Nico Rosbergs Bestzeit im 2. Mexiko-Training war nur ein kleiner Erfolg – doch er dürfte dem Mercedes-Piloten in diesen Tagen gut getan haben. Viel war passiert seit dem vorigen Rennen in den USA. Diskutables Startduell gegen Lewis Hamilton, der kapitale Fahrfehler kurz vor Schluss und später noch der Kappen-Wurf – langweilig wurde es im Lager der Silberpfeile nicht. Am Donnerstag in Mexiko war Rosberg relativ schmallippig, wollte sich kaum zu den heiklen Themen dieser Tage äußern.

Und Hamilton? Der alte und neue Weltmeister hatte Spaß, stieg mit Wrestlern in den Ring und erzählte von seinen Partyplänen nach der Saison. Der Brite scheint in diesem Jahr über jegliche Zweifel erhaben. Erstmals in seiner Formel-1-Karriere sicherte er sich den Titelgewinn vorzeitig. Hamilton strotzt in diesen Tagen nur so vor Selbstbewusstsein.

Tiger Woods als Beispiel

"Es gab mal eine Zeit, als niemand Tiger Woods besiegen konnte, weil er zu gut war", wurde Hamilton in Mexiko vom Telegraph zitiert. "Ich behaupte das nicht von mir selbst, weil ich lieber Taten auf der Strecke folgen lasse. Aber so ist es nun einmal im Sport. Es gibt so viele Möglichkeiten, zu gewinnen. Es ist nicht unmöglich."

Auch abseits der Strecke kann Hamilton ordentlich austeilen. Es sei das Schlimmste, sein Teamkollege zu sein, sagte er vor wenigen Tagen. Und legte mit Blick auf Rosbergs Fahrfehler in Texas nach: "Es ist nicht einfach, wenn du jemanden wie mich in deinen Rückspiegeln hast. Da ist eine Menge Druck." Rosberg konterte darauf nur leicht, meinte, dass es wegen solcher Sprüche noch schöner sei, Hamilton zu besiegen.

Bei Lewis Hamilton könnte es kaum besser laufen, Foto: Sutton
Bei Lewis Hamilton könnte es kaum besser laufen, Foto: Sutton

Lage bleibt angesapannt

Die Lage innerhalb des Mercedes-Lagers bleibt angespannt. Nach dem Start-Vorfall in Austin hatte die Mercedes-Führung Rosberg kollektiv den Rücken gestärkt und interne Gespräche vor Mexiko angekündigt. Zu einer großen Aussprache kam es aber nicht. Toto Wolff ruderte etwas zurück, suchte nur Einzelgespräche mit den Fahrern.

"Ich glaube, ich habe mir die erste Kurve 30 Mal angeschaut", sagte Wolff jetzt. "Nachdem ich es wieder und wieder gesehen habe, habe ich meine Meinung etwas revidiert. Wenn ich es in Prozenten ausdrücken wollte, dann bin ich von 70-30 zu 55-45 gegangen. Es war ein Rennzwischenfall mit einem schlechten Ausgang für Nico. Aber wahrscheinlich haben beide ihren Teil dazu beigetragen." Noch vor dieser Aussage hatte Rosberg erwartet, dass das Team angemessen mit der Situation umgeht – ob er mit der Lösung zufrieden ist?

Teamwechsel keine Option

Rosberg wird nun alles daran setzen, die letzten drei Rennen des Jahres zu gewinnen. Es geht nur um die Goldene Ananas – doch jeder Sieg würde dem Selbstvertrauen nur zu gut tun. Jeder Erfolg würde auch dazu führen, Diskussionen um seine Person zu beenden. Zuletzt musste er sich bereits die Frage gefallen lassen, ob ein Teamwechsel in Betracht komme – angesichts des vermeintlich unbesiegbaren Hamilton auf der anderen Seite der Garage.

"Ich habe eine langfristige Zukunft hier und bin stolz, Silberpfeil-Fahrer zu sein", wollte Rosberg erst gar keine Gerüchte aufkommen lassen. "Das ist nicht in meinen Gedanken." Dennoch muss er beweisen, dass er gegen seinen Teamkollegen bestehen kann. So, wie er es 2014 lange Zeit schaffte. Rosberg: "Meine beste Antwort sind Fakten. Letztes Jahr wurde der Titel im letzten Rennen entschieden mit einem Defekt, den ich hatte. Wenn der Defekt auf dem anderen Auto ist, gewinne ich den Titel."

Bei Mercedes herrscht kein Zweifel über Rosbergs fahrerische Fähigkeiten. Liefern muss er trotzdem. Sollte es auch 2016 so laufen wie in diesem Jahr, konnte sich Mercedes-Motorsportchef Wolff trotzdem nicht vorstellen, dass Rosberg das Handtuch wirft und das Team verlässt. "Ich denke, dass Nico nächstes Jahr Vollgas gibt", so Wolff. "Wenn es nicht so läuft wie er es sich vorstellt, bekommt er vielleicht solche Gedanken. Aber da ist er nicht, noch ist er nicht soweit. Und hoffentlich wird es auch nie dazu kommen."

Findet Rosberg rechtzeitig den Anschluss zu Hamilton?, Foto: Sutton
Findet Rosberg rechtzeitig den Anschluss zu Hamilton?, Foto: Sutton

Verkraftet Rosberg den Druck?

Die Frage lautet: Wie geht Rosberg mit dem Druck um, der von außen auf ihn einwirkt? Und wie kommt er selbst mit der Situation klar, von einigen Beobachtern als Nummer 2 bei Mercedes abgestempelt zu werden? "Das ist eine mentale Sache", sagte Juan-Pablo Montoya bei Motorsport-Magazin.com und war sicher, dass Rosberg zurückschlagen kann. Die Psychospielchen innerhalb der Truppe wollte Wolff jedenfalls nicht überbewerten. "Das geht in beide Richtungen", war er sicher. "Sie wären nicht hier, wenn sie nicht auch in Sachen Psychospielen ganz oben wären."

An dieser These gab es jedoch einige Zweifel nach dem berüchtigten Silberpfeil-Crash in Spa 2014. Nicht wenige glaubten, dass Rosberg die daraufhin folgende Standpauke der Mercedes-Chefs nicht so einfach weggesteckt habe. Wolff wehrte sich in Mexiko gegen diese Annahme: "Ich glaube nicht, dass es eine Nicht-Performance auslösen kann, wenn man deutlich – vielleicht hart – zu diesem speziellen Vorfall wird. Das ist nicht der Fall. Er (Rosberg;d.Red.) ist zu gut, als dass er sich von so etwas beeinflussen lassen würde."