Sebastian Vettel beendete den Großen Preis von Belgien mit einem Knall. Zwei Runden vor dem Ende des Rennens platzte der rechte Hinterreifen des Ferrari-Piloten, der zu diesem Zeitpunkt auf dem dritten Platz und damit auf Podiumskurs lag. Vettel war als einziger Pilot auf einer Ein-Stopp-Strategie unterwegs, während alle anderen Piloten zwei Mal gestoppt hatten. Sein Medium-Reifen hatte zum Zeitpunkt des Platzers 27 Runden abgespult.

"Ich muss aufpassen, was ich jetzt sage", war Vettel in einer ersten Stellungnahme völlig außer sich. "Das eine ist das Ergebnis, das andere, wenn es 300 Meter früher passiert, knalle ich in die Wand. Die Qualität der Reifen ist miserabel", zog der Heppenheimer über Pirelli her. "Die Vorgabe von Pirelli war, dass der Reifen 40 Runden hält, und wir hatten vielleicht 30 drauf", so Vettel weiter. "Das darf einfach nicht passieren."

Gegenüber Motorsport-Magazin.com erklärte Pirelli-Vertreter Mario Isola, dass der Grund für den Reifenschaden vermutlich das Alter der Pneus war, wenngleich eine genaue Analyse noch ausstehe. Von Pirelli gebe es keine Vorschriften, wie lange mit einem Reifensatz gefahren werden dürfe, lediglich bezüglich Reifendruck und -sturz gebe es Vorschriften.

Bereits im Freitagstraining war Nico Rosberg bei vollem Tempo der rechte Hinterreifen geplatzt. Nach einer Analyse kam Pirelli zum Schluss, dass es sich dabei um keinen strukturellen Fehler gehandelt habe. "Ich glaube, darüber muss gesprochen werden", forderte Vettel. "Es war zweimal an diesem Wochenende unangekündigt. Nico ist kein Idiot, der weiß wo er langfährt. Wenn er sagt, er ist nirgends drübergefahren, muss man ihm das glauben. Ich war auch nie neben der Strecke, gar nichts. Vollkommen unangekündigt knallt der Reifen durch."

Wie aufgebracht Vettel war, zeigt der Umstand, dass der Ferrari-Pilot seine standesgemäße Presserunde nach dem Rennen absagte und die Strecke wesentlich früher als üblich verließ.

Sebastian Vettel sagte seine Media-Session ab und ließ die Journalisten warten, Foto: Motorsport-Magazin.com
Sebastian Vettel sagte seine Media-Session ab und ließ die Journalisten warten, Foto: Motorsport-Magazin.com

Pirelli weist Schuld von sich

Nach dem Rennen entbrannte eine lebhafte Diskussion zwischen Vettel und Pirelli-Motorsportdirektor Paul Hembery. Hembery konnte die Kritik des Deutschen inhaltlich nicht nachvollziehen. "Alle waren auf zwei oder drei Stopps und wir wussten, dass einige erst auf zwei Stopps waren und dann auf drei gingen, weil die Strecke die aggressivste im Kalender ist. Es ist sehr, sehr, sehr ehrgeizig zu versuchen, 28 Runden mit einem Reifen zu fahren, was sonst keiner gemacht hat", erklärte der Pirelli-Motorsportdirektor.

Zudem wies Hembery daraufhin, dass man stets von einem Zwei- oder Drei-Stopp-Rennen gesprochen habe und Spa zwar ein harter Grand Prix sei, der Grund für den Reifenschaden jedoch das Erreichen des Endes der Lebensdauer gewesen sei. "Die Haltbarkeit hängt von den Rennbedingungen ab und ist kein festes Faktum. Es hängt auch davon ab, ob man verteidigt, attackiert oder die Reifen schont", so der Brite, der zugab, von Ferraris Strategie überrascht gewesen zu sein. Die von Vettel erwähnten 40 Runden seien nur ein grober Richtwert, aber keine Garantie gewesen.

Dass Vettel in seiner ersten Reaktion aufgebracht war, konnte Hembery nachvollziehen. "Man kann es verstehen, dass man emotional reagiert, dafür kritisiere ich ihn nicht. Wäre das Rennen zwei Runden eher zu Ende gewesen, wäre er auf dem Podium gestanden und alle hätten gesagt: genial. So ein Risiko gibt es manchmal", meinte er. Bedenken hinsichtlich des nächsten Rennens in Monza gebe es keine, da Vettels Reifen einfach am Ende ihrer Lebensdauer gewesen sei. "Es war ziemlich ehrgeizig geplant und hat nicht funktioniert."

Vettels Ferrari wurde gehörig ramponiert, Foto: Sutton
Vettels Ferrari wurde gehörig ramponiert, Foto: Sutton

Lauda verteidigt Pirelli und kritisiert Vettel

Niki Lauda sprang dem italienischen Reifenhersteller indessen zur Seite. "Ich finde es unfair, wenn er sagt, Pirelli ist schuld. Alle anderen haben zwei Stopps gemacht, da ist nichts passiert. Wenn Ferrari diesen Weg mit ihm geht und ihm platzt der Reifen, dann kann das möglich sein", betonte der Mercedes-Aufsichtsratsvorsitzende. "Wenn unsere Fahrer Pirelli so kritisieren würden, die versuchen, einen guten Job zu machen - und für alle anderen haben sie einen guten Job gemacht -, dann würde ich sie mir vornehmen."

Lauda weiter: "Du kannst einen Partner nicht derartig diskriminieren, wie Seb es gemacht hat, aber das ist seine Verantwortung. Dass Pirelli, wie jeder von uns hier, Fehler machen kann, die dann behoben werden, ist klar. So hier drüberzuziehen finde ich nicht richtig." Bei Rosberg sei der Fall ein ganz anderer gewesen und kein Konstruktionsfehler, sondern eine Beschädigung vorgelegen, erklärte Lauda. "Ferrari hat gewisse Mitschuld. Man verlässt sich auf Daten und geht den riskanteren Weg. Ich hätte es vermutlich auch gemacht, um Vettel von Platz acht auf drei zu bringen, dagegen hab ich nichts. Aber danach zu sagen, nur Pirelli schuld und das seit Jahren, sehe ich grundsätzlich falsch", unterstrich der Österreicher noch einmal seine Meinung.

Nico Rosberg zeigte sich nach dem erneuten Reifen-Zwischenfall beunruhigt. "Das ist heftig. Wir beide hatten riesiges Glück. Sowas darf nicht passieren, dass Reifen ohne Vorwarnung platzen. Es bringt nichts, jemandem die Schuld zu geben. Es ist schwierig zu verstehen. Da müssen wir viel Arbeit reinstecken", sagte der Mercedes-Pilot. "Wir müssen es verstehen und irgendwie Sicherheitsvorkehrungen einbauen. Ich weiß nicht, ob man die Heckkameras einschalten kann, damit man es genau sieht. Denn oft gibt es Vorwarnungen, bevor der Reifen platzt, wie bei mir - da hat man es schon eine halbe Runde vorher sehen können."