Verliert die Formel 1 am Ende der Saison zwei Teams? Gänzlich ausgeschlossen ist dieses Szenario nicht, schließlich stehen Red Bull Racing und Toro Rosso noch immer ohne Motoren für 2016 dar. Während die Verhandlungen mit den Kulissen laufen, um einen Vertrag - vermutlich mit Ferrari - unter Dach und Fach zu bringen, hoffen die Mitglieder des Paddocks geschlossen, dass es tatsächlich zu einer Lösung kommt und das Starterfeld nicht schrumpft.

Hamilton wundert sich über Red Bulls Verhalten

"Es wäre schade für die Fans", meinte Lewis Hamilton im Vorfeld des Russland GP. "Sie haben ein tolles Team, tolle Fahrer, tolles Renommee. Sie hatten unglaubliche Erfolge und haben noch immer ein ziemlich beeindruckendes Auto. Sie können noch immer Erfolg haben - sie müssen einfach hart daran arbeiten."

Verwundert zeigte sich der WM-Leader allerdings über das Verhalten, das Red Bull an den Tag legt. Teambesitzer Dietrich Mateschitz drohte bereits mehrfach damit, er werde seinen Rennstall aus der Formel 1 zurückziehen, sollte es nicht gelingen, konkurrenzfähige Motoren an Land zu ziehen.

"Es erscheint mir seltsam, Red Bulls Erfolge mitbekommen zu haben, und dann die Zeit, als sie nicht erfolgreich waren. Es ist als wären sie darüber verärgert. Das habe ich bei keinem anderen Team gesehen", meinte Hamilton, der den Vergleich zu Ferrari zog. "Als Ferrari die Weltmeisterschaft verlor, nachdem sie erfolgreich waren, kann ich mich nicht daran erinnern - aber vielleicht haben sie es getan -, dass sie sich im nächsten Jahr beklagt haben."

Ausstieg würde Vettel treffen

Besonders hart treffen würde ein Rückzug Sebastian Vettel, der mit Toro Rosso seinen ersten Grand Prix gewann, ehe er in Diensten von Red Bull vier Mal Weltmeister wurde. "Es wäre schade, Red Bull zu verlieren. Ich war lange Zeit dort, ich kenne ihr Potenzial. Es wäre für die Formel 1 generell schade, zwei oder gar vier Autos zu verlieren", sagte der nunmehrige Ferrari-Pilot.

Sebastian Vettel feierte mit Red Bull seine größten Erfolge, Foto: Red Bull/GEPA
Sebastian Vettel feierte mit Red Bull seine größten Erfolge, Foto: Red Bull/GEPA

Gerade weil Vettel die beiden Teams in- und auswendig kennt, kann er sich nicht so recht vorstellen, dass sie plötzlich von der Bildfläche verschwinden. "Ich hoffe natürlich, dass sie dem Sport erhalten bleiben, es wäre ein großer Verlust", betonte er, hielt aber gleichzeitig fest, froh zu sein, dass nicht er es ist, der eine Entscheidung bezüglich eines Motoren-Deals mit Ferrari treffen muss.

Ähnliche Töne schlug auch Vettels Teamkollege Kimi Räikkönen an. "Es ist nicht schön, Teams zu verlieren, die hart am Ende des Feldes kämpfen, und erst recht nicht Teams wie Red Bull und Toro Rosso", sagte der Finne. "Hoffentlich klärt sich das alles. Es wäre für uns alle in der Formel 1 besser."

Ricciardo und Verstappen zuversichtlich

Gedanken über ihre Zukunft machen sich naturgemäß auch die Piloten von Red Bull und Toro Rosso, wenngleich sich Daniel Ricciardo mit dem Thema laut eigener Aussage noch nicht übermäßig viel beschäftigt hat. "Ich habe über die negativen Folgen noch nicht nachgedacht - ich bin noch immer sehr positiv", betonte der Australier, der es aber begrüßt, dass Red-Bull-Boss Mateschitz in absehbarer Zeit Klarheit haben will. "Wir können nicht bis Weihnachten warten", ist Ricciardo bewusst.

Der 26-Jährige will bis Ende Oktober, der von Mateschitz gesetzten Deadline, positiv gestimmt bleiben. Sollte sich bis dahin nichts tun, werde er die Augen und Ohren offen halten, um sich nach Alternativen umzusehen. "Ich denke, wir werden etwas bekommen, das gut genug ist, um uns zu überzeugen, im Sport zu bleiben, und das bedeutet eine Chance zu haben zu gewinnen", regiert bei Ricciardo aber weiterhin die Zuversicht. Fest steht für ihn, auch nächstes Jahr definitiv Rennen fahren zu wollen. "Ich bin zu jung, um auf der Couch zu sitzen."

Der große Streitpunkt zwischen Red Bull und Ferrari ist die Frage, ob das Team aktuelle Motoren, also dieselbe Spezifikation wie das rote Werksteam, erhalten soll, oder Power Units aus dem letzten Jahr. Ricciardo könnte unter Umständen sogar mit letzterem Szenario leben. "Es hängt davon ab, wie gut ihre 2016er-Spezifikation ist", so der Australier, der auf die traditionell gute Aerodynamik von Red Bull baut. "Wenn es bedeutet, dass wir 20 PS weniger als unsere Konkurrenten hätten, würde uns das in eine deutliche bessere Position als in diesem Jahr bringen."

Die Red-Bull-Piloten hoffen, dass es weitergeht, Foto: Sutton
Die Red-Bull-Piloten hoffen, dass es weitergeht, Foto: Sutton

In einer ähnlichen Situation wie Ricciardo befindet sich Max Verstappen, der bei Toro Rosso über einen aufrechten Vertrag für 2016 verfügt. "Selbst wenn sie sich zurückziehen - und wir müssen abwarten und sehen, was passiert -, habe ich keine Angst, nicht in der Formel 1 zu sein", stellte der Niederländer klar. "Wenn sie aussteigen, muss etwas geschehen, aber für mich gibt es keine Anzeichen, dass sie aufhören, daher bin ich sehr glücklich, wo ich bin."

Und selbst wenn der Worst Case eintreten sollte, ist Verstappen davon überzeugt, dass sich Red Bull gebührend um ihn kümmern würde. "Das wäre fair", merkte er an. Abwanderungsgedanken hat Verstappen keine. "Ich sehe mich nicht um. Ich bin bei Red Bull sehr zufrieden, sie haben viel für mich getan, wegen ihnen bin hier. Deshalb gibt es für mich keinen Grund, mich umzusehen."

Unumstößlich ist allerdings die Tatsache, dass Toro Rosso mit jedem Tag, der ohne Entscheidung vergeht, wichtige Zeit verliert. "Es wird ein bisschen spät und wir müssen die Teile am Heck des Autos designen", warnte Carlos Sainz. "Wenn man zu dieser Zeit nichts am Heck des Autos hat, ist es ein wenig knifflig, aber ich habe volles Vertrauen, dass sie zu einer Lösung kommen werden. Red Bull hat viel für diesen Sport getan, eine Menge für die Formel 1, und sie werden schlussendlich einen ordentlichen Motor und ein ordentliches Paket für nächstes Jahr haben."

Ecclestone: Es wäre schlecht für die Formel 1

Ebenfalls auf einen Verbleib von Red Bull hofft Formel-1-Boss Bernie Ecclestone, dessen Produkt bei einem Ausstieg Schaden nehmen würde. "Wenn sie gehen, ist das schlecht für die Formel 1, schlecht für den Sport", hielt der Zampano in Sochi fest. Für Mateschitz hat Ecclestone einen Rat: "Kaufen Sie Volkswagen!"

Um das Starterfeld im Falle eines Red-Bull-Ausstiegs aufzufüllen, steht die Möglichkeit im Raum, einige Teams ein drittes Auto einsetzen zu lassen. "Darüber möchte ich aber gar nicht nachdenken", hofft aber auch Jenson Button, dass sich die Probleme letztlich in Wohlgefallen auflösen werden. "Sie sind mit ihren zwei Teams und talentierten Leuten ein großer Teil des Sports. Sie haben so viel erreicht. Es wäre wirklich sehr schade, wenn sie gehen würden."