Schauplatz des Saisonfinales 1976 ist Fuji in Japan. Das Rennen ist der Endpunkt einer F1-Saison, die von zwei Fahrern dominiert wurde, die kaum unterschiedlicher sein konnten: hier der exzentrische James Hunt, dort der pragmatische Niki Lauda. Drei Punkte liegt der Österreicher vor jenem Wochenende in der WM-Wertung in Front. Dass Lauda zu diesem Zeitpunkt aber überhaupt noch um die Weltmeisterschaft mitfahren kann, ist für viele Fans, Konkurrenten und Journalisten noch immer nicht zu fassen.

Zwölf Wochen zuvor kämpft Lauda nach dem Großen Preis von Deutschland um sein Leben. Es war das letzte Mal, dass die Formel 1 an der Nordschleife des Nürburgrings gastiert. Die Strecke galt als nicht mehr Formel-1-tauglich und es gab berechtigte Sicherheitsbedenken. Besonders Lauda hatte vor den Gefahren gewarnt. Im Rennen verliert er am Streckenabschnitt Bergwerk die Kontrolle über seinen Ferrari. Vermutlich nach einem Bruch der Aufhängung schlägt sein Auto in die Streckenbegrenzung und schleudert anschließend wieder zurück auf die Fahrbahn. Binnen Sekunden fängt es Feuer. Über eine halbe Minute sitzt Niki Lauda bewusstlos in den Flammen, geschützt nur durch seine Kopfhaube. Den Helm hat er nach dem Aufprall verloren.

Lauda dominiert die Weltmeisterschaft 1976 bis zu seinem Unfall, Foto: Sutton
Lauda dominiert die Weltmeisterschaft 1976 bis zu seinem Unfall, Foto: Sutton

Fahrerkollegen ziehen den damals 27-jährigen schließlich aus dem Auto. Der Ferrari-Pilot zieht sich schwere Verbrennungen im Gesicht zu, außerdem verätzt er sich die Lunge - vier Tage liegt Lauda im Koma. Umso verblüffter ist die Formel-1-Welt, als der Österreicher 42 Tage später beim Grand Prix von Monza wieder in die Königsklasse zurückkehrt. Lauda kann kaum seinen Overall anziehen und benötigt einen extra angefertigten Helm - wird jedoch sensationell Vierter im Rennen.

Laudas Vorsprung wird immer kleiner

James Hunt hat jedoch nicht nur am Nürburgring gewonnen, sondern in Laudas Abwesenheit auch in Zandvoort und ist plötzlich wieder im Rennen um den WM-Titel. Der Vorsprung des Österreichers verkleinert sich danach noch weiter, denn sein Hauptkonkurrent siegt auch in Kanada und den USA. Als Lauda nach Fuji reist, liegt er nur noch drei Punkte vor Hunt.

Damit könnten die Umstände des Formel-1-Finales kaum spannender sein. Die Medien schießen sich auf das Duell des ungleichen Paares ein - sehr zur Freude von Bernie Ecclestone, der auch damals schon Verantwortung für die Königsklasse trug. Jener Japan GP ist das erste F1-Rennen, das sich weltweiter Fernseh-Übertragungen erfreut.

Niki Lauda in Monza nach seinem Unfall, Foto: Sutton
Niki Lauda in Monza nach seinem Unfall, Foto: Sutton

Die TV-Zuschauer bekommen letztlich allerdings nur wenig vom Rennen zu sehen: Dichter Nebel und starker Regen sorgen nicht nur für schlechte Sicht, sondern auch für ernsthafte Sicherheitsdiskussionen unter den Fahrern. Soll man überhaupt starten? Beinahe anderthalb Stunden beratschlagen sich Piloten und Funktionäre. Letztlich setzen sich die Renn-Befürworter durch - auch, weil der Veranstalter auf einen Start drängt.

James Hunt biegt als Erster aus der dichten Nebelfront in Kurve 1, Lauda liegt bereits einige Plätze dahinter. Dann steuert der Österreicher schon in der zweiten Runde seine Box an. Das Team ist auf den Stopp nicht vorbereitet, doch ein Eingreifen wird erst gar nicht nötig sein: Der zu diesem Zeitpunkt noch amtierende Weltmeister bringt seinen Ferrari zum Stehen, steigt aus und gibt das Rennen auf. Ein technisches Problem? Nein, Lauda kommentiert gegenüber seinen Mechanikern: "Ich will mich nicht noch einmal umbringen."

James Hunt unterwegs zur Weltmeisterschaft im verregneten Fuji, Foto: Phipps/Sutton
James Hunt unterwegs zur Weltmeisterschaft im verregneten Fuji, Foto: Phipps/Sutton

Außer Lauda steuern noch Carlos Pace, Larry Perkins und Emerson Fittipaldi die Box an und weigern sich, weiterzufahren. Vor dem Rennen hatten die Piloten ein Gentlemen´s-Agreement getroffen: Jeder, der fahren möchte, tut das. Wer allerdings bei diesen Bedingungen aussteigen will, kommt nach ein paar Runden an die Box und beendet das Rennen.

James Hunt geht das Risiko ein und fährt weiter. Der Brite muss mindestens Vierter werden, um selbst den Titel zu holen. Doch er führt das Rennen sogar an und kommt seinem Traum immer näher. Erst in der Schlussphase muss er plötzlich Patrick Depailler und Mario Andretti vorbeiziehen lassen, schlimmer noch: Hunt erleidet einen Plattfuß. Als er aus der Box wieder zurück auf die Strecke kommt, ist er nur noch Fünfter, Lauda wäre damit in der WM vorne. Doch im Chaos der letzten Runden gelingt es dem damals 29-Jährigen, auf den dritten Platz zu kommen. Hunt ist Weltmeister.

James Hunt galt als Playboy der Formel 1, Foto: Phipps/Sutton
James Hunt galt als Playboy der Formel 1, Foto: Phipps/Sutton

Doch im Ziel ist der Brite alles andere als gut gelaunt. Das Durcheinander der letzten Runden - ohne Funkverkehr und mit unvollständigen Zwischenständen - lässt ihn glauben, das WM-Duell verloren zu haben. Erst sein Teamchef kann ihn beruhigen und ihm klar machen, dass er Weltmeister ist. Lauda befindet sich bereits auf der Abreise am Flughafen, als ihn die Nachricht von seiner WM-Niederlage erreicht. Der Österreicher nimmt es ohne große Regung zu Kenntnis, später sagt er zu seinem vorzeitigen Rennende: "Es gibt wichtigere Dinge als eine Weltmeisterschaft, zum Beispiel meinen Kopf, mein Leben."

Für Hunt bleibt es der einzige WM-Triumph. Er wird nie wieder an diesen Erfolg anknüpfen können, beendet 1979 seine Formel-1-Karriere und stirbt 1993, mit nur 45 Jahren. Lauda muss für seinen "Titel-Verzicht" viel Kritik von Enzo Ferrari einstecken, revanchiert sich allerdings mit der Weltmeisterschaft 1977. Sieben Jahre später, 1984, gewinnt Lauda seinen dritten Titel.

Der 2013 gedrehte Spielfilm "Rush" setzt dem WM-Duell 1976 ein Denkmal. James Hunt wird darin von Chris Hemsworth gespielt, Daniel Brühl verkörpert Niki Lauda. Letzterer lobte damals den Film und die Darstellung seiner Person, zeigte sich aber immer noch verärgert, dass seinerzeit in Fuji überhaupt gestartet worden war.