Die Formel 1 macht Sommerpause. Genau der richtige Zeitpunkt für Motorsport-Magazin.com, um Halbzeitbilanz zu ziehen. Red Bull machte 2015 bislang weniger durch sportliche Leistung auf sich aufmerksam als durch einen öffentlichen Ehekrach mit Motorenpartner Renault. Die Franzosen haben auch im zweiten Jahr der Power-Unit-Ära den Rückstand nicht wettmachen können - im Gegenteil, er ist größer geworden. Helmut Marko und Co. platzte daher schon früh in der Saison der Kragen.

Seltenes Bild: Daniel Ricciardo vor dem Mercedes von Lewis Hamilton, Foto: Sutton
Seltenes Bild: Daniel Ricciardo vor dem Mercedes von Lewis Hamilton, Foto: Sutton

Das Auto:
Zwar bekommt Renault die größte Schelte ab, doch auch das Chassis ist längst nicht mehr das, was es zu seinen besten Zeiten war, was Red Bull auch selbst unverblümt zugegeben hat. So manches Mal mussten sich Daniel Ricciardo und Daniil Kvyat anstrengen, das Schwesterteam Toro Rosso in Schach zu halten. Die einstige Domäne Red Bulls - die schnellen Kurven - sind mittlerweile Mercedes-Territorium. Seit Silverstone gibt es leichte Fortschritte.

Der größte Schwachpunkt bleibt aber natürlich die Power Unit aus Viry-Chatillon. Der PS-Nachteil wird - je nach Stimmungslage - auf 50 bis 100 PS beziffert. Dass das Fahrzeug besser ist als sein Motor, beweist die hohe Punkteausbeute auf den langsamen Kursen in Monaco (22 Zähler) und Budapest (33 Punkte) - ansonsten blieb der Zuwachs auf dem Punktekonto bis auf einen Zehner in Bahrain im einstelligen Bereich. Beim mechanischen Grip ist Red Bull weiterhin in der Spitzengruppe vertreten.

20142015
Punkte zur Pause (2014 ein Rennen mehr) 219 96
Punkte/Rennen zur Pause 19,9 9,6
WM-Position zur Pause 2 4
WM-Position am Ende 2
Siege zur Halbzeit 2/11 0/10
Podien zur Halbzeit 7/22 2/20

Die Fahrer:
Nach dem Weggang von Sebastian Vettel ist Daniel Ricciardo bereits in seinem zweiten RBR-Jahr der Alphabulle. Dummerweise ist genau jetzt das Auto nicht mehr konkurrenzfähig. Der australische Sonnyboy wurde daher schon mit anderen Teams in Verbindung gebracht, doch Helmut Marko stellte bereits klar, dass der Australier nicht zu haben sei. Bei Red Bull wissen sie, was sie an dem Australier haben. Dass er bis Ungarn auf sein erstes Podium warten musste, liegt sicher nicht an ihm.

Der Wechsel von Sebastian Vettel zu Ferrari machte es möglich: Daniil Vyacheslavovich Kvyat wurde nach einer starken Rookie-Saison zu Red Bull befördert. Nicht immer geht der Wechsel von Toro Rosso so reibungslos vonstatten wie bei Ricciardo im Vorjahr. Der Russe enttäuschte in den ersten Rennen und bekam den Red-Bull-üblichen Druck zu spüren: Er wurde bereits in Frage gestellt. Doch seit der Monaco-Stallorder erlebt der erst 21-Jährige einen Höhenflug und bügelte Ricciardo in vier von fünf Rennen. In Ungarn holte er mit Platz zwei das beste RBR-Ergebnis der Saison.

Ein zu typisches Bild in dieser Saison, Foto: Sutton
Ein zu typisches Bild in dieser Saison, Foto: Sutton
Daniel Ricciardo Daniil Kvyat
Punkte 51 45
WM-Position 7 8
Quali-Duell 6 4
Durchschnittliche Startposition 7,6 (ohne Strafen)
7,9 (mit Strafen)
9,0 (ohne Strafen)
9,6 (mit Strafen)

Das Team:
Normalerweise erwartet man teaminternen Krach zwischen den Fahrern oder einem Fahrer und dem Team. Bei Red Bull hingegen war es der Kampf mit dem Motorenlieferanten, der medienwirksam ausgefochten wurde. Red Bull und Renault ist nur noch eine Vernunftehe, beide Seiten haben klargemacht, dass sie ihre Zukunft lieber mit anderen Partnern (oder ganze ohne F1) gestalten wollen. Wer dem Team schmerzlich fehlt ist Adrian Newey. Ohne ihn wirkt die Designabteilung orientierungslos.

Ausblick 2. Hälfte:
"Ich denke, in diesem Jahr kann man kaum mehr etwas erwarten", sagte Daniel Ricciardo bereits Anfang Juli. Ein letzter Hoffnungsschimmer ist der Große Preis von Singapur, der dem Fahrzeug noch einmal entgegenkommen sollte. Realistisch betrachtet steuert das Team auf seine erste sieglose Saison seit 2008 zu. In der Konstrukteurswertung wird es schwer werden, mehr als Platz vier zu erreichen. Außer Renault gelingt ein Wunder, wenn die noch ausstehenden Token in Anspruch genommen werden.

Meinungen zur ersten Red-Bull-Hälfte

Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner meint:
Red Bull hatte in der ersten Saisonhälfte neben dem Motor auch ganz klar ein Balance-Problem. Seit Silverstone und speziell Ungarn scheint das gelöst. Die zweite Saisonhälfte wird sicher besser.

Motorsport-Magazin.com meint:
Zwar läuft es für Red Bull seit den letzten Rennen ein wenig besser, doch die Zutaten sind wenig erfolgversprechend: Der Ehekrach mit Renault hat die Stimmung zwischen den beiden Parteien so versalzen, dass die Zusammenarbeit mittlerweile eher Zwang denn Lust ist. Hinzu kommt, dass den Fahrern noch eine Reihe von Power-Unit-Strafen droht. Teamintern muss Ricciardo mittlerweile aufpassen, dass ihm Kvyat nicht in der zweiten Saisonhälfte den Rang abläuft.