Toto Wolff scheint Red Bull wirklich nicht besonders zu mögen: Nach der bitteren Niederlage beim Ungarn GP im vergangenen Jahr fragte Motorsport-Magazin.com den Österreicher, was denn schmerzhafter sei: sein gebrochener Arm, oder die Siegermusik bei Red Bull hören zu müssen. Ohne zu zögern entschied sich Wolff für die Musik aus der Red-Bull-Garage.

Toto Wolff 2014 in Ungarn, Foto: Sutton
Toto Wolff 2014 in Ungarn, Foto: Sutton

Ein Jahr später sieht die Welt aus Mercedes-Sicht eigentlich gar nicht so viel anders aus: Mercedes verspielt auch 2015 in Ungarn zum zweiten Mal in der Saison den Sieg, trotzdem dominieren die Silberpfeile die Formel 1 noch nach Belieben.

Doch der Gegner heißt in diesem Jahr nicht Red Bull, sondern Ferrari. Und Toto Wolffs Arm ist nicht gebrochen. Auch Knie und Rücken bereiten Wolff derzeit keine Probleme. Und die Niederlage scheint den Mercedes Motorsportchef nicht besonders zu quälen. "Es ist besser, zu verlieren, als sich etwas zu brechen - das ist kein Vergleich", sagte er zur Gazzetta dello Sport.

Wolff lässt keinen Zweifel daran, dass ihm ein Sieg der Scuderia lieber ist, als ein Sieg des Brauseherstellers. "Für die Formel 1 ist es gut, dass Ferrari gewonnen hat und sie haben seit dem letzten Jahr eine tollen Wiederauferstehung geschafft. Man kann sagen, dass sie unsere besten Feinde sind."

Doch auch das Verhältnis zu Red Bull hat sich nach der schwierigen Saison 2013 normalisiert. Inzwischen schließt Mercedes nicht einmal mehr aus, Red Bull in Zukunft mit Motoren zu beliefern, sollte die Zwangsehe zwischen Red Bull und Renault vollends scheitern. "Aus Mercedes-Sicht - und ich spreche im Sinne der Formel 1 - muss ich sagen, dass es eine attraktive Option ist", gesteht Wolff.

"Wir würden mit einer Marke eine Beziehung eingehen, die junge Leute anspricht und für Gewinnen steht", nennt Wolff die Vorzüge einer solchen Verbindung. Allerdings gibt es auch eine Kehrseite der Medaille: "Als Teamchef merke ich an, dass es nicht ideal ist, einen Konkurrenten zu stärken, der weiß, wie man Siegerautos baut."

Schon auf der weniger Power-relevanten Strecke in Ungarn war Red Bull eine echte Bedrohung. Nicht nur in Form von Daniel Ricciardo, der beide Mercedes-Boliden mehr oder weniger sanft berührte. Ricciardo war am Ende des Rennens auf den Soft-Reifen der schnellste Pilot und hätte den Ungarn GP gewinnen können.

Mercedes: Können uns schnell an neue Regeln anpassen

Die Grundlage, überhaupt in diese Situation gekommen zu sein, schaffte Mercedes am Start. Nach Silverstone verloren Lewis Hamilton und Nico Rosberg zum zweiten Mal in Folge ihre Spitzenposition schon beim Wegfahren. In der dirty air konnten die Mercedes-Piloten nicht zurückschlagen und ihr eigenes Rennen fahren.

Die Starts sind Mercedes' Achillesferse, Foto: Sutton
Die Starts sind Mercedes' Achillesferse, Foto: Sutton

Mit dem neuen Startprozedere ab Spa, das jegliche Kontrolle vom Kommandostand verhindert, könnten sich solche Starts häufen. Angst hat Wolff vor der Änderung aber nicht: "Weil unser Team schnell auf Regeländerungen reagieren kann."

Wolff sieht die Änderungen ähnlich wie die Ferrari-Siege: Nicht optimal für Mercedes, aber gut für die Formel 1. "Ich finde die Änderung insofern gut, als die Starts wieder komplett in den Händen der Fahrer liegen. Damit hört zumindest auf, dass ein guter Start dem Faher zugeschrieben wird und ein schlechter einem Fehler am Computerprogramm."

Die Änderungen sind aber größer, als zunächst von vielen angenommen, wie Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner erklärt: "Wenn man bedenkt, dass Hamiltons Kupplung zwei Starts nicht besonders gut überstanden hat, mein lieber Mann! Da muss man bei den Materialien nachlegen, wenn man von Hand startet. Ich bin kein Kupplungs- und Startelektronik-Spezialist, aber man kann nicht einfach die Elektronik abschalten und die Fahrer mit dem, was man hat, losfahren lassen. Hier wird ein riesen Entwicklungsaufwand betrieben, um die Qualität der Starts irgendwie aufrechtzuerhalten."

Tokens keine Zuverlässigkeitsfrage

Obwohl Mercedes die Saison ähnlich dominiert wie die vergangene, sitzt die Konkurrenz zumindest punktemäßig im Nacken. Sebastian Vettel hat sich noch keinen Ausrutscher erlaubt und liegt nur 21 Punkte hinter Nico Rosberg und weitere 21 hinter Lewis Hamilton. "Und es sind noch 225 zu vergeben", warnt Wolff. "Die Wahrscheinlichkeit, den Titel noch zu verlieren, ist gering, aber man muss sich der Tatsache bewusst sein, was passieren kann. Deshalb ist es gut, beide Füße am Boden zu behalten."

Nicht nur an der Startprozedur und vor allem an der Kupplung wird Mercedes Hand anlegen, um weiter zu dominieren: Der Weltmeister hat während der Saison noch keinen einzigen Motoren-Token genutzt. Sieben hat sich Mercedes für die Saison aufgehoben. Gut möglich, dass in Spa die ersten Tokens gezogen werden. Spätestens aber in Monza soll ein Power-Update kommen. Bei den Laufleistungen der aktuellen Aggregate kann Mercedes ohne Risiko entscheiden, wann neue Power Units eingesetzt werden sollen.