Das Wochenende in Ungarn, es wird Maurizio Arrivabene wohl als Achterbahnfahrt in Erinnerung bleiben. Vorfreude, Angst, Hoffnung und letztendlich dann doch der Jubel über den Triumph am Sonntag - alles hatte der 58-jährige Ferrari-Teamchef an diesem Wochenende erlebt. Ein Rückblick aus der Sicht des Teamchefs.

Das Desaster am Freitag

Begonnen hatte das Wochenende für die Roten mit großen Vorsätzen. "Vor Ungarn haben wir uns die Daten angesehen, und gedacht, das könnte ein gutes Rennen werden", erinnert sich Arrivabene. Doch die Vorfreude verstummte schnell.

Sebastian Vettel hatte am Freitag mit seinem SF15-T zu kämpfen. Ein Kurzschluss stoppte den Deutschen am Vormittag, zwei Dreher am Nachmittag. 40 Runden spulte Vettel am Freitag ab, Stallkollege Räikkönen kam mit 53 Umläufen etwas besser voran. Aber auch der Finne blieb nicht ohne Probleme, er verlor in der ersten Session seinen Frontflügel. "Ich glaube es war für alle heute ziemlich schwierig und rutschig ", zog Vettel am Freitag Resümee.

Für Technikdirektor James Allison war der Freitag damit besonders schlimm, wie Arrivabene erzählt. "Er kam zu mir und sagte: 'Schau, du musst an den schlimmsten Tag denken, und heute ist es der schlimmste in meiner Karriere. Doch das wird uns helfen daran zu arbeiten' - das hat uns geholfen", so der Teamchef. "Das ist Ferrari, deshalb werden wir immer besser", lobt Arrivabene das Teamwork in der Scuderia.

Räikkönen verlor im ersten Freien Training seinen Frontflügel, Foto: Sutton
Räikkönen verlor im ersten Freien Training seinen Frontflügel, Foto: Sutton

Die Hoffnung am Samstag

Gesagt, getan. Bevor die Mannschaft am Samstag in die dritte Trainingssession startete, mahnte Arrivabene seine Jungs noch einmal: "Ich habe ihnen gesagt 'Beruhigt euch.' Das war mein erster Befehl", so der 58-Jährige. "Denn wir mussten der Realität ins Auge schauen. Wir hatten nur mehr das dritte Freie Training um das Auto zu verbessern. Also haben wir Analysen gemacht, alles zusammengefügt und dann Lösungen ausgetestet."

Das dritte Training lies etwas Hoffnung aufkommen: Mit knapp neun Zehntelsekunden Rückstand auf die Bestzeit von Lewis Hamilton holte sich Vettel in der dritten Trainingssession Platz drei. Sein Teamkollege Kimi Räikkönen kämpfte mit einem Wasserleck im Motor, belegte Position 16.

Am Nachmittag dann, bewies sich der Deutsche einmal mehr als erster Mercedes-Verfolger. Mit der drittschnellsten Zeit holte er sich die Startposition hinter Hamilton. "Wir haben in FP3 versucht, das Auto zu verbessern und das ist uns gelungen. P3 ist für uns das Maximum", freute sich Vettel danach.

Auch Kimi Räikkönen zeigte sich im Qualifying erfolgreicher, fuhr auf Platz fünf - und damit in der Startaufstellung direkt hinter Stallkollege Vettel. Die Ausgansposition für Sonntag war gut, denn beide Ferrari-Piloten ergatterten somit einen Platz auf der linken, sauberen Seite. "Wenn wir von heute auf morgen denselben Schritt wie vom Freien Training auf das Qualifying machen, dann würden wir das Rennen wohl sicher gewinnen", scherzte Vettel noch am Samstag.

Arrivabene konnte sich mit diesem Ergebnis zumindest zufrieden in den Feierabend verabschieden. "Wir haben nach dem Qualifying gesehen, dass wir auf einem guten Weg sind", so der Italiener. Die Hoffnung war wieder ins Ferrari-Lager zurückgekehrt.

Platz drei für Vettel, Platz fünf für Räikkönen: Die Voraussetzungen für Sonntag gaben Hoffnung, Foto: Sutton
Platz drei für Vettel, Platz fünf für Räikkönen: Die Voraussetzungen für Sonntag gaben Hoffnung, Foto: Sutton

Die Pflicht am Sonntag

Der Sonntag am Hungaroring startete kühler als die letzten Tage, knapp 15 Grad weniger zeigte das Thermometer an. Eigentlich ein Nachteil für die Ferraris, die vor allem bei Hitze immer eine gute Performance abliefern. Eigentlich, denn an diesem Tag folgte eine Überraschung der Nächsten.

Beide Ferraris überraschten mit einem unglaublichen Speed und zogen beim Start über links an beiden Silberpfeilen vorbei. "Ein bombastischer Start", jubelte Vettel danach. Unfälle, Ausfälle, Strafen - das Fahrerfeld wurde in Ungarn immer wieder ordentlich durchgemischt. Doch das Chaos bekam zumindest Vettel an der Spitze nicht mit. Der Deutsche fuhr seine Position an der Front souverän ins Ziel. Sein erster Sieg am Hungaroring und der zweite für Ferrari waren besiegelt.

Anders Kollege Räikkönen, zu Beginn noch souverän hinter Vettel sah es lange nach einem roten Doppelsieg aus. Es wäre der erste, seit dem Deutschland GP aus dem Jahr 2010 gewesen. Doch ein Komplettausfall der MGU-K wurde dem Finnen zum Verhängnis. Als das Safety Car in Runde 44 ausrückte, löste sich sein auf zwei Sekunden herausgefahrener Vorsprung auf den drittplatzieren Rosberg in Luft auf. Elf Runden später versagte sein SF15-T dann komplett - der Finne musste den Ferrari in der Box abstellen, ein versuchter Reset des Systems half auch nicht mehr weiter.

Dennoch, der Sieg von Vettel lässt die Scuderia in Ungarn endlich wieder jubeln. Es ist nach Vettels Triumph in Malaysia, der zweite Sieg in diesem Jahr, und damit die erfüllte Pflicht des Teamchefs. Noch vor Saisonstart hatte Arrivabene erklärt, zwei Auftritte am Siegerpodest wären das Ziel. In Österreich hatte der Italiener die Pflicht noch auf drei erhöht. Wie auch immer, die Scuderia jubelte, und das war am Hungaroring nicht zu überhören.

"Bis vor zwei Tagen war es noch ein Desaster, und jetzt haben wir den zweiten Sieg", freute sich Arrivabene. "Ich bin wirklich glücklich. Wir hatten gerade eine Phase wo unsere Entwicklung unter Plan verlief, und das ist ein sehr schöner Erfolg, der zeigt, dass wir wieder zu unserer alten Form zurück finden", jubelte auch James Allison. "Es war ein tolles Rennen, wir hatten eine super Pace - vielen Dank an das gesamte Team", konnte Vettel seine Freude am Podium nicht verbergen.

Die Freude nach dem Rennen war bei Sebastian Vettel und James Allison groß, Foto: Sutton
Die Freude nach dem Rennen war bei Sebastian Vettel und James Allison groß, Foto: Sutton

Die Belohnung ab Montag

Bevor man bei Ferrari an die Vorbereitungen für Belgien denkt, dem übrigens 900. Grand Prix-Start der Scuderia, verabschieden sich Arrivabene und Allison in die wohlverdiente Sommerpause. "Schwimmen, Wandern, Radfahren", ist der Plan des Teamchefs. "Danach werden wir weiter hart arbeiten, so wie wir es an diesem Wochenende getan haben", verspricht der Italiener aber.

Auch Allison freut sich auf die freien Tage. "Ich werde mich an den Strand setzen und zwei Wochen lang an diesen Triumph denken", so der Technikdirektor. Am 23. August wartet in Spa-Francorchamps der elfte Lauf, damit fällt auch der Startschuss für die zweite Hälfte der Saison.