Teamorder in der Formel 1 ist eine heikle Geschichte. Kein Fahrer befolgt sie gerne, zumeist widersetzt man sich dem Befehl von der Boxenmauer schlussendlich aber doch nicht. Ganz anders Max Verstappen in Singapur. Dem Toro-Rosso-Piloten war in der Schlussphase des Rennens mitgeteilt worden, seinen hinter ihm fahrenden Teamkollegen Carlos Sainz vorbeizulassen, der frischere Reifen hatte, damit dieser Jagd auf den unmittelbar vor dem Toro-Rosso-Duo liegenden Sergio Perez machen konnte. Der Niederländer brüllte daraufhin ein lautes "No!" in den Funk und machte keinerlei Anstalten, Sainz vorbeizulassen.

"Carlos hatte neue Reifen und wir haben gedacht, er hat eventuell eine Chance, Perez einzuholen. Aber er war zu weit weg, er ist nicht nahe genug gekommen und wir haben gesagt, er muss aufschließen. Aber er war immer zwischen drei und fünf Zehntel hinten und Folge dessen hat das gar keinen Sinn gemacht", erklärte Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com, dass die Anweisung an Verstappen im Grunde gar nicht ergehen hätte sollen. "Der Funkspruch kam früher, weil wir geglaubt haben, dass er aufschließen kann und schneller ist, was sich letzten Endes aber nicht als richtig erwiesen hat", so Tost.

Mit Verstappens deutlicher Reaktion auf den Funkspruch hatte der Österreicher keine Probleme. "Nein, überhaupt nicht, weil der andere zu langsam war", hielt Tost fest mit Blickrichtung Sainz fest. "Wenn ich eine Position tauschen will, muss ich auch zeigen, dass ich schneller bin als der andere, sonst macht es keinen Sinn. Er ist nicht nahe genug dran gefahren, er war einfach zu weit weg. Deshalb war das vollkommen richtig", verteidigte er die Vorgehensweise des Teenagers.

Sainz wollte seine Chance

Verstappen selbst, der schlussendlich als Achter vier Punkte holte, sah die ganze Situation im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com pragmatisch. "Weil ich das schnellere Auto auf der Strecke war und von einer Runde Rückstand kam", erklärte der Niederländer seine Widersetzung, der beim Start stehen geblieben war, weil sein Motor abgestorben war, und eine veritable Aufholjagd hinter sich hatte. "Normal muss da Anti-Stall kommen, es müssen also einige unglückliche Umstände zusammengespielt haben, ansonsten ist das nicht möglich", ärgerte sich Tost über das technische Problem. "Dass der Motor beim Start ausgeht darf es nicht geben, das muss technisch gelöst werden."

Sainz kommentierte der Verhalten seines Teamkollegen folgendermaßen: "Nachdem ich gesehen habe, dass er zehn Runden versucht hat, zu überholen, dachte ich mir, vielleicht kann ich es in einer Runde versuchen. Und hätte ich es nicht geschafft, hätte ich die Position an Max zurückgegeben. Ich wollte nur meine Chance, aber er entschloss sich dazu, sie mir nicht zu geben. Das ist etwas, worüber wir als Team sprechen müssen."

Das Toro-Rosso-Duo Verstappen und Sainz, Foto: Sutton
Das Toro-Rosso-Duo Verstappen und Sainz, Foto: Sutton

Väter sind sich uneinig

Mit besonderer Genugtuung sah Jos Verstappen, Max' Vater, das restriktive Vorgehen seines Sohns gegen die Teamorder. "Max hat so ein tolles Rennen gefahren. Max musste die Möglichkeit haben, ihn zu überholen, nicht Carlos", hielt der ehemalige Grand-Prix-Pilot im Interview mit Motorsport-Magazin.com fest. Dass Jos Verstappen seinen Ruf als durchaus strenger Vater nicht umsonst genießt, unterstrich er mit folgender Aussage: "Wenn er das gemacht hätte, wäre ich böse gewesen. Aber das würde er nicht machen."

Ein wenig anders sah man den Sachverhalt naturgemäß im Sainz-Lager. "Ich weiß nur, immer, wenn man Carlos gesagt hat, er muss ihn vorbeilassen, hat er das getan", betonte Carlos Sainz Senior im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. "Aber das ist eine Sache innerhalb des Teams, ich will mich da nicht einmischen. Ich sage Carlos immer nur, er soll seinem Weg folgen."

Die ehrgeizigen Väter, Foto: Sutton
Die ehrgeizigen Väter, Foto: Sutton

Punkte für das Rookie-Duo

Sainz beendete das Rennen als Neunter und nahm zwei Punkte mit. Dieses Ergebnis war jedoch keine Selbstverständlichkeit, weil der Spanier beim zweiten Restart zahlreiche Plätze verlor. "Als die Safety-Car-Phase zu Ende war, hat er irgendetwas falsch bedient und ist in Neutral gekommen", schilderte Tost, der noch eine genauere Untersuchung ankündigte.

Unter dem Strich schafften somit beiden Toro-Rosso-Piloten trotz durchaus schwerwiegender Probleme den Sprung in die Punkteränge, was ihren Chef stolz machte. "Max und Carlos haben ein super Rennen gefahren. Max ist eine Runde hinter den anderen gestartet und kam als Achter ins Ziel", lobte Tost. "Mehr Entertainment kann man nicht bieten."

Und auch die Väter waren mit der Ausbeute ihrer Sprösslinge beim Nachtrennen, das beide zum ersten Mal unter die Räder nahmen, zufrieden. "Er war viele Runden am schnellsten unterwegs, er ist sehr gut gefahren. Er war gut drauf", betonte Jos Verstappen. Und Carlos Sainz Senior ergänzte: "Insgesamt ist Carlos mit allem, was passiert ist, ein gutes Rennen gefahren. Er hatte gute Überholmanöver, eine gute Pace, war intelligent und hat auf seinen Moment gewartet."