteinspritzung, waren Saugmotoren und hatten keine Benzindurchflussbegrenzung. Heute haben wir 1,6-Liter V6-Turbomotoren mit Direkteinspritzung - das ist etwas komplett anderes."

Qualifying-Nachteil ein ICE-Problem

Um die Bedeutung des Verbrennungsmotors zu verdeutlichen: Der Heizwert eines Kilogramms Benzin beträgt mehr als 40 Megajoule. Also mehr als das zehnfache jener Energie, welche die Batterie pro Runde an die MGU-K abgeben darf. Pro Runde werden im Rennbetrieb je nach Strecke knapp zwei Kilogramm Benzin verbrannt. Wenn man bedenkt, dass im Qualifying der maximale Benzindurchfluss von 100 Kilogramm pro Stunde die Leistung nach oben hin regelt, im Rennen aber die gesamte Benzinmenge von 100 Kilogramm für gut anderthalb Stunden, ist auch klar, warum Renaults Rückstand im Qualifying besonders groß ist.

Noch ist aber nicht alles verloren bei Renault, die Token sind nicht das Problem. Nach dem elf Token starken Update stehen über den Winter mindestens 25 Token zur Verfügung, wenn nicht sogar 32, sollte sich der jüngste Vorschlag durchsetzen. Auch wenn am Verbrennungsmotor die ersten Teile eingefroren werden, wichtige Bereiche wie Brennkammern und Zylinderkopf dürfen planmäßig bis 2018 weiterentwickelt werden.