Wie gefällt Ihnen denn die Saison bisher? Sportlich bekamen wir ja zuletzt in Ungarn und Großbritannien einiges geboten...
Christian Danner: Vom reinen Motorsport her - fantastisch! Es ist super und das bezieht sich nicht nur auf die Kämpfe an der Spitze, wo in Budapest oder Silverstone alles durcheinandergewürfelt wurde. Auch alles, was dahinter stattfindet, ist toller Motorsport! Die Rad-an-Rad-Kämpfe sind klasse. Es geht nicht nur darum, wer wann zum Reifenwechsel kommt, sondern es macht irrsinnig viel Spaß, diese Formel 1 anzusehen.

Dazu kommt vorne noch ein spannender Titelkampf zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton?
Christian Danner: Mir gefällt es, dass auch die zwei da vorne hin und wieder mal Fehler machen. Hamilton ist in Ungarn laut eigenen Aussagen das schlechteste Rennen seines Lebens gefahren. Ob es wirklich so schlimm war, weiß ich nicht, aber Vergnügen beim Zuschauen entsteht dabei schon.

Vettel hat den Killer-Instinkt

Sebastian Vettel hat nicht nur das richtige Auto, sondern auch den Killer-Instinkt, Foto: Sutton
Sebastian Vettel hat nicht nur das richtige Auto, sondern auch den Killer-Instinkt, Foto: Sutton

Sebastian Vettel liegt in der WM genauso weit hinter Rosberg, wie Rosberg hinter Hamilton. Nämlich 21 Punkte. Kann Vettel da noch mitmischen?
Christian Danner: Naja... Was wirklich erstaunlich ist: Vettel ist immer, wenn es etwas zu holen gibt, da - das ist unglaublich. Ich glaube, dass Ferrari merkt, dass sie mit Sebastian Vettel einen irrsinnigen Glücksgriff gemacht haben. Er arbeitet nicht nur, ist nicht nur schnell, kommt nicht nur mit den Mechanikern gut klar, sondern hat auch noch diesen Killer-Instinkt. Das ist es, was ihn auch bei Red Bull letztendlich ausgezeichnet hat. Das sieht man bei Ferrari nun ganz deutlich. Ob er jetzt auch eine WM-Chance hat, hängt sehr davon ab, wie die Entwicklung - speziell die Motorentwicklung - bei Ferrari weitergeht.

Was erwartet uns in der zweiten Saisonhälfte? Können wir noch größere Verschiebungen erwarten?
Christian Danner: Ich glaube, dass wir immer mal wieder Rennen sehen werden, in denen Mercedes eigentlich sichere Siege nicht holen wird. Aber ich glaube nicht, dass wir eine fundamentale Änderung der Großwetterlage sehen werden. Der Mercedes ist und bleibt das beste Auto.

In Silverstone und Budapest kam Mercedes durch schlechte Starts in diese Situation. Könnte das neue Startprozedere, das ab Spa kommt, die Dominanz gefährden?
Christian Danner: Alle haben dasselbe Problem. Mercedes wird uns nicht vollständig erzählen, warum sie jetzt zweimal hintereinander so schlecht gestartet sind, aber: Wenn inzwischen jeder öffentlich darüber spricht, dass es bisher eigentlich vollautomatische Starts waren, dann lag bei Mercedes sicherlich ein technisches Problem vor.

Wenn wir jetzt auf die Spa-Situation blicken, dann wird das schon spannend. Hier wird viel auf das Material ankommen. Wenn man bedenkt, dass Hamiltons Kupplung zwei Starts nicht besonders gut überstanden hat, mein lieber Mann! Da muss man bei den Materialien nachlegen, wenn man von Hand startet. Denn da kann man nie so genau auf den Schleifpunkt der Kupplung hinsteuern. In diesem Bereich wird es sicher Entwicklung geben. Ich bin kein Kupplungs- und Startelektronik-Spezialist, aber man kann nicht einfach die Elektronik abschalten und die Fahrer mit dem, was man hat, losfahren lassen. Hier wird ein riesen Entwicklungsaufwand betrieben, um die Qualität der Starts irgendwie aufrechtzuerhalten.

Toro Rosso die Überraschung des Jahres

Wer war für Sie die Überraschung der Saison?
Christian Danner: Die Überraschung der Saison war für mich Toro Rosso. Dieses Auto ist sagenhaft. Dass James Key gut ist, das wussten wir. Dass Toro Rosso ein klasse Team ist, dass Franz Tost das top managt, das wussten wir auch. Aber dass sie mit diesem Formel-1-Kindergarten so solide schnell sind, das war für mich schon eine Überraschung. Respekt vor Team und Fahrern.

Wer war auf der anderen Seite die Enttäuschung der Saison?
Christian Danner: Das war wohl schon eindeutig Renault! Als sie bei den Wintertestfahrten damit begonnen haben, Motoren in die Luft zu jagen, hab ich mir gedacht: Das kann doch alles nicht wahr sein. Sie sind eine Enttäuschung, das kann man schon so sagen. Nüchtern betrachtet ist das eine ingenieurmäßige Bankrotterklärung. Es kann nicht sein, dass sie es nicht einmal halbwegs hinbekommen, dass Red Bull vorne mitfahren kann. Red Bull hat vielleicht ein bisschen stark getreten, aber insgesamt ist Renault schon eine Enttäuschung.