Die Formel 1 hat sich in die Sommerpause verabschiedet. Zeit, um Bilanz zu ziehen, was sich in der bisherigen Saison 2015 ereignet hat. Nicht nur die Teams lassen die erste Saisonhälfte Revue passieren, auch für die Medien, die den Rennzirkus begleiten, steht eine Analyse an. Nachdem die TV-Zuschauerzahlen in den letzten Jahren in Deutschland stark rückläufig waren, wurde mit großer Spannung erwartet, ob sich dieser Negativtrend fortsetzt oder die Trendwende gelingt. Motorsport-Magazin.com nimmt unter die Lupe, wie sich die Zuschauerzahlen entwickelt haben.

Schwieriger Saisonstart

Die Zeiten, als sich mehr als zehn Millionen Zuschauer vor dem TV-Schirm einfanden, um auf RTL Michael Schumachers nächsten Sieg mitzuerleben, sind zweifelsfrei und wohl auch unwiederbringlich vorbei. Zum einen, weil die Formel 1 in den letzten Jahren aus mehrerlei Gründen an Attraktivität eingebüßt hat, aber auch, weil der Fernsehmarkt einem starken Wandel unterliegt und immer weiter fragmentiert wird, sodass die großen Sender nahezu zwangsläufig Quoteneinbußen hinnehmen müssen.

Mit Michael Schumacher erlebte die F1 auf RTL ihre Blütezeit, Foto: Sutton
Mit Michael Schumacher erlebte die F1 auf RTL ihre Blütezeit, Foto: Sutton

In der Saison 2014 verfolgten durchschnittlich 4,36 Millionen Zuschauer die 19 Saisonrennen auf RTL. Der Kölner Privatsender erreichte damit die schlechtesten Zahlen seit zwanzig Jahren, was nicht nur ihm, sondern auch der Formel 1 generell viel mediale Schelte und Häme bescherte. Umso größer war die Spannung vor dem diesjährigen Saisonauftakt, in welche Richtung sich die Entwicklung fortsetzen würde.

Auf den ersten Blick erlebte RTL beim ersten Saisonrennen in Australien ein Debakel. Nachdem im Vorjahr noch 3,12 Millionen Zuschauer eingeschaltet hatten, waren es diesmal lediglich 1,72 Millionen. Ein dramatischer Verlust, der sich jedoch erklären und auch ziemlich relativieren lässt. Der Rennstart erfolgte in diesem Jahr bereits um 6 Uhr und damit eine Stunde früher als noch 2014, was viele ihren Schlaf liebende Fans abschreckte. Nicht zuletzt deshalb, weil RTL zum ersten Mal eine komplette Aufzeichnung des Rennens am Vormittag anbot.

Diese Wiederholung stieß auf durchaus großes Interesse. 1,63 Millionen Zuschauer sahen sich den Australien GP zeitversetzt an, und da davon auszugehen ist, dass die Schnittmenge zwischen jenen Personen, die das Rennen live sahen, und jenen, die Wiederholung konsumierten, nicht allzu groß war, kam RTL unter dem Strich auf nahezu idente Zuschauerzahlen wie im Vorjahr - nur eben verteilt auf zwei Sendungen.

RTL freut sich über Vettel-Siege, Foto: Ferrari
RTL freut sich über Vettel-Siege, Foto: Ferrari

Über Vorjahresniveau

Großen Jubel gab es in der Zentrale des Kölner Privatsenders zwei Wochen später, als Sebastian Vettel in Malaysia seinen ersten Sieg in Diensten von Ferrari feierte. 4,31 Millionen Zuschauer verfolgten das Rennen im Durchschnitt - rund 100.000 mehr als im Vorjahr. Die Siegerehrung mit Vettel auf der obersten Stufe des Podiums sahen sogar 5,52 Millionen live.

In China, Bahrain, Spanien und Monaco musste RTL in weiterer Folge dennoch Einbußen hinnehmen, in Kanada, Österreich und Großbritannien gab es hingegen ein teils deutliches Plus zu verzeichnen. In Ungarn, dem letzten Rennen vor der Sommerpause, gaben die Zuschauerzahlen wieder leicht nach, summa summarum lässt sich jedoch festhalten, dass sich RTL konsolidiert hat.

Der Vergleich mit der Vorsaison ist nicht ganz einfach, da 2015 der Deutschland GP ausgefallen ist. Lässt man dieses Rennen außen vor, verfolgten im letzten Jahr durchschnittlich 4,306 Millionen Zuschauer die ersten zehn Saisonrennen. Mit dem Deutschland GP waren es unwesentlich mehr, nämlich 4,352 Millionen.

In dieser Saison brachte es RTL auf 4,176 Millionen Zuschauer, betrachtet man lediglich die Live-Übertragungen. Addiert man jene Zuschauer, die die Australien-Wiederholung sahen, jedoch hinzu, ergibt sich ein Wert von 4,339 Millionen, der somit knapp über der letztjährigen Marke ohne den Deutschland GP liegt. Fazit: Die Talfahrt wurde gestoppt, RTL kann sich sogar über minimale Zugewinne freuen.

Zahlen und Fakten: Formel 1 auf RTL

RennenZuschauer 2014Zuschauer 2015MA (3+) 2014MA (3+) 2015MA (14-59) 2014MA (14-59) 2015
Australien3.120.0001.720.00043,3%38,6%43,6%34,8%
Wiederholung-1.630.000----
Malaysia4.210.0004.310.00035,9%38,8%34,7%35,9%
China3.910.0003.900.00040,3%42,5%38,6%40,2%
Bahrain5.100.0004.910.00027,6%29,2%27,0%27,2%
Spanien4.690.0004.250.00028,7%32,0%26,9%28,8%
Monaco4.230.0004.190.00034,0%31,1%34,6%27,7%
Kanada4.400.0004.450.00017,9%14,5%19,1%14,2%
Österreich4.220.0004.810.00029,3%32,7%28,9%28,5%
Großbritannien4.210.0004.660.00030,1%30,2%28,6%27,5%
Deutschland4.820.000-32,0%-30,9%-
Ungarn4.980.0004.640.00033,6%33,1%31,9%32,3%
Ø ohne Wdh.4.352.7274.176.00032,1%32,3%31,3%29,7%
Ø mit Wdh.-4.339.000----
Ø ohne D GP4.306.0004.176.00032,1%32,3%31,4%29,7%
Ø mit D GP4.352.727-32,1%-31,3%-

Auch in puncto Marktanteil (MA) ging es bergauf. Nach 32,1% im Vorjahr (ohne Deutschland GP) verbesserte sich die Formel 1 auf RTL in der allgemeinen Zielgruppe aller Altersstufen (3+) auf 32,3%. In der werberelevanten Zielgruppe der 14-59-Jährigen gab es hingegen einen Rückgang von 31,4 auf 29,7%. Allerdings gilt es zu beachten, dass die Wiederholung des Australien GP in diesen Zahlen nicht inkludiert ist.

Zufriedenheit bei RTL

"Wir sind mit den Zuschauerzahlen und dem Verlauf der letzten Rennen sehr zufrieden. Die Rennen in Silverstone und Ungarn waren ungemein spektakulär und hatten gute Quoten von mehr als 30%", sagt RTL-Sprecher Matthias Bolhöfer gegenüber Motorsport-Magazin.com. Angesichts der spannenden sportlichen Situation rechnet man in Köln damit, den Schwung in die zweite Saisonhälfte mitzunehmen.

"Ferrari ist mit Sebastian Vettel in der Lage, Mercedes herauszufordern, außerdem ist der Titelkampf zwischen Lewis Hamilton und Nico Rosberg weiter offen. Dass Red Bull wieder konkurrenzfähiger ist, verspricht einen zusätzlichen Kick", rührt Bolhöfer die Werbetrommel und ist sich sicher: "Der Trend geht nach oben."

Dennoch bleibt man bei RTL vorsichtig und will kein Quotenziel formulieren, wohlwissend, dass man sich im Falle des Nichterreichens wohl mit Schadenfreude konfrontiert sehen würde. "Natürlich wäre es schön, wieder einmal über die Marke von fünf Millionen Zuschauern zu kommen, aber wir setzen uns da nicht unter Druck", betont Bolhöfer. "Die Zeit wird es schon richten." Zuletzt war dies beim Finale der letzten Saison der Fall, als 5,71 Millionen einschalteten.

Der Deutschland GP fiel 2015 ins Wasser, Foto: Sutton
Der Deutschland GP fiel 2015 ins Wasser, Foto: Sutton

Dass der Deutschland GP nicht stattgefunden hat, hatte für RTL abgesehen davon, dass ein Rennen weniger als geplant übertragen wurde, keine Konsequenzen. Die Zuschauerzahlen des Rennens in Hockenheim lagen letztes Jahr nur geringfügig über dem Saisonschnitt. "Das Thema ist abgehakt: Rennen ausgefallen, Neustart 2016!", gibt Bolhöfer die Marschroute vor.

RTL überträgt die Formel 1 seit 1991 ohne Unterbrechung, ob Vettel, Hamilton und Co. aber auch im nächsten Jahr beim Rundendrehen vom Kölner Privatsender ins Bild gesetzt werden, steht noch nicht fest. Der Kontrakt läuft mit Saisonende aus und bislang kam es zu keinem Neuabschluss. "Der Stand bezüglich der Vertragsverhandlungen ist unverändert", verrät RTL-Sprecher Bolhöfer. "Wir sind in Gesprächen und grundsätzlich gewillt, den Vertrag zu verlängern."

Sky-Rechte laufen aus

Was für RTL gilt, gilt auch für Sky. Die Rechte des Pay-TV-Anbieters laufen mit Saisonende aus und noch wurde der Kontrakt nicht verlängert. Da Exklusivität im Bezahlfernsehen mitunter das höchste Gut ist, würde sich Sky naturgemäß wünschen, dass künftig zumindest ein paar Rennen nicht auch parallel im Free-TV ausgestrahlt werden.

Bekommt Sky mehr Exklusivität?, Foto: Sutton
Bekommt Sky mehr Exklusivität?, Foto: Sutton

Dieses Modell gibt es bereits in Großbritannien, wo BSkyB alle Grands Prix überträgt, während die öffentlich-rechtliche BBC nur bei der Hälfte der Rennen live dabei ist. Ob dieses Modell allerdings auch in Deutschland funktionieren würde, wo der Fernsehmarkt deutlich anders strukturiert ist als in Großbritannien und Pay-TV wesentlich weniger Akzeptanz genießt, muss bezweifelt werden.

Zum Vergleich: Obwohl das Vereinigte Königreich weniger Einwohner als Deutschland hat, verfügt BSkyB über mehr als zehn Millionen Abonnenten. In Deutschland sind es hingegen nur knapp 4,3 Millionen, die einen Sky-Decoder im Wohnzimmer stehen haben.

Was die Zuschauerzahlen betrifft, bewegte sich Sky in der bisherigen Saison wie RTL unter dem Strich auf dem Niveau des Vorjahres. Während es zuletzt in Ungarn einen Rückgang von 490.000 auf 400.000 Zuschauer zu verzeichnen gab, legte Sky beim Rennen in Österreich von 340.000 auf 440.000 zu. Die Marktanteile bewegen sich zumeist rund um drei Prozent.

Interesse in Österreich ungebrochen

Anders als in Deutschland läuft in Österreich der Vertrag über die Formel-1-TV-Rechte noch bis zum Ende der Saison 2016. Ob der langjährige Partner ORF mit der Königsklasse verlängert, steht noch nicht fest, letztlich ist es eine Frage der Finanzen, ob man sich mit Bernie Ecclestone einigt. Die österreichischen Privatsender ATV, Puls 4 und das im Besitz von Red Bull befindliche Servus TV werden in den Rechtepoker jedenfalls vermutlich nicht einsteigen.

Das Fan-Interesse an der Formel 1 in Österreich ist trotz des Fehlens eines heimischen Fahrers ungebrochen. Nach zehn Saisonrennen hält der ORF bei einem Zuschauerschnitt von 416.000 und einem durchschnittlichen Marktanteil von 39,3%. Zum Vergleich: ORF1, wo die Formel 1 übertragen wird, erreichte im Juli einen Marktanteil von lediglich knapp 9%. Das meistgesehene Rennen in der Alpenrepublik war naturgemäß der Heim-Grand-Prix in Spielberg mit stolzen 729.000 Zuschauern.