Acht Runden lang hatte Nico Rosberg die virtuelle Führung in der Weltmeisterschaft inne. Als Lewis Hamilton in Runde 51 übermotiviert in Daniel Ricciardo hineinfuhr und anschließend zum Frontflügelwechsel kommen musste, sah es nach der zusätzlichen Durchfahrtsstrafe nach einer Nullnummer für den Briten aus.

Nico Rosberg hingegen durfte sich auf Position zwei liegend sogar noch geringe Hoffnungen auf den Sieg beim Ungarn GP machen. Von Runde 52 bis 60 führte er virtuell die Meisterschaft an. Doch in Runde 63 dann der große Schock für den Deutschen: Im Zweikampf mit Daniel Ricciardo schlitze er sich seinen Reifen auf. Statt Meisterschaftsführung hieß es am Ende nur Platz acht. Vier Punkte auf Hamilton verloren.

Rosberg, stimmungstechnisch irgendwo zwischen enttäuscht und sauer, will das nicht so wahrhaben. "Ich hätte einige Punkte gutmachen können, aber das mit WM-Führung ist nicht korrekt", wehrte er eine Frage nach dem Wechselbad der Gefühle schnell ab. "Es bringt auch gar nichts [darüber nachzudenken], weil das meinen Urlaub nur unnötig kaputt macht."

Für Rosberg wird es mehr als nur eine normale Sommerpause. Frau Vivan erwartet ihr erstes Kind. Angst vor einem schlecht gelaunten Mann muss die hochschwangere Gattin aber nicht haben. "Wenn ich bei meiner Familie bin, dann ist es mit Sicherheit wieder vorbei. Das ist das schöne - der Sport hat keinen Einfluss auf mein Wohlempfinden im Leben. Das sind einfach kurze, riesige Emotionen oder Enttäuschungen, aber die haben null Einfluss auf das normale Leben und das ist auch gut so."

Startabbruch schlecht für Kupplung

Doch zunächst gilt es für Rosberg und Mercedes, Antworten zu finden. Antworten darauf, warum Mercedes heute nicht in der Lage war, das Rennen zu gewinnen, warum erneut der Start bei beiden Autos in die Hose ging. Zumindest bei letzterer Frage hat Rosberg eine Idee. Das Problem aus Silverstone sei ausgeräumt, so der Deutsche. "Heute waren aber wieder sehr besondere Umstände, weil der erste Start abgebrochen wurde und wir dann ein weiteres Mal starten mussten. Dadurch ist alles anders, die Kupplung und so weiter. Das macht viel aus."

Schon in Silverstone klappte der Start bei Mercedes nicht, Foto: Sutton
Schon in Silverstone klappte der Start bei Mercedes nicht, Foto: Sutton

Der Start des Vizeweltmeisters war nicht schlecht. Die dreckige Seite kostete ihn am Ende die Position gegen Vettel, gegen Räikkönen verlor er erst später. Mercedes Motorsportchef Toto Wolff ist etwas beunruhigter ob der misslungenen Starts. "Sehr sogar", gibt der Österreicher zu. Nach der Sommerpause gelten beim Start neue Regeln. Die Ingenieure dürfen keine Anweisungen mehr geben. "Für uns kann es nur besser sein", scherzte Wolff.

Wolff polterte nach dem Rennen: "Das letzte Mal wurden wir von zwei Williams überholt, dieses Mal von zwei Ferraris. Das hat das ganze Chaos und den Zwischenfall in Kurve eins ausgelöst. Über dieses Problem müssen wir hinwegkommen, denn es ist nicht akzeptabel und muss analysiert werden." Einen einzelnen Grund für die schlechten Starts schließt er aus. "Ich glaube, es gibt viele verschiedene Gründe dafür."

Die Starts beschäftigen Mercedes schon seit Saisonbeginn. Rosberg tüftelte lange Zeit an der Rückstellfeder und entschied sich nach ausgiebigen Tests schließlich wieder für die alte Variante. Vielleicht einer von mehreren Gründen. Rosbergs Theorie, der zusätzliche Start könnte verantwortlich dafür gewesen sein, will Wolff nicht ausschließen: "Wir hatten zwei sehr gute Übungsstarts von der Linie und als es draufankam, hatten wir zu viel Wheelspin."

Wolff: Rosberg selbst fragen

Rosberg dürfte aber ein Problem viel mehr interessieren: Warum er das gesamte Wochenende über langsamer war als sein Teamkollege. Toto Wolff konnte sich um eine Antwort auf diese Frage drücken. Just in dem Moment, als der Österreicher danach gefragt wurde, stieß Nico Rosberg hinzu. Und Wolff gab die Frage gleich weiter.

Rosberg konnte allerdings auch nicht viel beitragen: "Das weiß ich nicht, das müssen wir herausfinden." Der Fehler wurde schon am Samstag gemacht. Rosberg hatte schon bei heißen Temperaturen mit Untersteuern zu kämpfen. Der Temperatursturz am Sonntag machte es noch schlimmer. "Die Balance war völlig daneben. Das war auch im Rennen ein Problem: Ich bin zu weit in die andere Richtung gegangen und dann zurück und so weiter, das ist einfach nicht optimal gelaufen."

Besonders auf den Soft-Reifen konnte der Mercedes Pilot nicht überzeugen. Im ersten Stint musste er die Ferrari ziehen lassen. Während die Konkurrenz noch einmal auf Soft wechselte, ging Rosberg auf Medium.

"Auf dem Prime war die Pace im Vergleich zu Ferrari viel besser", erklärte Rosberg die Entscheidung, auch beim zweiten Stopp auf die härtere Mischung zu gehen. Dabei waren die Soft-Pneus eigentlich viel schneller. "Ich wollte meine Position halten. Die Ferrari waren zu schnell, deswegen wollte ich nur meine Position halten", rechtfertigte er sich. "Ich wollte nur sicherstellen, dass ich Dritter werde, weil das das beste war, was ich heute im Rennen erreichen konnte."

Soft-Reifen mit Safety-Car-Phase besser

Durch die Safety-Car-Phase wurde aber alles durcheinandergewürfelt. Weil Vettel und Räikkönen auf Medium gehen musste, hätte Rosberg mit Soft am Ende richtig auftrumpfen können. Allerdings wurde er durch das VSC kurzfristig reingeholt. Als die Meldung von der Rennleitung kam, befand sich Rosberg bereits unmittelbar vor der Boxeneinfahrt. "Da wäre der Soft-Reifen sicher der Bessere gewesen", ärgerte er sich. "Das hat nicht perfekt funktioniert."

Toto Wolff stimmt zu: "Der Standardreifensatz war der Prime-Reifen, da wir noch rund 30 Runden unter normalen Bedingungen zu fahren hatten. Dies war der einzige Satz, den wir aufziehen konnten. Rückblickend wäre der Option-Reifen ideal gewesen, um Sebastian anzugreifen, der auf den Prime-Reifen fahren musste. Aber hinterher ist man bekanntlich immer schlauer."

Für Mercedes verlief der Tag aber nicht nur unglücklich. Ferrari hatte vor allem zu Beginn des Rennens eine bessere Pace, das hatte niemand so erwartet. Doch Rosberg nimmt es gelassen: "Unser Auto ist noch immer fantastisch. Wir verstehen heute nicht wirklich, wir haben definitiv erwartet, dass wir schnell sind. Ich glaube, dass wir in Spa wieder sehr schnell sein werden."