Für Nico Rosberg war der Ungarn GP eine bittere Niederlage. Zwar sah es vor dem Rennen so aus, als würde er sieben Punkte auf Lewis Hamilton verlieren - am Ende waren es nur vier -, doch nach dem Rennverlauf muss der Deutsche enttäuscht sein. Motorsport-Magazin.com erklärt, warum Rosberg der Rennverlauf dermaßen in die Karten spielte, dass er hätte gewinnen müssen - und warum er es am Ende nicht tat.

Rosberg rechnete mit einem Duell mit Hamilton, Foto: Mercedes-Benz
Rosberg rechnete mit einem Duell mit Hamilton, Foto: Mercedes-Benz

Der Schlüssel von Rosbergs Rennen war die Reifenwahl. Während Sebastian Vettel, Kimi Räikkönen und Lewis Hamilton beim ersten Stopp von Soft auf Soft wechselten, entschied sich Nico Rosberg für die Mediums. Am Samstag erklärte Rosberg, er sei bei der Strategie an seinen Teamkollegen gebunden, lediglich bei der Reifenwahl könne er selbst entscheiden.

Damit hatte die Entscheidung aber freilich nichts zu tun: Bei dieser Aussage ging Rosberg davon aus, dass er hinter Hamilton hängen und auf der Strecke keinen Weg vorbeifinden würde. An Ferrari dachte Rosberg da noch nicht im Entferntesten. Doch es kam komplett anders. Nachdem die Ferrari am Start vorbeigegangen waren, konnten sie Rosberg auch noch davonziehen. Wegen der schwachen Pace auf den Softs im ersten Stint, wechselte Rosberg deshalb anschließend auf die Medium.

Besser lief es dann allerdings auch nicht, zu groß war in Ungarn der Unterschied zwischen Soft und Medium. Im Qualifikationstrimm sogar bis zu zwei Sekunden. Im Rennen war der Unterschied natürlich geringer, doch noch immer eklatant. Doch der Fehler war nicht der Mittelstint - denn irgendwann muss jeder auf den ungeliebten Mediums fahren.

Rosbergs Fehler war, dass er auch im letzten Stint noch einmal auf Medium ging. Bis auf Rosberg fuhr kein einziger Pilot zweimal auf den härteren Reifen, so eklatant war der Unterschied. Auch die Begründung, auf den Soft-Reifen kam er nicht klar, rettet Rosberg nicht. Das verdeutlicht der Vergleich mit Sebastian Vettel.

Im ersten Stint, als Vettel und Rosberg auf Soft unterwegs waren, verlor der Mercedes-Pilot im Schnitt rund vier Zehntelsekunden pro Runde. Von Runde 2 bis Runde 19 wuchs der Rückstand von 3 auf rund knapp 7 Sekunden an. Im Mittelstint, als Vettel Soft und Rosberg Medium fuhr, explodierte der Abstand förmlich: Im gleichen Intervall von 18 Runden verlor der Vizeweltmeister mehr als 15 Sekunden - trotz komplett freier Fahrt. Pro Runde verlor er damit achteinhalb Zehntel.

Damit hätte Rosberg merken müssen, dass der Medium-Reifen auch im Renntrimm deutlich langsamer ist. Die Balance-Probleme aus dem ersten Stint waren nicht nur auf die Reifen zu schieben. Daniel Ricciardo, der im - vor allem auf den Medium-Reifen - eigentlich deutlich langsameren Red Bull wie Rosberg zur Rennmitte auf Medium fuhr, war im Mittelstint identisch schnell wieder Mercedes. Nach dem Zweikampf mit Hamilton fuhr Ricciardo sogar schneller als Rosberg. Rosberg war auch auf dem Medium-Reifen schlichtweg deutlich zu langsam.

Trotzdem wäre Platz drei bei normalem Rennverlauf locker drin gewesen. Von hinten eilte zwar Lewis Hamilton an Rosberg heran, der allerdings hatte im Mittelstint die Soft-Reifen und musste am Ende die Mediums fahren, wenn Rosberg den Vorteil der Softs haben sollte. An die Ferrari wäre Rosberg auch mit dem Reifenvorteil nicht mehr rangekommen, am Ende des zweiten Stints betrug sein Rückstand auf Vettel fast 30 Sekunden. Räikkönen hätte er ohne die MGU-K-Probleme des Finnen ebenfalls nicht bekommen.

Rosberg will nur Dritter werden

Außer: Es kommt ein Safety-Car. Wenn die Abstände genullt werden, hat Rosberg als einziger im Führungsquartett die deutlich schnelleren Reifen. Doch daran dachte der Deutsche gar nicht mehr. "Ich wollte nur sicherstellen, dass ich Dritter werde, weil das das beste war, was ich heute im Rennen erreichen konnte", gab Rosberg später zu.

Und deshalb konzentriere er sich ausschließlich auf Lewis Hamilton, der von hinten heraneilte und aus 20 Sekunden Rückstand 7 machte. Rosberg wollte deshalb gleichzeitig mit Hamilton stoppen und die gleiche Reifenmischung wie der Brite aufziehen, um auf Nummer sicher zu gehen, dass beide die exakt gleichen Bedingungen hatten - obwohl ihn die Box davor warnte und die Zeiten zuvor klar gezeigt hatten, dass Soft eindeutig schneller ist.

Rosbergs einziges Problem: Hamilton wäre früher zum Stopp gekommen, weil er auf den Mediums einen längeren Schlussstint hätte fahren können. Rosberg musste noch etwas warten, damit die Soft-Reifen sicher bis zum Rennende halten. Um auf keinen Fall Track-Position gegen Hamilton zu verlieren, wollte Rosberg den Briten imitieren.

Rosbergs Boxenfunk im Mittelstint:
Team: "Lewis wird auf den Prime-Reifen wechseln und könnte schneller als du sein"
Rosberg: "Dann gehe ich auch auf die Primes"
Team: "Im Moment tendiert der Kommandostand nicht dazu, das zu machen"

Fahrer Stopp 1 Stopp 2 Stopp 3 Stopp 4
Sebastian Vettel Runde 21 - Soft Runde 43 - Medium
Daniil Kvyat Runde 13 - Medium Runde 33 - Soft Runde 43 - Soft
Daniel Ricciardo Runde 21 - Medium Runde 42 - Soft Runde 64 - Soft
Lewis Hamilton Runde 19 - Soft Runde 42 - Medium Runde 51 - Soft Runde 54 - Strafe
Nico Rosberg Runde 20 - Medium Runde 43 - Medium Runde 64 - Soft
Kimi Räikkönen Runde 22 - Soft Runde 43 - Medium

Als die VSC-Phase ausgerufen wurde, war Rosberg unmittelbar vor der Boxeneinfahrt. Der WM-Zweite kam sofort rein und die Boxencrew hatten wegen der Konversation zuvor die Medium-Reifen vorbereitet. "Rückblickend wäre der Option-Reifen ideal gewesen, um Sebastian anzugreifen, der auf den Prime-Reifen fahren musste. Aber hinterher ist man bekanntlich immer schlauer", gab auch Toto Wolff zu. Doch man hätte es auch schon vorher wissen können und hätte sich Rosberg nicht nur auf Hamilton konzentriert, wäre es gar nicht erst dazu gekommen.

Daniel Ricciardo zeigte, wie man es besser machen konnte. Trotz eklatanten Topspeed-Nachteils konnte der Australier Lewis Hamilton überholen - einzig und allein wegen des Vorteils der Soft-Reifen. Dabei half auch, dass Ricciardo noch einen fast nagelneuen Satz Softs auf Lager hatte, weil er als einziger Pilot im Q1 mit Medium gefahren war. Ohne Kollisionen hätte Ricciardo eine realistische Chance gehabt, das Rennen zu gewinnen. Rosberg mit den richtigen Reifen erst recht.